Zurechnungsfragen beim mittäterschaftlichen Versuch.
Torsten Buser
Jüngere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gaben dazu Anlaß, die Problematik des Versuchsbeginns bei einer mittäterschaftlich begangenen Tat einer erneuten eingehenden Untersuchung zu unterziehen.
Im Zentrum des Problemfeldes stand bisher die Frage, ob der Versuchsbeginn einzeln für jeden Beteiligten allein nach dem eigenen Handeln (Einzellösungen) oder – der bisherigen Rechtsprechung folgend – einheitlich für alle Beteiligten nach den Beiträgen aller für die Gesamthandlung (Gesamtlösung) zu bestimmen ist. Die diese Frage betreffende Untersuchung hat gezeigt, daß die Gesamtlösung sowohl der Beteiligungs- als auch der Versuchslehre entspricht. Zusammengefaßt kann gesagt werden, daß die Ansatzhandlung des ins Versuchsstadium eingetretenen Mittäters dem noch Untätigen zugerechnet werden kann, sofern dem Untätigen aufgrund der ihm vom Tatplan zugewiesenen Rolle Mittäterqualität zukommt. Ein weiteres Resümee kann dahingehend gezogen werden, daß die Ergebnisse der Gesamtlösung nicht davon abhängen, mit Hilfe welcher objektiven oder subjektiven Kriterien die Mittäterschaft im einzelnen näher abzugrenzen ist.
Dieses Ergebnis wurde anschließend für die Problemfälle nutzbar gemacht. Dort ging es um die Frage, wie sich Vorsatzdefizite des sich objektiv im Versuchsstadium befindlichen Tatgenossen auf die Bestimmung des Versuchsbeginns für den anderen noch untätig gebliebenen Beteiligten auswirken. Dabei hat sich gezeigt, daß unter Zugrundelegung der Gesamtlösung und einer näheren Betrachtung der mittäterschaftichen Zurechnungsbasis auch in den Fällen der „vermeintlichen“ beziehungsweise „Schein“-Mittäterschaft eine Zurechnung der Ansatzhandlung zulasten des noch untätig gebliebenen Beteiligten zu erfolgen hat. Dies resultiert im wesentlichen daraus, daß bereits der im Planungsstadium auf die gemeinschaftliche Begehung einer Tat gerichtete Vorsatz eine mittäterschaftliche Zurechnung in Gang setzt und die Strafbarkeit des einen Mittäters nicht von der subjektiven Befindlichkeit des anderen Mittäters abhängt. Da dieses Ergebnis sowohl der Beteiligungs- und Versuchsdogmatik entspricht, als auch der materiellen Gerechtigkeit dient, bewährt sich die Gesamtlösung auch in den kritischen Fällen des mittäterschaftlichen Versuchs. Es besteht somit kein Grund, sich von der in diesem Punkt bewährten Rechtsprechung abzuwenden.