Wilhelm Stieber (1818-2018)
Wie sich alternative Wirklichkeit durchsetzt – Eine Fallstudie
Hilmar-Detlef Brückner
In dem hier vorgelegten Buch geht es um die erfolgreichen Selbsterfindungen des preußischen Juristen Wilhelm Stieber (1818–1882). Sein Kabinettstück war ein im Jahre 1866 begangener Identitätsdiebstahl, der ohne die tatkräftige Mitwirkung des Regierungschefs Otto von Bismarck unmöglich gewesen wäre.
Stieber machte zeitlebens den Eindruck, dass er lieber jemand anderer wäre als er selbst. Nicht dass er das nötig gehabt hätte. Er begann als erfolgreicher Schriftsteller, Journalist und Herausgeber, wurde dann ein erfolgreicher Strafverteidiger, nach seinem Eintritt in die Berliner Polizei ein erfolgreicher Ermittler, aber auch ein äußerst umstrittener Chef der Berliner Kriminalpolizei mit zweifelhaften Erfolgen, und nach seinem Wechsel in den Dienst Bismarcks erneut ein erfolgreicher Ermittler, aber auch der selbsterfundene Chef der preußischen Feldpolizei der Kriege von 1866 und 1870/71.
Da Stiebers Selbsterfindungen ihren Weg in die von ihm hinterlassenen Papiere fanden, gab ihre Veröffentlichung Generationen von Schriftstellern die Möglichkeit, ihn der Nachwelt nicht weniger einfallsreich als den Mann zu präsentieren, der den preußischen Geheimdienst in eine kriegsentscheidende Wunderwaffe verwandelte, weil die von ihm geführten Agentenarmee die Voraussetzung für die schnellen Erfolge der preußischen Armee in Österreich und Frankreich geschaffen hat.
Daher verdanken die modernen Geheimdienste auch Stieber das allgemeine Ansehen, das sie heute weltweit genießen.
Regierungsdirektor im BND a. D. Hilmar-Detlef Brückner ist bei seinen Recherchen zur Geschichte des deutschen Geheimdienstes auf Wilhelm Stieber gestoßen.