Zuteilung von Lebenschancen
Zur Bedeutung von Verfahrensgerechtigkeit bei der Verteilung von Lebenschancen in der Medizin am Beispiel des Transplantationsrechts
Sven Wedlich
Die Zuteilung von Lebenschancen tritt in der ständigen Versorgung der Transplantationsmedizin besonders deutlich zu Tage und konfrontiert nicht nur den betroffenen Patienten sowie die Transplantationsmediziner mit der Frage, nach einer gerechten Allokation der zur Verfügung stehenden Organe. Die Manipulation allokationsrelevanter medizinischer Parameter durch Transplantationszentren verdeutlichte die Anfälligkeit des patientenorientierten Allokationssystems für Beeinflussungen und bestärkte die kritische Frage, ob das Organallokationsverfahren gerecht ist. Hierbei standen nicht einzelne Allokationskriterien im Blickfeld des Interesses, sondern das Verfahren selbst. Bereits vor diesen Ereignissen, die 2012 zu Tage traten, setzte sich der Verfasser mit der Frage der Verfahrensgerechtigkeit bei der Zuteilung von Lebenschancen am Beispiel des Transplantationsrechts auseinander. Die Manipulation der Allokationskriterien verdeutlichte die Relevanz der Frage nach dem Stellenwert der Verfahrensgerechtigkeit für die Allokation von knappen Mitteln. Der Autor geht dabei der These nach, dass ein faires Verfahren eine Verfahrens- und Ergebnisakzeptanz stärkt und dadurch Einfluss auf die gesellschaftliche Bereitschaft zu kooperativen Handeln hat. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Organallokation erfolgt eine Darstellung der Organknappheit in ihrer gesellschaftlichen und rechtspolitischen Bedeutung. Hierbei wird veranschaulicht, dass Knappheit eine Antriebskraft für schöpferische Leistung sein kann, Gesellschafts- und Sozialstrukturen zu schaffen. Zugleich wird aufgezeigt, was einer gesamtgesellschaftlichen schöpferischen Leistung zur Überwindung einer Ressourcenknappheit entgegenstehen kann. Unter Darlegung der einzuhaltenden Maßstäbe einer Verfahrensgerechtigkeit, wird in der Studie betrachtet, ob die Organallokation, auch unter Berücksichtigung der stattgehabten Manipulationen, als faires Verfahren zu charakterisieren ist. Der Annahme nachgehend, dass die durch Verfahrensgerechtigkeit vermittelte Ergebnisakzeptanz nur erzielt wird, wenn das Verfahren durch legitimierte Institutionen und Verfahren erfolgt, wird der Blick kritisch auf die Einhaltung verfassungsrechtlicher Maßstäbe gerichtet. Anders als bestehende Arbeiten zu dem Thema der Organallokation, widmet sich dieses Buch nicht der isolierten Betrachtung, ob die Allokationskriterien gerecht oder verfassungskonform sind, sondern betrachtet unter Beachtung der jüngsten Ereignisse im Transplantationswesen, die Organallokation als Verteilungsverfahren von Lebenschancen in einer Gesamtschau der gesellschaftlichen, ethischen und verfassungsrechtlichen Bezügen.