Umweltbewußtsein von oben.
Zum Verfassungsgebot demokratischer Willensbildung.
Hans-Peter Vierhaus
Die frühe Umweltpolitik war gerade keine »Bewegungs-«, sondern eine ministerialbürokrativ-technokratische Elitenpolitik der Bundesregierung, die das Thema »Umweltschutz« seit Ende 1969 / Anfang 1970 besetzt und durch erfolgreiche Lenkungsstrategien zum Gegenstand öffentlicher Meinung und gesellschaftlichen Bewußtseins gemacht hat. So lautet die Grundthese, die in einem ersten, zeitgeschichtlichen Schritt dieser Untersuchung verifiziert wird. Inzwischen ist eine ganze Typologie der Umweltinformation aufzuzeigen. Verfassungsrechtliche Brisanz erhält die Entwicklung zum Meinung machenden, edukatorischen Aufklärungsstaat vor dem Hintergrund des im Hauptteil dieser Arbeit entwickelten Verfassungsgebots der Willensbildung »von unten nach oben«. Die verfassungsrechtliche Notwendigkeit amtlicher Öffentlichkeitsarbeit sei »nicht mehr in Zweifel zu ziehen« (Schürmann 1992). Apodiktische Behauptungen wie diese provozieren Rückfragen: Erlaubt das Demokratieprinzip eine über die Verhaltenssteuerung hinausgehende staatliche Steuerung kollektiver Bewußtseinsinhalte, also die Lenkung der öffentlichen Meinung durch sog. »Staatskommunikation«? Gibt es einen »demokratischen Goebbels«? Oder ist die im Grundgesetz formulierte demokratische Kommunikationsordnung so zu verstehen, daß der Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung von jeglicher Form staatlicher Beeinflussung frei zu halten ist? Hat es Sinn, daß der Staat das Vertrauen seiner Bürger, also die Voraussetzung, von der er lebt, selbst künstlich zu garantieren sucht, oder belügt er sich damit nur selbst? Schafft der Staat durch geistige Betreuung den engagierten Aktivbürger oder einen passiven Lethargiker? Darf der Staat nicht nur Rechtsgehorsam verlangen, sondern darüber hinaus auch für eine bestimmte Umweltmoral werben?
Diesen Fragen geht die vorliegende Untersuchung nach.