Zeichnen im Exil – Zeichen des Exils?
Handzeichnung und Druckgraphik deutschsprachiger Emigranten (ab 1933)
Rosamunde Neugebauer
Die Welterfahrung Exilierter ist zwangsläufig eine andere als die jener Menschen, die ohne Not reisen oder trotz widriger Umstände in der Heimat verbleiben. Was aber genau ist das Exil? Wo ist es lokalisiert und von welcher Dauer ist es? Das Exil erscheint als der „Ort Nirgendwo“, jenseits der Abfahrt von der alten Heimat und diesseits der Ankunft in einer neuen Heimat, als ein Zwischen-Zeit-Raum, ein psychischer Schwebezustand, der ungewissen Halt bietet, so, als habe man einen Rettungsanker im Treibsand ausgeworfen. In der vorliegenden Studie interessiert die Frage, welche Auswirkungen die Erfahrung des Fremden auf das Werk jener sich „zwischen den Welten“ bewegenden Kunstschaffenden hat. Wenn das Exilerlebnis zu den wesentlichen Krisenerfahrungen des Individuums in der Neuzeit gehört, das man wie das Erleben von Gewalt und Tod auf irgendeine Weise verarbeiten muss, um nicht daran zu Grunde zu gehen, so dürfte gerade die Kunst im Exil paradigmatisch Erkenntnis über die kreativen Chancen des „beschädigten Lebens“, seine alltäglichen Katastrophen, Freiheiten und Zwänge ermöglichen. So lautet die These dieser Untersuchung, daß sich im Werk der Exilierten ästhetische Zeichen finden, die als Ausdruck und als Indiz der Erfahrung des Exils interpretiert werden können. Diese Arbeit ist ein Versuch, diese ästhetischen Zeichen zu systematisieren und zu analysieren. Künstlerische Werke – in diesem Fall Handzeichnungen und Druckgraphiken – werden als anschauliche und sinnhaltige Texte betrachtet, deren Botschaft in unterschiedlichen Graden dechiffrierbar ist.