Zur Dogmatik der Aussetzung (§ 221 StGB) nach dem sechsten Strafrechtsreformgesetz
Stefan Chilecki
Das 1998 im Rahmen des 6. Strafrechtsreformgesetzes neugefasste Delikt der Aussetzung (§ 221 StGB) war von Beginn an Gegenstand heftiger Diskussion. Auch nach Jahren der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Delikt, klaffen vielerorts die Ansichten noch weit auseinander. Die Studie befasst sich mit den aktuell im Schrifttum und in der Rechtsprechung vertretenen Ansichten, untersucht diese und entwickelt Lösungsmöglichkeiten. Zudem werden an verschiedenen Stellen Verknüpfungen zum allgemeinen Teil hergestellt. Schwerpunkte liegen bei der Definition des Begriffs der hilflosen Lage sowie bei der Untersuchung der Frage, wie das Versetzen in eine hilflose Lage und das im Stich lassen zu definieren sind. Dabei wird im Rahmen des sog. „Bergsteigerbeispiels“ untersucht, inwieweit eine Beistandsleistung des Täters bei der Bewertung der hilflosen Lage zu berücksichtigen ist und wie mit dem gefundenen Ergebnis eine eindeutige Zuordnung zu den beiden Tatbestandsalternativen erfolgen kann. Weiter wird thematisiert, ob bei dem Versetzen nach der neuen Fassung noch eine Ortsveränderung erforderlich ist und ob das im Stich lassen auch durch ein aktives Tun begangen werden kann oder nur durch ein Unterlassen. Außerdem wird die Frage behandelt, ob bei der zweiten Tatbestandsalternative eine besondere Nähebeziehung zwischen Täter und Opfer erforderlich ist und ob eine Anwendung der Strafmilderung des § 13 Absatz 2 StGB grundsätzlich möglich ist. Abschließend erfolgt eine kurze Betrachtung der Konkurrenzverhältnisse innerhalb des Tatbestandes und gegenüber anderen Tatbeständen.