Am 8. Februar 2016 wurde Hans Albert 95 Jahre alt. Aus diesem Anlass fand in Würzburg in Anwesenheit des Jubilars eine Tagung zum Thema "Kritischer Rationalismus und die Einzelwissenschaften" statt, in deren Rahmen der Einfluss des Kritischen Rationalismus auf die Fachdisziplinen erörtert wurde. Der Kritische Rationalismus, von Karl Popper in Auseinandersetzung mit den Denkern des Wiener (und Berliner) Kreises entworfen und in vielen Details ausgeführt, wurde maßgeblich von Hans Albert systematisiert und, weit über die Wissenschaftslehre hinausgehend, als "Entwurf einer Lebensweise" aufgefasst, welche die Einsicht in unsere eng begrenzten Erkenntnismöglichkeiten mit dem lebenszugewandten Modell von "Konstruktion und Kritik" verbindet. Alle unsere Problemlösungsversuche sind danach bloße Konstruktionen, Entwürfe, die sich in der Realität bewähren, daran aber auch scheitern können. Intellektuelle Vielfalt, Fantasie und Kritik sind Motoren jeder Verbesserung. In einer Zeit, in der selbst in Europa und den USA die Sehnsucht nach einfachen Antworten und starken Führern wieder auflebt und das Erbe der europäischen Aufklärung gefährdet erscheint wie selten zuvor, ist der kritisch-rationale Denkansatz aktueller denn je.
Aktualisiert: 2022-12-22
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Zu Beginn des 20. Jhs. wurde die Soziologie als Fachwissenschaft, so wie sie heute existiert, weitgehend festgeschrieben. Zwei Gründungsväter standen einander unversöhnlich gegenüber: Rudolf Goldscheid und Max Weber. Sie vertraten zwei völlig unterschiedliche Auffassungen von Soziologie. Weber plädierte für eine Wissenschaft, in der Forschung und Lehre wertfrei erfolgen sollten. Die Vermischung von Sein und Sollen, die Ableitung ethischer Imperative aus wissenschaftlichen Erkenntnissen lehnte er ab. Im Gegensatz zu Weber, dessen verstehende Soziologie eine Soziologie des Seins
ist, vertrat Goldscheid eine prospektive Soziologie des Werdens. Für ihn ging „der ganze Streit um die Stellung der Werturteile letzten Endes aus Fragen des akademischen Lehrbetriebes hervor“. Forschung hingegen, schöpferische
Wissenschaft, sei „ihrem innersten Wesen nach notwendig immer Gestaltung; Gestaltung ohne Wertung aber ist ein Ding
der Unmöglichkeit!“.
Die Soziologie eroberte sich ihren Platz unter den akademischen Wissenschaften zu einem hohen Preis. Sie wurde zu einem Beruf im Sinne von Fachkompetenz, wie Weber es vorausgesehen hatte. Statt auf gesellschaftlichen Fortschritt wurde das Interesse der Soziologen auf innerwissenschaftlichen Fortschritt, auf Erfolg und Anerkennung als spezialisierte Berufsgruppe innerhalb der Akademia gelenkt. Als Folge befindet über die gesellschaftliche Nützlichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse heute nicht mehr die Wissenschaft selbst, sondern eine durch wechselnde politische Machtverhältnisse bestimmte
staatliche Politik, die immer stärker durch Forderungen der Wirtschaft geprägt ist. Erst in jüngerer Zeit, im Streit zwischen „professioneller“ und „öffentlicher Soziologie“, zwischen „provinzieller“ und „globaler Soziologie“ finden die soziologischen Narrative Goldscheids wieder zunehmend Beachtung, Narrative, in denen viele Provokationen eines Ulrich Beck, Bruno Latour, Hans Immler oder Michael Burawoy vorweggenommen wurden. Insofern lohnt es sich, an die Kontroversen
jener Zeit wieder anzuknüpfen, die, durch den Nationalsozialismus abrupt unterbrochen, in ihrer reichen Vielfalt und Kreativität kaum je wieder erreicht wurden.
Aktualisiert: 2021-09-24
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Am 8. Februar 2016 wurde Hans Albert 95 Jahre alt. Aus diesem Anlass fand in Würzburg in Anwesenheit des Jubilars eine Tagung zum Thema "Kritischer Rationalismus und die Einzelwissenschaften" statt, in deren Rahmen der Einfluss des Kritischen Rationalismus auf die Fachdisziplinen erörtert wurde. Der Kritische Rationalismus, von Karl Popper in Auseinandersetzung mit den Denkern des Wiener (und Berliner) Kreises entworfen und in vielen Details ausgeführt, wurde maßgeblich von Hans Albert systematisiert und, weit über die Wissenschaftslehre hinausgehend, als "Entwurf einer Lebensweise" aufgefasst, welche die Einsicht in unsere eng begrenzten Erkenntnismöglichkeiten mit dem lebenszugewandten Modell von "Konstruktion und Kritik" verbindet. Alle unsere Problemlösungsversuche sind danach bloße Konstruktionen, Entwürfe, die sich in der Realität bewähren, daran aber auch scheitern können. Intellektuelle Vielfalt, Fantasie und Kritik sind Motoren jeder Verbesserung. In einer Zeit, in der selbst in Europa und den USA die Sehnsucht nach einfachen Antworten und starken Führern wieder auflebt und das Erbe der europäischen Aufklärung gefährdet erscheint wie selten zuvor, ist der kritisch-rationale Denkansatz aktueller denn je.
Aktualisiert: 2022-12-22
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Im Jahre 1904 veröffentlichte Max Weber seinen berühmten Objektivitätsaufsatz, in dem er Werturteilsfreiheit für die Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften forderte. Diese Auffassung führte im Laufe des 20. Jahrhunderts zu mehreren philosophischen Grundsatzdebatten ('Positivismusstreit') und zu interdisziplinären Auseinandersetzungen ('Werturteilsstreit'). Die Autoren der hier gesammelten Beiträge überprüfen hundert Jahre nach Max Webers Programmaufsatz die Gültigkeit und Fruchtbarkeit des von Max Weber propagierten Prinzips der Wertfreiheit und die Rolle der Werte in den Human- und Gesellschaftswissenschaften.
Aktualisiert: 2019-03-15
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Welche Rolle spielen Werte in den Wissenschaften? Diese Frage bildet den Kern des Werturteilsstreits, einer der nachhaltigsten Debatten der Wissenschaftsphilosophie und Sozialphilosophie. Nach einem ersten Höhepunkt in den 1960er und 1970er Jahren wurde in jüngster Zeit eine Reihe neuer Ansätze zu diesem Thema entwickelt. Der Band präsentiert neue Aufsätze zum Werturteilsstreit, zum Teil in deutscher Erstübersetzung, sowie historische Schlüsseltexte der Debatte. Er bietet einen umfassenden Überblick über eine der wichtigsten Fragen der Wissenschaft.
Aktualisiert: 2023-03-28
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