Vorwort der 1. Abteilung:
Folgende Abhandlung ist zur Erinnerungsfeier an die fünfzigjährige Aufnahme Erfurts in den Preussischen Staat in öffentlicher akademischer Sitzunggelesen worden. Sie erscheint hier mit Belegen und mancherlei Vermehrungen versehen. An manchen Punkten lässt sie vielleicht einen Mangel an Mitteln erkennen, der nicht immer zu überwinden war. Doch würde dies gewiss noch mehr hervortreten, hätte ich mich nicht der edlen Liberalität zu erfreuen, mit der die Grossherzogliche Bibliothek in Weimar mich seit Jahren unterstützt und mit der Herr Oberregierungsrath v. Tel tau in Erfurt seinen ungewöhnlich reichen Bücherschatz mir jeder Zeit zur Disposition stellt. Die Benutzung der hiesigen K. Bibliothek ist mir durch meine Beschäftigung in derselben auf das umfassendste gewährt. Es mag dieser Aufsatz als der erste Abschnitt von Betrachtungen über Thüringisches Alterthum angesehen werden, die folgen werden.Wer in Thüringen lebt, fühlt sich von diesem schönen Lande wie heimathlich angezogen und versenkt sich wie in seine schattigen Wälder gern in seine dunkele der Lichtung vielfach entbehrende Vorzeit. Und die Wissenschaft gleicht mit ihren Erquickungen so sehr der Natur; Vergessenheit und Ersatz bietet sie, wie jene, für die auswendige Gegenwart; deshalb vergeht das Interesse an ihr unter allen Stürmen und Störungen so wenig wie an den Reizen unserer Berge. Eoban Hesse schrieb mit Recht im Jahre 1527 „saepe tibi dixi, periclitari posse bonas Iiteras, perire omnino et intermori non posse."Erfurt, im Februar 1854. P. C
Vorwort der 2. Abteilung:
Die folgende Abhandlung bildet den zweiten Abschnitt meiner Untersuchungen über deutsche und insbesondere über thüringische Ortsnamen. Grimm hat Recht, wenn er das Feld der Eigennamen ein reizendes nennt; jene Studien haben mir Stunden und Wochen, in denen zu andern Arbeiten die Sammlung fehlte, verschönt und innere Aufregung still über sich hinrinnen lassen; giebt man sich Rechenschaft über den Grund des Vergnügens, der in ihnen ruht, und den, der es kennt, immer wieder zu sich zurücklockt, so ist es die eigentümliche Verbindung des Einzelnen, das man finden muss, mit dem Allgemeinen, für das es allein gefunden werden darf. Die Arbeiten über Bedeutung und Erläuterung der Ortsnamen haben noch alle Frische der Neuheit. Freilich nehmen sie alle zu den Resultaten der Zukunft wahrscheinlich nur die Stelle von Vorarbeiten an; aber grade darin ist ein tiefer Theil ihres Reizes verborgen. Wer wüsste nicht, wie schön es ist, an den Anfängen in irgend einem neuen Schacht der Wissenschaft zu arbeiten. Die Masse des Einzelnen, das man lösen und untersuchen muss, ist so gross, dass die Lücken nur der allgemeine Gedanke ausfüllt. Und wiederum ist man im Stande, an den Einzelnheiten so vieles anzudeuten und auszubeuten, dass, wenn man selbst im allgemeinen Gedanken irrte, nicht alles verloren ist.Man kann nicht weit genug ausholen, um die tiefe Wichtigkeit zu erkennen, welche ihre Betrachtung hat und wieder kann man nicht detaillirt genug in die Betrachtung des Einzelnen sich versenken. Leider ist das Letzte selten befriedigend. Die Mittel versiegen nirgends leichter. Eben darum muss immerhin begonnen werden. An einen Abschluss mit einem Male ist nicht zu denken. Mehr als irgendwo kann nur all mahl ig das sichere allgemeine Resultat, das in der Beobachtung von Ortsnamen für die Urgeschichte der Völker liegt, errungen werden. Zwei Haupt-Kategorien der deutschen Ortsnamen kann man die geschichtliche und landschaftliche nennen. Die ersteren sind von den Personennamen charakterisirt, mit denen sie zusammengesetzt sind; solcher Art waren die auf leben, die ich früher behandelt. Die andern sind von landschaftlichen Merkmalen gebildet. Solche sind nach meinem Bedünken die Ortsnamen auf mar, die den Gegenstand dieses zweiten Versuches bilden. Freilich, und ich habe dies Cap. V. des Näheren entwickelt, trete ich dabei mit den Meinungen verdienter Männer, die ich verehre, in Widerspruch. Aber ich getröste mich bei meinen Arbeiten immer, dass sie auch denen, die oft der Richtung des Gedankens nicht zustimmen, den Eindruck eines treuen Strebens und die Anerkennung manches Einzelnen abgewinnen. Auch Jacob Grimm giebt mir zu bedenken, worüber ich S. 59 — 62 handele, ob die Endung mar bei Ortsnamen nicht dieselbe wie bei Personennamen sei. In den meisten gewiss nicht. Grade weil die Personennamen, und es sind nicht viele, welche mit den Ortsnamen gleich lauten, sonst die Zusammensetzung von Ortsnamen bilden, lässt es wahrscheinlich sein, dass sie da, wo sie unzusammengesetzt ähnlich sind, nicht durchaus Ortsnamen sein müssen. Denn warum erscheinen alle sonstigen Personennamen auf mar nur in Zusammensetzungen als Ortsnamen! Denn das fällt mir nicht ein zu behaupten, dass in Ortsnamen wie Hademarsleben, Hademar kein Personennamen sei. Nur wenn eben der Ortsname selbst die Endung mar hat, erregt er das Bedenken, dass er, selbst wenn ein Eigenname ähnlich klingt, kein Eigenname sei. Daher ist Fiolomeresford bei Kemble kein Gegenbeweis, denn hier erscheint eben der Personenname in der Compositum. Ebenso widerlegt es meine Meinung, dass Ortsnamen auf mar in Süddeutschland zu den Ausnahmen immer gehört haben, nicht, wenn Ortsnamen mit Personennamen auf mar häufig zusammengesetztsind. Es bestätigt dies vielmehr meine Ansicht, dass, obschon die Personennamen auf mar grade in Süddeutschland so häufig sind, gleichwohl Ortsnamen auf mar nicht vorkommen. Ueber die Analogie der Bildung von slavischen Ortsnamen zu deutschen möchte ich nichts entscheiden. Es bedarf dazu genauer urkundlicher Untersuchung älterer Formen und des vorhandenen Gebrauchs.Jacob Grimm und Heinrich Leo haben mir die Liebe erwiesen, die folgenden Bogen durchzusehen und mich mit schätzbaren Anmerkungen aus der Fülle ihres Reichthums zu erfreuen. Ich sage beiden verehrten Männern meinen herzlichen Dank. Wer so vielen schon empfangen hat wie sie, wird den hier ausgesprochenen wenig werth halten. Aber die Art, mit der ich ihre Belehrung im Ganzen wie im Einzelnen für das dritte Heft meiner Untersuchungen benutzen werde, wird ihnen hoffentlich einen Beweis geben, wie hoch ich sie schätze.Es sind leider nicht alle Druckfehler getilgt worden, doch sind hoffentlich keine darunter, welche sinnentstellend und nicht leicht zu verbessern sind.So gebe ich diesen Aufsatz derselben Nachsicht hin, welche der ersten Abhandlung zu Theil geworden ist.Erfurt, den 11. April 1858.P. c.