Nacht für Nacht ihr Herz
Christophe Carbenay, Raffael Keller, Li Shangyin
„Li Shangyin (um 812–858) war die letzte große Dichtergestalt der Tang-Zeit (618–907). Seine von Melancholie und Fin-de-siècle-Stimmung durchdrungene Lyrik widerspiegelt den im 9. Jahrhundert unübersehbar gewordenen Niedergang des einst blühenden Reiches der Tang. Die strengen, gereimten Formen des seit der frühen Tang-Zeit gebräuchlichen Regelgedichts reizte Li Shangyin dabei mit dichten, zuweilen manieristisch anmutenden Bildkompositionen bis an die Grenzen der Verständlichkeit aus, was ihm den Ruf eines hermetischen Dichters einbrachte. Oft verbergen sich hinter seinen dunklen Versen jedoch kunstvolle Satiren, die sich in verschlüsselter Form gegen herrschende Kaiser und Zustände richten oder in epigrammatischen Vierzeilern bekannte historische Ereignisse in ein überraschendes Licht rücken. Ein raffiniertes Spiel zwischen Enthüllung und Verschleierung inszenieren auch seine berühmten erotischen Gedichte, die er teilweise ohne Titel ließ.“
Raffael Keller