Wer sich in Familie begibt
Briefe an Astri und Hans v. Stummer Herausgegeben von Claudia Girardi und Gerald Sommer
Claudia Girardi, Gerald Sommer, Heimito von Doderer
Als „Herr unbestimmbaren Alters, der einem dann und wann im Treppenhause begegnet“, so zurückhaltend charakterisierte sich der österreichische Romancier Heimito von Doderer einmal selbst. Und so diszipliniert, wie er seine Rolle als Person des öffentlichen Lebens einnahm und Privates dabei meist verschwieg, so offen ist er in den hier präsentierten Briefen an seine Schwester Astri und deren Mann Hans (von) Stummer.
„Wer sich“ in Anlehnung an Doderers bekanntes Diktum „in Familie begibt“, der kann eben nicht nur ‚darin umkommen‘, er kann auch viel erfahren. Vor allem in den Briefen an die Schwester gab es kein Thema, das tabu gewesen wäre in diesem Familienkosmos mit all seinen Höhen und Tiefen. Kriegs- und Nachkriegserleben sind ebenso präsent wie naturkundliche Studien, Liebesdinge, zeitgeschichtliche Betrachtungen oder die Sichtung eines unbekannten Flugobjekts. Entstehung und Erfolg so bekannter Werke wie Die Strudlhofstiege, Die Dämonen oder Die Merowinger werden aus bisher kaum bekannter Perspektive beleuchtet, aber auch der zum Alltag gewordene Auftritt im Rampenlicht mit Lesereisen, Ehrungen und Preisen. Politiker, erzählende wie kritische Konkurrenz, Personal und Hausmeisterinnen, der Amtsrat Zihal und diverse Merowinger – sie alle haben ihre Auftritte auf dieser Briefbühne mit Autor, Schwester und Schwager.
Weitgehend reproduziert wurde zudem die individuelle Gestalt von Doderers Korrespondenz, etwa die Verwendung unterschiedlicher Schriftfarben und seine illustrierenden oder ‚erzählenden‘ Zeichnungen. Zahlreiche Faksimiles einzelner Schreiben, bislang unveröffentlichtes Foto- und Bildmaterial sowie Kommentar und Namenregister ergänzen und erschließen die 175 Schreiben aus 35 Jahren zwischen September 1931 und Juni 1966.