Zeiten der Materie
Verflechtungen temporaler Existenzweisen in Wissenschaft und Literatur (1770–1900)
Alexander Kling, Jana Schuster
Die Revolutionierung des Zeitdenkens um 1800 hat ihren materiell-konkreten Grund im Erdboden: in Gesteinsschichten, deren Ablagerungen und Auffaltungen Zeit materialisieren und als stratigraphisches Archiv einer kontingenten Erdgeschichte dokumentieren, sowie in Überresten wie Muschelschalen, Knochen und Zähnen, welche die Geschichtlichkeit von Arten und Klassen beweisen. Als Fallstudien angelegt, untersuchen die Beiträge des Bandes, wie im 19. Jahrhundert die Materialisation der Zeit und die Verzeitlichung der materiellen Dinge in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen historisch und ästhetisch konzipiert werden. Auch die Literatur wird von den neuen zeitlich-materiellen Skalierungen herausgefordert – sie muss Formen entwickeln, mit denen sich Verflechtungen temporaler Existenzweisen in Bereichen dies- und jenseits der menschlichen Lebensspanne darstellen lassen. Im Sinne einer Ökologie der Eigenzeiten erschließen sich geteilte Lebensräume dabei auch als polychrone Gefüge.