Der griechische Heroenkult – das ist die These dieser Veröffentlichung – hat im Laufe seiner Entwicklung, d. h. seit der archaischen Epoche, einen maßgeblichen Einfluss auf die griechischen Kunst- und Kulturentwicklung ausgeübt. Vor allem der aristokratische Flügel dieser Kultgemeinschaft, die Hetairien, die seit früher Zeit im Kriege primär als Kampfgemeinschaften, im Frieden aber als politische Interessensverbände fungiert hatten, brachten um 600 v. Chr. die frühgriechische Adelskultur hervor. Diese wurde in der Folge zunehmend stilbildend und konnte sich ab Beginn der griechischen Klassik als eine Art Leitkultur in der griechischen Welt etablieren. Fiktiv leiteten sich die aristokratischen Hetairien von mythologischen Helden/Heroen, meist aus homerischer Zeit, ab. Ihre zentralen Themen waren die des homerischen Mythos: Krieg, Jagd, Symposien, Totenrituale und Götterfeste. Eingebettet war diese Kultur in ein streng normatives Gesellschaftsmodell und geprägt durch ein kompetitives Leistungsethos, das sich in einem dezidiert aristokratischen Lebensstil und aufwändig gestalteten Fest-, Grab- und Götterkulten präsentierte. Die Hetairien kultivierten somit ein elitäres aristokratisches Ethos, das sich heute am ehesten mit dem Begriff der kalokagathia (dem Ethos des Schönen und Guten) kennzeichnen lässt. Ursprünglich war der griechische Heroenkult ein Mittel zur sozialen Identifikation und Identitätsbildung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen: Damit waren anfänglich aristokratische und bäuerliche Gemeinschaften des Heroenkultes zu unterscheiden. Während sich aber die bäuerlichen Heroenkultgemeinschaften – sie verehrten eher Fruchtbarkeitsheroen denn Kriegerheroen – leichter in die politischen Strukturen der aufblühenden Polis einpassen konnten und daher auch bis in die spätklassische Zeit überlebten, kam es bei den aristokratischen Hetairien bereits in klassischer Zeit zu Auflösungserscheinungen: In der Zeit nach den Kleisthenes-Reformen fanden die Aristokraten in den neuen Ämterstrukturen der Polis derart attraktive Führungsposten, dass ihre primären Zielsetzungen obsolet wurden. In klassischer Zeit überlebten sie daher nur noch als unpolitische Gemeinschaften, d.h. sie wurden letztlich von der Polis „verstaatlicht“. Obwohl die aristokratischen Hetairien-Verbände sich damit politisch der sich demokratisierenden Polis unterordnen mussten, blieben sie auf kulturell- künstlerischem Gebiet weiterhin Ton angebend und dominierend. Nachdem es ihnen mittels einer geschickten Adaptation mythologisch-heroischer Genealogien gelungen war, das Ethik- und Ästhetikmodell der kalokagathia zu etablieren, konnten sie die griechische Kulturentwicklung in nachhaltiger Weise prägen und damit Schrittmacherfunktionen übernehmen. Eine wichtige physische Landmarke für die Entwicklung des griechischen Heroenkultes stellt aber die Heroenkultstätte des Pelops in Olympia dar: das Pelopion, das auch Pindar und Pausanias erwähnen. Auf die spezielle Entwicklung dieser Kultstätte und ihre Bedeutung für Olympia geht der erste Teil der Abhandlung ein. Durch die Grabungen von Dörpfeld in Olympia 1987 konnte als Vorgängerbau des Pelopions ein Tumulus identifiziert werden, der bis in frühhelladische Zeit (um 2500 v. Chr.) zurückreicht. Erste kultische Handlungen in der Altis von Olympia sind aber erst für das 11. Jht. v. Chr. gesichert. Sie belegen den Beginn des Zeuskultes in Olympia. Einen Heroenkult des Pelops hatte es zu dieser Zeit noch nicht gegeben. Dieser wird erst um 600 v. Chr. etabliert, indem jetzt über dem prähistorischen Tumulus ein archaisches Pelopion als Kultstätte für den panhellenischen Heros Pelops errichtet wird. Im frühen 5. Jht. folgt dann ein klassisches Pelopion, das auch der griechische Reiseschriftsteller Pausanias noch im 2. Jht. n. Chr. gesehen und beschrieben hat. Der Grund für die Einrichtung eines Heroenkultes in Olympia – als Additiv zum Zeuskult – war vermutlich kulturpolitischer Natur: Nachdem im 6. Jht. Heroenkulte in Griechenland zunehmend populär geworden waren, hatten sich vor allem Heiligtümer wie Isthmia und Nemea, die auch panhellenische Spiele ausrichteten, „Kultheroen“ zugelegt. Daher erschien es auch den Eleern geraten, in ihrer Zeuskultstätte von Olympia einen additiven, lokalen Heroenkult einzurichten. Besonders geeignet für diesen Kult erschien ihnen aber Pelops, der der Mythologie nach in der Landschaft Elis das Wagenrennen gegen seinen Schwiegervater Onoimaos gewonnen hatte und der zudem panhellenische Reputation besaß. Er konnte damit als Vorbild für alle Olympioniken gelten und gleichzeitig den Eleern den gewünschten größeren Einfluss auf die Spiele sichern.
Aktualisiert: 2023-04-06
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Die von Theodor Wiegand im Auftrag der Berliner Museen durchgeführten Ausgrabungen im kleinasiatischen Milet gehören zu den großen Leistungen der Archäologie am Beginn des 20. Jahrhunderts. In weniger als 15 Jahren gelang es, eine antike Großstadt mit ihren Straßen und Plätzen, ihren Heiligtümern und Märkten, den öffentlichen Bauten, Sportstätten, Bädern und technischen Einrichtungen wieder ans Licht zu bringen. Wiegand bezog auch das Umland in seine Forschungen mit ein und vernachlässigte keine Epoche der Stadt. 1906 begründete er die Publikationsreihe Milet- Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899. Sie behandelt in abgeschlossenen Einzelbänden die Bauwerke und Denkmälerkomplexe, die durch die Grabungen wiedergewonnen wurden; eingeschlossen in die Betrachtungen sind auch die milesische Landschaft und die weitere Umgebung. Während die Reihe mit den ausgegrabenen Architekturdenkmälern der Stadt eröffnet worden war, steht zukünftig die Veröffentlichung der Einzelfunde der Miletgrabung - von den Inschriften über die Lampen bis zu den Skulpturen - im Mittelpunkt. Die Reihe ist nach systematischen Kriterien angelegt, die Bände erscheinen deswegen nicht in chronologischer Reihenfolge.
Aktualisiert: 2020-12-20
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