Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit in Wechselwirkung.
Bodo Pieroth
Das 50-jährige Bestehen des Grundgesetzes hat Anlaß gegeben, nicht nur zu feiern, sondern auch Bilanz zu ziehen: Was hat das Grundgesetz geleistet? Hat es den Staat und das Gemeinwesen »Bundesrepublik Deutschland« in gute Verfassung gebracht und in guter Verfassung erhalten? Da Rechtsnormen die Funktion haben, das gesellschaftliche Zusammenleben zu ordnen, ergibt sich ihre Leistung daraus, wie stark sie die gesellschaftliche Wirklichkeit beeinflußt haben. Elf Münsteraner Professoren des Rechts sind daher in einer Ringvorlesung im Sommersemester 1999 ausgesuchten verfassungsrechtlichen Normkomplexen und die diesen zugeordneten Wirklichkeitsauschnitten mit folgenden Fragen nachgegangen:
– Wie war die Ausgangslage 1949, und was war das Regelungsziel des Parlamentarischen Rats? Wollte er bewahren oder verändern, und zwar in welche Richtung?
– Wie ist den einschlägigen Verfassungsnormen das gelungen? Welche Beeinflussungen der sozialen Wirklichkeit haben sich in den letzten 50 Jahren durch das Verfassungsrecht (und die Verfassungsrechtsprechung) ergeben?
– Wie hat umgekehrt die soziale Wirklichkeit der letzten 50 Jahre die Auslegung (das Verständnis) der Verfassungsnormen geprägt? Welcher Inhalt ist den Verfassungsnormen dabei für den jeweiligen Ausschnitt der sozialen Wirklichkeit zugerechnet worden?
– Was bedeutet der erreichte Stand des Verfassungsrechts für zukünftige Probleme? Welches Bewahrungs- oder Veränderungspotential kommt dem Grundgesetz insofern zu?