Untersuchung der Entstehung und Bewegung von Flüssigkeitsansammlungen auf Radialturbinenlaufradschaufeln mit einem erweiterten Navier-Stokes-Löser
Sebastian Schuster
Zu den großen Herausforderungen der Menschheit gehört deren Versorgung mit bezahlbarer, die Umwelt und die Ressourcen schonender Energie. In diesem Zusammenhang kommt der stetigen Verbesserung der Energieeffizienz eine herausragende Bedeutung zu. Neben den vermeintlich großen Stellschrauben müssen auch viele einzelne Potenziale ausgeschöpft werden, um im Gesamten die Energieeffizienz zu steigern. Die vorliegende Arbeit leistet hierfür einen Beitrag, indem die Grundlagen für eine verbesserte energetische Verwertung von Restgasen aus der Prozessindustrie mittels Radialturbinen gelegt werden. Diese Restgase sind Gas-Dampfgemische, das heißt, im relevanten Temperatur- und Druckbereich liegen kondensierbare und nicht kondensierbare Stoffe vor. Um den exergetischen Energieanteil bestmöglich auszunutzen, muss das Gas-Dampfgemisch in Druckbereiche entspannt werden, in denen der Dampf kondensiert. Damit ein zuverlässiger Betrieb der Turbinen gewährleistet werden kann, werden in dieser Arbeit umfangreiche Untersuchungen unter Zuhilfenahme eines erweiterten Navier-Stokes-Lösers durchgeführt. Im ersten Teil der Arbeit wird ein vorhandenes CFD-Programm um Routinen erweitertet, welche die Kondensation, die Flüssigkeitsfilmbildung und den Flüssigkeitsfilmtransport beschreiben. Der Kondensationsvorgang wird mit der klassischen Nukleationstheorie und Wärme- und Stoffübertragungsmodellen abgebildet. Bei der Berechnung der Tropfenbewegung werden die aerodynamische Widerstandskraft, die unter Berücksichtigung der turbulenten Schwankungsbewegung bestimmt wird, die Brown´sche Molekularkraft, die thermophoretische Kraft, die Auftriebskraft und die Druckkraft berücksichtigt. Durch die Tropfenablagerung entsteht ein Flüssigkeitsfilm, dessen Dicke und Geschwindigkeitsfeld mit einem auf den Filmgleichungen basierenden Rechenprogramm ermittelt wird.
Mit dem erweiterten CFD-Programm wird eine Turbinenbaureihe im Hinblick auf Kondensationseffekte im Laufrad sowie der Flüssigkeitsablagerung und Flüssigkeitsfilmbildung auf den Laufradschaufeln untersucht. In Radialturbinen ist eine Mindestunterkühlung des Dampfes von etwa 20 °C notwendig, damit merklich Kondensation einsetzt. Die direkt durch Kondensation entstehenden Tropfen haben kein unmittelbares Gefährdungspotenzial für die Turbine. Sie verlassen die Turbine entweder durch den Austrittsstutzen oder bilden auf den Oberflächen einen Flüssigkeitsfilm. Die Bewegungsrichtung des Flüssigkeitsfilmes auf der Laufradschaufeloberfläche ist vornehmlich zentrifugal gerichtet, wobei der Flüssigkeitsfilm in Abhängigkeit vom Betriebspunkt zur Laufradhinterkante, der Laufradkante entlang der Gehäusekontur oder der Laufradvorderkante fließt. Die aus dem Film an den beiden letztgenannten Kanten entstehenden Tropfen können sich in die Turbine bewegen, wodurch der zuverlässige Betrieb der Turbine gefährdet wird.
Für den Kondensationsprozess werden verschiedene Korrelationen angegeben, mit denen der Ort maximaler Unterkühlung respektive der Kondensationspunkt sowie die Lage der Kondensationsfront bestimmt werden können. In der Arbeit wird gezeigt, dass Tropfenablagerung am Ort der maximalen Unterkühlung einsetzt. Dadurch können die vorher genannten Korrelationen ebenfalls genutzt werden, um den Punkt, an dem Ablagerung einsetzt, zu bestimmen. Aus den auf dem Filmmodell basierenden Rechnungen und analytischen Betrachtungen kann die Filmbewegung auf der Laufradschaufeloberfläche als reine zentrifugale Bewegung angenommen werden, womit über den Ablagerungsbeginn direkt die Benetzung des Laufrades bestimmt werden kann. Schlussendlich wird ein vereinfachtes Rechenmodell gegeben, mit dem über wenige Turbinenparameter bestimmt werden kann, ob Tropfenbewegung entgegengesetzt der Strömung und somit in die Turbine hinein stattfindet. Bei Kenntnis des Eintritts- und Austrittszustandes einer Radialturbine kann mit einer erarbeiteten Korrelation die Wirkungsgradänderung aufgrund der Kondensation berechnet werden.