Volldampf im Remstal
Dampflokomotiven auf der Remsbahn vor 50 Jahren. Bilder aus der Sammlung Werner
Michael Lang
Eine kurze Geschichte der Remsbahn
Über die Württembergischen Staatsbahnen und deren Geschichte und speziell auch über die Remsbahn ist schon eine ganze Reihe von Publikationen erschienen. Erinnert seien unter anderem an „Die Württembergischen Staatsbahnen“ von Mühl/Seidel oder an das 1987 erschienene Werk von Dr. Kurt Seidel „Die Remsbahn“. Deshalb soll hier die Geschichte der Remsbahn nur in groben Zügen nachgezeichnet werden.
Schon fünf Jahre bevor mit der legendären Lok „Adler“ auf der Strecke zwischen Nürnberg und Fürth die erste Eisenbahnlinie in Deutschland eröffnet worden war, setzte der württembergische König Wilhelm I. eine Kommission ein, der die Aufgabe übertragen wurde, ein Gutachten über die Verkehrsverhältnisse und deren Entwicklung im Königreich Württemberg zu erstellen. Dabei ging es unter anderem auch um die Untersuchung der Möglichkeiten, wie eine Verbindung vom Rhein zum Bodensee hergestellt werden könnte. Das 1834 fertiggestellte und dem König übergebene Gutachten setzte sich unter anderem sehr für den Bau von Eisenbahnen in Württemberg ein. Dabei wurde ausgeführt, dass eine Bahnlinie von Cannstatt über Aalen und Ulm bis zum Bodensee geführt werden möge. Es entfachte sich ein Streit zwischen den Befürwortern einer direkten Linienführung von Cannstatt über Geislingen nach Ulm über das Filstal und den Gegnern, die die Schwierigkeiten des Albaufstiegs fürchteten und deshalb für die zwar längere aber topographisch unproblematischere Strecke über das Rems- und Brenztal plädierten. König Wilhelm I. beendete diese Diskussion Anfang 1836 mit einem Dekret und entschied, dass dem kürzeren Weg, also einer Bahnlinie über die Alb, wenn irgend möglich der Vorrang zu geben sei.
Es vergingen aber noch viele Jahre, bis schließlich am 22. April 1843 das Gesetz für den Bau von Eisenbahnen im Königreich Württemberg auf Staatskosten verabschiedet wurde. Auch in Württemberg hatte man sich damit für den Staatsbahngedanken und gegen Privatbahnen, zumindest auf Hauptstrecken, entschieden.
So war die erste in Angriff genommene Linie die Strecke von Heilbronn über Stuttgart, Ulm bis Friedrichshafen, die eine Länge von etwa 250 Kilometern hatte. Der erste Spatenstich erfolgte am 26. Juni 1844, und am 13. Oktober 1845 konnte die erste Probefahrt auf dem Teilabschnitt zwischen Cannstatt und Obertürkheim stattfinden. Am 29. Juni 1850 konnte dann der letzte Teilabschnitt der gesamten Strecke, nämlich derjenige zwischen Geislingen und Ulm mit seiner berühmt-berüchtigten Geislinger Steige, seiner Bestimmung übergeben werden.
Nachdem sich die Bahnen der ersten Bauepoche sehr gut bewährt hatten und auch gute Gewinne abwarfen, sollten nach einiger Zeit die Bauarbeiten weitergeführt und das Streckennetz ausgebaut werden. Es gab Planungen für die Strecken Lonsee – Heidenheim – Aalen, Plochingen – Reutlingen – Rottenburg und Eislingen – Schwäbisch Gmünd. Bei der Diskussion über diese Pläne wurde das Lonsee-Projekt abgelehnt, besonders, weil dort kein großes Verkehrsaufkommen zu erwarten war. Die Strecke Heidenheim- Aalen – Wasseralfingen blieb weiter in der Planung, während das Projekt Eislingen – Schwäbisch Gmünd als Verbindungsbahn zwischen Rems- und Filstal wegen der topographischen Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, sehr in Frage gestellt wurde. Weitere Streckenvarianten standen ebenfalls zur Diskussion, so unter anderen auch die Strecke von Cannstatt nach Aalen. Zunächst kam aber die Strecke von Plochingen nach Reutlingen zur Ausführung mit einer Verlängerung nach Rottenburg.
Nachdem am 17. November 1858 das Gesetz über die Erweiterung des Eisenbahnnetzes beschlossen worden war, welches unter anderem eine Strecke von Cannstatt über Schwäbisch Gmünd nach Aalen/Wasseralfingen vorsah, wurde zur Entlastung des mit den übrigen Planungen sehr beschäftigten Oberbaurats Gaab Oberingenieur Georg Morlok, der gleichzeitig zum Baurat ernannt wurde, mit der Planung einer Verbindungsbahn zwischen Fils- und Remstal und gleichzeitig mit der Planung der Strecke von Cannstatt über Waiblingen durch das Remstal führenden Bahn beauftragt. Morlok wurde auf Vorschlag von Gaab auch in das Gremium der Eisenbahnkommission aufgenommen. Seine erste Aufgabe bestand in der Herstellung der erforderlichen Höhenaufnahmen, wobei die Frage im Vordergrund stand, welche zweckmäßigsten Verbindungen zwischen den Tälern von Neckar und Fils in das Remstal ausgeführt werden könnten. Es gab die Varianten Eislingen – Schwäbisch Gmünd, Uhingen – Lorch und Plochingen – Schorndorf. Es wurde dann zunächst der Variante Uhingen – Lorch der Vorzug gegeben. Doch nachdem von politischer Seite die Meinung vertreten worden war, Bayern werde nie einer Bahn zustimmen, die von der Ostbahn abzweigt, gleichzeitig aber die württembergische Absicht war, in Nördlingen an das bayerische Netz anzuschließen, kam man dem bayerischen Wunsch nach und beschloss aus politischen, nicht aus technischen Gründen, die Bahn über Waiblingen – Schwäbisch Gmünd und Aalen zu führen. Der Hintergrund der von Bayern gewünschten und auch durchgesetzten Streckenführung war, dass zunächst keine Schienenverbindung zwischen der Remsbahn mit ihrer Verlängerung nach Nördlingen und der Cannstatt – Ulmer Bahn hergestellt werden sollte, weil dadurch die württembergische Bahnlinie von Nördlingen bis Friedrichshafen kürzer sein würde, als die bayerische Linie von Nördlingen nach Lindau. Dies hat als sogenannte „Brenzklausel“ in den Staatsvertag vom 12. Januar 1861 Eingang gefunden.
Oberingenieur Morlok teilte die Remsbahn in drei Bauabschnitte. Der erste betraf die Strecke von Cannstatt nach Waiblingen, der zweite die Strecke von Waiblingen bis Goldshöfe und der dritte Abschnitt reichte dann von Goldshöfe bis Nördlingen. Für den ersten Abschnitt gab es drei Varianten, von denen die Strecke Cannstatt – Schmiden – Waiblingen gewählt wurde. Die auf dem Schmidener Feld zwischen Schmiden und Fellbach projektierte Station sollte ursprünglich als Bahnhof „Schmiden“ bezeichnet werden und wurde aber kurz vor Fertigstellung in „Fellbach“ umbenannt. Nach dem Schmidener Feld verlief die Strecke hinter Waiblingen hinunter ins Remstal um dann diesem bis Mögglingen zu folgen, ohne dass erhebliche landschaftliche Hindernisse zu überwinden waren. Erst hinter Essingen an der Wasserscheide zwischen Rems und Kocher musste statt eines zunächst geplanten Tunnels ein langer Einschnitt gegraben werden. Es folgte ein leichter Abstieg ins Kochertal. Im Nordosten von Aalen wurde der Bahnhof errichtet und in Wasseralfingen lag dieser oberhalb des Hüttenwerkes.
Georg Morlok war, neben vielen Hochbauten der Remsbahn, auch der Erbauer bzw. Planer zweier sehr interessanter Gebäude in Schwäbisch Gmünd und Aalen. Zum einen der Pergola der Villa des Fabrikanten Ott in Schwäbisch Gmünd am „Kaffeeberg“ in unmittelbarer Nähe der Bahnstrecke in Richtung Aalen und zum anderen der am 1. Oktober 1868 geweihten Marienkirche in Aalen im Bereich des Abzweigs der Brenzbahn von der Remsbahn. Diese musste leider 1968 dem Bau der Hochbrücke über die Bahnlinie weichen. Dies geschah im Vorgriff auf die vollständige Elektrifizierung von Schorndorf an im Jahr 1972. Aber wir sind der Zeit etwas vorausgeeilt.
Am 18. Juli 1861 wurde die Bahn von Cannstatt nach Wasseralfingen feierlich eröffnet. Der erste offizielle Zug traf an diesem Tag mit einer Vielzahl von Ehrengästen um 10 Uhr in Schwäbisch Gmünd ein. An seiner Spitze die Lok „Nördlingen“ mit sechs festlich geschmückten Wagen. Die eigentliche Feier wurde dann am vorläufigen Endpunkt der Bahn in Wasseralfingen begangen.
Schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde mit dem Ausbau der Remsbahn auf zwei Gleise begonnen und bereits im Jahr 1899 erreichte die Doppelspur Schorndorf. 1902 war sie bereits in Lorch angekommen und 1907 in Schwäbisch Gmünd, wo der zweigleisige Ausbau zu ganz erheblichen Umbaumaßnahmen führte. So wurde unter anderem der Neubau eines achtzig Meter langen Güterschuppens in Angriff genommen, das Bahnhofsgebäude selbst verlängert und die Lok- bzw. Wagenschuppen abgerissen. Außerdem wurde eine Unterführung in Richtung Taubental angelegt, die als Zufahrt zu dem neu errichteten Güterschuppen diente. Am 27. April 1910 konnte der doppelgleisige Betrieb bis Schwäbisch Gmünd aufgenommen werden. Der Weiterbau des zweiten Gleises wurde dann allerdings für längere Zeit nicht zuletzt durch die Ereignisse des Ersten Weltkriegs und seiner Folgen unterbrochen und erst im Rahmen von sogenannten Notstandsmaßnahmen wieder aufgenommen. 1920 wurde Böbingen erreicht. 1926 wurde der letzte Abschnitt zwischen Essingen und Aalen fertiggestellt.
Wie bereits erwähnt, erfolgte die vollständige Elektrifizierung der Remsbahn von Schorndorf an im Jahr 1972. Schon zuvor war ab 1949 die Remsbahn bis Waiblingen und 1962 bis Schorndorf mit Fahrdraht versehen worden. Weil die Elektrifizierung dann zunächst nicht weiter geführt wurde, mussten viele Zügen besonders Regionalzüge bis Schorndorf mit Dampfloks und von Schorndorf nach Stuttgart elektrisch geführt werden. Dies machte ein zeitaufwendiges Umspannen in Schorndorf notwendig. Nur überregionale Züge, D- Züge und teilweise auch Eilzüge fuhren ohne Umspannen mit Dampf- oder Dieselloks bis Stuttgart durch. Es gab auch einige Verbindungen, bei welchen in Richtung Stuttgart die Remsbahn benutzt wurde und in Richtung Nürnberg über die Murrbahn (Waiblingen, Backnang, Schwäbisch Hall und Crailsheim) gefahren wurde.
Im Zuge der Einführung des S- Bahn Verkehrs in Stuttgart musste die Leistungsfähigkeit der Strecke von Cannstatt bis Waiblingen erhöht werden. Diese wurde deshalb zwischen 1978 und 1981 viergleisig ausgebaut. Dadurch konnten dann sowohl Schorndorf als auch Backnang an das Stuttgarter S–Bahnnetz angeschlossen werden.