Psychosenkonzepte im historischen Kontext
Vorurteil, Wissenschaft, Politik
Hans Peter Hartmann, Günter Lempa, Volker Roelcke, Elisabeth Troje
Die deutsche Psychiatrie ist von der einseitigen Tendenz beherrscht, organische und genetische Ursachen für die Entstehung von psychischen Störungen, vor allem von Psychosen, verantwortlich zu machen. Trotz der Erkenntnisse zur biopsychosozialen Verursachung der Erkrankung und immer wieder geäußerten Bekenntnissen dazu wird dieser Blickwinkel in der Forschung und der Behandlungspraxis marginalisiert. Historischer Hintergrund ist eine Psychiatrie, die die Patienten und ihre Krankheiten zu Objekten naturwissenschaftlicher Forschung machte und die Psychosen als endogene organische Veränderung ansah, die auch Erblichkeit implizierte. Die Gegenströmung basiert auf der Achtung vor dem kranken Mitmenschen, der unter einem sozialen Spannungsfeld und an inneren Konflikten leidet und nur in einer Beziehung zwischen Arzt und Krankem behandelt werden kann. In diesem Band werden medizinhistorische Gründe für diese Verengung der Theorie und Behandlung von Psychosen diskutiert. Dabei kommen die Anfänge der Psychiatrie, ihre Pervertierung in der NS-Zeit sowie Problematiken heutiger psychiatrischer Versorgung zur Sprache.