WARUM SOLLTEN SIE DIESES BUCH LESEN?
Vielleicht haben Sie irgendwann, irgendwo bereits etwas von der
Österreichischen Schule der Nationalökonomie gehört und möchten
gerne wissen, was sich dahinter verbirgt. Oder die Spielart der
Ökonomie, die Ihnen in Zeitschriften und Lehrbüchern begegnet, hat Sie
abgestoßen und Sie möchten eine realistischere Sichtweise des
Wirtschaftslebens kennen lernen. In den Beschreibungen der
dominierenden Schule der Volkswirtschaft, oft als Neoklassische Schule
bezeichnet, verhalten sich Leute anscheinend auf eine Art und Weise, die
mit dem Treiben der Menschen, das wir jeden Tag um uns herum
beobachten, kaum etwas zu tun hat. Die Menschen aus den Lehrbüchern
erscheinen roboterhaft und befolgen starr die Vorgaben von
Gleichungssystemen, die „ihren Nutzen maximieren“, abhängig von
einer Zusammenstellung von Parametern. Diese Gleichungen sind
ihrerseits angeblich die „Ursache“ dafür, dass Angebot und Nachfrage
einander beim Gleichgewichtspreis treffen – einem Preis, der die
nachgefragte Menge der produzierten Menge gleichsetzt. Welchen Platz
haben Menschen in diesem Gleichungssystem? Es scheint schwer, diese
mathematischen Gedankengebäude mit der Welt zu verbinden, in der
wir leben. Wie weit bezieht sich die Vorstellung des Menschen als
Nutzengleichungslöser auf die Islamische Revolution, auf Mutter
Theresa, auf Jimi Hendrix oder auf Ihre eigene Entscheidung, einen
Urlaub zu nehmen, den Sie sich „wirklich nicht leisten können“, aber
wirklich brauchen?
Trotzdem fühlen Sie, dass Ökonomie eigentlich etwas mit dem wirklichen
Leben zu tun haben sollte. Beschäftigt sie sich nicht mit Arbeitsplätzen,
Geld, Steuern, Preisen und Industrie – Gegenständen des täglichen
Lebens? Warum sollte das Fach so undurchsichtig und verworren sein?
Die Österreichische Schule ist eine Alternative zum Ansatz des
Mainstream. Sie baut die Ökonomie auf einer vernünftigen menschlichen
Grundlage auf. Sie vermeidet die Klippen, die den Großteil der
neuzeitlichen Volkswirtschaftslehre Schiffbruch erleiden lassen: die
Annahme, dass Eigennutz der wesentliche menschliche Antrieb sei, eine
enge Definition rationalen Verhaltens und die übertriebene Verwendung
unrealistischer Modelle. Dieses Buch ist ein Versuch, Ihnen die
wesentlichen Ideen der Schule vorzustellen.
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Die Österreichische Schule trägt ihren Namen, weil die meisten der
frühen Mitglieder – Sie haben es sehr wahrscheinlich schon erraten – aus
Österreich kamen. Die gewaltsame Besetzung des Landes durch die
Nazis verstreute ihre Anhänger. Heute finden sich prominente
Österreichische Ökonomen in der ganzen Welt. Ich werde in weiterer
Folge den Begriff „Österreichischer Ökonom“ verwenden, um ein
Mitglied der Österreichischen Schule zu bezeichnen, unabhängig davon,
ob die betreffende Person jemals in Österreich gelebt hat.
Mein Augenmerk wird allerdings nicht auf der Geschichte der Schule
liegen, obwohl ich einen Anhang mit einer kurzen Übersicht dieser
Geschichte beigefügt habe. Es ist auch nicht mein Ziel, professionelle
Ökonomen anderer Schulen zu einem „Übertritt“ zu bewegen. Das Buch
soll stattdessen die sprichwörtliche „Anleitung für den intelligenten
Laien“ sein. Obwohl ich immer versucht habe, präzise zu sein, habe ich
es vermieden, auf die genauen Details der esoterischen Debatten des
Ökonomen-Berufsstandes einzugehen, die nur ein schizophrenes Buch
hervorgebracht hätten.
Wegen der Art des Buches kann es die Österreichische
Volkswirtschaftslehre nicht so tiefschürfend erforschen wie
systematische Abhandlungen, etwa Murray Rothbards Man, Economy,
and State oder Ludwig von Mises´ Human Action. Wenn dieses Buch es
fertig bringt, Sie für dieses Fach zu interessieren, hat es seine Aufgabe
erfüllt. Ich bitte Sie nachdrücklich, dann eines dieser Meisterwerke zum
Thema zur Hand zu nehmen. (Es gibt auch eine Literaturliste am Ende
des Buches, die weitere empfohlene Literatur anführt).
Aber der Ansatz, den dieses Buch vertritt, hat seine Vorteile. Zum einen
sind Rothbards und Mises´ Wälzer riesig. Sie wollen doch nicht wirklich
ein solches Buch an den Strand schleppen, oder? Zum andern versuchen
die meisten Menschen nicht, professionelle Ökonomen zu werden. Sie
haben wahrscheinlich sehr wenig Zeit und sind nicht bereit, übermäßig
viel Mühe für das Fach aufzuwenden, zumindest nicht, bevor Sie sich
eine Meinung darüber gebildet haben, wie Sie davon profitieren könnten,
mehr davon zu wissen. Darüber hinaus enthält keines der großen Werke
etwas über den TV-Hit, die Show Survivor,1 noch erwähnt es auch nur die
Schauspielerin Helena Bonham-Carter. Ich garantiere, dass dieses Buch
frei von beiden Mängeln ist.
Wenn ich schon Survivor erwähne (Sehen Sie, Sie mussten nicht lange
warten, bis ich das erste Problem in Angriff genommen habe): Stellen Sie
sich einen leicht veränderten Schluss der Serie vor. In der wirklichen
Fernsehshow war der Gewinner – derjenige, der am längsten „überlebte“
– ein Kerl namens Rich. In unserer Alternativwelt ist Rich ebenso der
Gewinner, aber als die Filmcrew zusammenpackt, entscheidet sie, dass
sie von seinen Mätzchen genug hat. Statt ihn nach Hause zu verfrachten,
stiehlt sich die Crew heimlich von der Insel, während Rich zum
(vermeintlich) letzten Mal dem Sonnenbaden frönt.
Rich erhebt sich und stellt fest, dass er alleine ist. Er steht nun vor dem
grundsätzlichsten Problem eines Menschen – zu überleben – und das
unter primitivsten Umständen. Was kann die Ökonomie über seine
Situation aussagen? Wurzelt unsere Wissenschaft in der menschlichen
Natur oder ist es eine Schöpfung gewisser sozialer Übereinkommen, die
wir nach Belieben verändern können? Wenn es jemandem kein Anliegen
ist, so reich wie möglich zu werden oder wenn er die Konsumgesellschaft
ablehnt, ist Ökonomie dann immer noch für ihn wichtig? Das sind einige
der Fragen, die das Buch zu beantworten sucht.
Wir werden in Kapitel 2 auf Rich zurückkommen, aber zuerst werden
wir die Frage untersuchen, was Ökonomie genau ist.