Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Vererbbarkeit des Geldentschädigungsanspruchs bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Konkreter Anlass sich hiermit umfassend auseinanderzusetzen, bot vorliegend das sog. „Kohl-Urteil“ aus dem Jahre 2018. Die Biografie bzw. Lebenserinnerung des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl: „Vermächtnis: Die Kohl Protokolle“, hat in Medien und Politik für große Aufmerksamkeit gesorgt. In diesem Werk sind teils pikante Äußerungen des Altkanzlers über bekannte Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens enthalten, die er vermeintlich getätigt haben soll. Vorausgegangen war eine mehrjährige Zusammenarbeit des Journalisten Schwan mit Kohl, der ursprünglich als Ghostwriter dessen Memoiren verfassen sollte. Im Rahmen dieser Tätigkeit fanden etliche vertrauliche Gespräche zwischen den Männern statt, die auf Tonband aufgenommen wurden. Nachdem sich die beiden jedoch zerstritten und Kohl die Zusammenarbeit gekündigt hatte, veröffentlichte Schwan als Mitherausgeber eigenmächtig das genannte Werk. Hiergegen erhob Kohl Klage, gerichtet auf Geldentschädigung wegen Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts i.H.v. fünf Millionen Euro. Durch Urteil des Landgerichts Köln vom 27.04.2017 wurde dem Altkanzler aufgrund einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung schließlich ein Geldentschädigungsanspruch i.H.v. einer Million Euro zuerkannt. Diese Summe stellt den höchsten von deutschen Gerichten in einem solchen Zusammenhang jemals zuerkannten Anspruch dar. Zwar wurde Altbundeskanzler Kohl somit ein Geldentschädigungsanspruch wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zugesprochen, allerdings verstarb er vor Rechtskraft des Urteils, da die Beklagten sowie auch der Verlag des Werkes, Berufung hiergegen eingelegt hatten. In diesem Zusammenhang wurde durch Urteil des OLG Köln vom 29.05.2018 schließlich festgestellt, dass die von Helmut Kohl erstrittene Rekordsumme nicht dessen Alleinerbin und Ehefrau Maike Kohl-Richter zustehen soll, da der Anspruch unvererbbar sei. Ob der Rechtsprechung zur Unvererbbarkeit des Anspruchs gefolgt werden kann, soll in dieser Arbeit umfassend untersucht werden.
Aktualisiert: 2023-04-06
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Vorbemerkung
Am 1. August 2002 trat das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz in Kraft. Die Recherchen für diese Arbeit wurden vor diesem Datum abgeschlossen; sie basiert deshalb vorwiegend auf dem Rechtsstand vor dem Inkrafttreten des o.a. Gesetzes. Dies betrifft besonders die Hinweise und Ausführungen zum § 847 BGB, der in dem o.a. Gesetz mit fast gleichem Wortlaut in den § 253 Abs. 2 BGB überführt worden ist.1
Einleitung
Der Gegenstand dieser Arbeit ist die Gewährung eines Schmerzensgeldes nach deutschem Recht. Das Schadenersatzrecht stellt ein umfassendes Rechtsgebiet dar, das von zahlreichen Fragen, Streitgesprächen und Entwicklungstendenzen geprägt wird. Daher sind viele Probleme, die im Zusammenhang mit der Wiedergutmachung insbesondere eines immateriellen Schadens stehen, streitig. Die Frage des Ersatzes immaterieller Schäden stößt oft auf zwei grundsätzliche Probleme: zum einen auf das Problem der Ersatzfähigkeit dem Grunde nach, zum zweiten auf die Schwierigkeit der Bemessung des Ersatzes. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Gewährung eines Schmerzensgeldes nach deutschem Recht darzustellen und das Problem bei dem besonderen Rechtsgebiet der Persönlichkeitsverletzungen zu erörtern.
Nach dem § 253 BGB kann ein Geschädigter „wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist“, nur ausnahmsweise, nämlich „nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen“ eine Geldentschädigung verlangen. Von den gesetzlichen Bestimmungen dieser Art2 ist § 847 BGB die wichtigste. Der § 847 Abs. 1 BGB sieht den Ersatz von Nichtvermögensschäden nur im Falle von Körper- und Gesundheitsverletzungen sowie Freiheitsentziehung vor. Obwohl weder in § 823 BGB noch in § 847 BGB genannt, hat die Rechtsprechung aus dem Einfluss des Grundgesetzes neben dem Schmerzensgeld auch den Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden bei schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen anerkannt, wobei als Anspruchsgrundlage nunmehr § 823 Abs. 1 BGB i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG herangezogen wird. Nach der Entscheidung des Großen Zivilsenats in BGHZ 18, 149 kommen dem Schmerzensgeld zwei Funktionen zu; eine Ausgleichsfunktion und eine Genugtuungsfunktion. Die Ausgleichsfunktion soll die erlittenen Schmerzen und entgangene Lebensfreude kompensieren. Welchen Zweck die Genugtuungsfunktion erfüllen soll und was sie bedeutet ist strittig. Unter anderem hat sich in der Rechtsprechung seit der „Caroline-von-Monaco-Entscheidung“3 bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch Medien der Präventionsgedanke entwickelt. Hätte die Prävention als Anspruchsfunktion einen Strafcharakter und sei sie deshalb abzulehnen? – Der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens wird in der Rechtsprechung nicht in jedem Fall einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gleichgesetzt, sondern von zwei einschränkenden Voraussetzungen abhängig gemacht. Zum einen muss es sich um eine schwere Beeinträchtigung handeln. Zum anderen ist es erforderlich, dass die Verletzung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann. Fraglich ist, inwieweit sie sich im Rahmen der maßgeblichen Bemessungsfaktoren mit der Rechtsprechung im Einklang befinden. Für die Bemessung der Höhe der Geldleistung sind grundsätzlich alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen. Solche Fragen sollen in der folgenden Arbeit einzeln diskutiert werden.
Als Rechtsfortbildung weitet sich der Anspruch bei dem neuen Schadensersatzrecht auf Schmerzensgeld erheblich aus. Der Ersatz des immateriellen Schadens konnte nach vormals geltendem Recht nur im Rahmen außervertraglicher Verschuldensverhaftung gewährt werden. Nach dem neuen Recht umfasst er auch die Gefährdungs- und die Vertragshaftung. Jetzt muss in jedem Fall Schmerzensgeld gezahlt werden, wenn es um ernsthafte Verletzungen geht. Bei, Bagatellverletzungen gibt’s nur dann Schmerzensgeld, wenn die Verletzung absichtlich erfolgt ist.
1 Wagner, NJW 2002, S. 2049 ff
2 Weitere gesetzliche Bestimmungen dieser Art sind z.B. § 97 UrhG, Art. 5 Abs. 5 MRK.
3 BGH NJW 1995, S, 861, 864
Aktualisiert: 2019-01-03
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