Die vorliegende Studie fragt nach dem frühmittelalterlichen Verständnis von Armut und untersucht insbesondere die Armenfürsorge der Bischöfe der Merowingerzeit. Durch Herausarbeitung der religiösen und rechtlichen Grundlagen dieser Fürsorge aus dem zeitgenössischen historiographischen, hagiographischen, aber auch epigraphischen Quellenmaterial kommt sie zu dem Schluss, dass der Armutsbegriff erstaunlich breit gehalten ist und zum Teil auch gezielt geöffnet wird. Dies schafft den Bischöfen ein weites Feld, ihre Unterstützungstätigkeiten auch argumentativ zur Legitimierung von Herrschaftsfunktionen heranzuziehen. Die so fassbaren Maßnahmen bischöflicher Armenfürsorge gehen damit weit über traditionelle Vorbilder hinaus und erweisen sich als essentieller Bestandteil frühmittelalterlicher Bischofsherrschaft.
The present study examines the conception of poverty in the early medieval period. It especially focuses on the poor relief by the Merovingian bishops and particularly on the religious and legal foundations of their care. Drawing on contemporaneous historiographical, hagiographical as well as epigraphical source material, this study concludes that the concept of poverty is kept surprisingly open and is in part even deliberately broadened to provide the bishops with numerous argumentative avenues to legitimize their power with recurse to their care activities. The measures of episcopal care for the poor that can thereby be delineated is shown to exceed any of the traditional exempla and are revealed to be an essential component of early medieval episcopal rule.
Aktualisiert: 2022-06-09
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Noch immer dominiert die Vorstellung, dass die kommunalen Unabhängigkeitsbewegungen in Bischofsstädten des Hoch- und Spätmittelalters den Einfluss des Stadtherrn gänzlich ausgeschaltet hätten. Die Beiträge des Sammelbands analysieren Fallbeispiele zu den Feldern Präsenz, Interaktion und Hoforganisation in Kathedralstädten und zeichnen eine große Bandbreite an Konstellationen nach, sodass die alte Meistererzählung der Stadtgeschichtsforschung zu überdenken ist: In zahlreichen Städten wurde die herrschaftliche Position des Bischofs nie in Frage gestellt. Auch waren die Bischöfe selbst nach einem Auszug aus der Stadt weiterhin präsent an ihrem Bischofssitz, so durch den Vollzug von Riten, die Architektur, die Ausstattung der Kathedrale oder die Pflege von Erinnerungsorten. Zudem gelang es den in der Stadt verbliebenen geistlichen Institutionen wie dem Domkapitel, der geistlichen Verwaltung oder bischöflichen Ratsgremien, ihre Stellung zu bewahren.
Aktualisiert: 2019-01-21
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Dieser Band des Jahrbuches dokumentiert die wissenschaftliche Studientagung „Potestas ecclesiae. Zur geistlichen und weltlichen Herrschaft von Bischöfen und Domkapiteln im Südwesten des Reiches“. Renommierte (Kirchen-)HistorikerInnen fokussieren die Entwicklung und Funktion von Bischofsamt und Domkapitel in einem breiten Themenspektrum. Skizziert werden u.a. auch die weltliche Macht der „geistlichen Herren“, der Aufbau des Pfarreiwesens bis hin zu den Bistumsheiligen oder die sakrale Kunst. Ein umfangreicher Rezensionsteil stellt Neuerscheinungen aus dem Bereich der Kirchengeschichte und ihrer Nachbardisziplinen vor.
Aktualisiert: 2018-05-16
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Die Entwicklung des Bischofsamtes in der Spätantike illustriert besonders einprägsam die durch Konstantins Hinwendung zum Christentum entstandene Verbindung von römischem Staat und christlicher Kirche. Schon der erste christliche Kaiser verlieh den Leitern der Gemeinden eine Sonderstellung: Sie waren nicht nur von Steuerpflichten und Wehrdienst befreit, sondern auch der weltlichen Gerichtsbarkeit entzogen. Darüber hinaus erhielten die Bischöfe selbst Urteilsbefugnis in Zivilsachen und bei Freilassungen von Sklaven. Auch konnten sie von der Staatsgewalt Verfolgten auf kirchlichem Boden Asyl gewähren. Mit dem Einsetzen der "Völkerwanderung" und dem Niedergang der städtischen Führungsschicht der Kurialen nahm der Einfluss der Bischöfe auf die kommunalen Angelegenheiten zu. Unter dem Zwang der Verhältnisse übernahmen die Leiter der christlichen Gemeinden jetzt mehr und mehr weltliche Aufgaben bis hin zur Organisation der militärischen Verteidigung "ihrer" Stadt. Die skizzierte Entwicklung verlief allerdings keineswegs überall einheitlich. Zwischen den einzelnen Regionen bestanden vielmehr große Unterschiede. Diese werden in der Studie erstmals systematisch vergleichend untersucht; mit Gallien und dem nördlichen Italien (Italia annonaria) stehen die beiden Kernregionen des Westreiches im Mittelpunkt. In den Blick genommen wird der Zeitraum von der Mitte des 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts. Dabei wird deutlich, wie die Verschiedenheit einiger zentraler Faktoren zu ganz unterschiedlichen Ausprägungen bischöflicher Herrschaft führte. Von größter Bedeutung waren die jeweiligen äußeren Rahmenbedingungen. In Gallien wurden die Einrichtungen der staatlichen Verwaltung durch die Einfälle der Germanen vielerorts weitgehend zerstört. In Italien dagegen blieben die Strukturen des spätrömischen Reiches bis zum Untergang der Ostgotenherrschaft im 6. Jahrhundert im Wesentlichen intakt. Da die Angehörigen der gallischen Oberschicht früher als ihre italischen Standesgenossen den christlichen Glauben angenommen hatten, führte ihr Weg im 5. Jahrhundert vielfach auf die Bischofsstühle, während die Senatoren in Italien weiterhin weltliche Karrieren nach traditionellem Muster bevorzugten. Die für Gallien charakteristische "Bischofsherrschaft" ist deshalb in Norditalien im Untersuchungszeitraum nicht ausgeprägt.
Aktualisiert: 2019-12-20
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