Autoren Biografie
»Adolf E. war geboren am 5. Februar 1841 zu Prag, wo sein Vater Franz E., ein Anhänger der Herbart'schen Richtung, als Professor der Philosophie wirkte. Gleich seinem Vater, dem es vergönnt war, einen hervorragenden Antheil an der Unterrichtsreform zu nehmen, die Graf Leo Thun zum Heile der österreichischen Universitäten durchgeführt, suchte auch Adolf E. zeitlebens seine Kraft einzusetzen für das Blühen und Gedeihen der österreichischen Universitäten, für den innigen Zusammenhang und die Wechselwirkung mit den reichsdeutschen Schwesteranstalten.
Als Adolf E. im J. 1858 die Wiener Universität bezog, war sein verdienstvoller Vater schon nicht mehr unter den Lebenden; doch schon der Student Exner wurde in den Kreisen, ›die das geistige Leben Wiens repräsentirten‹, freundlich aufgenommen und durfte sich näheren Verkehres mit Männern wie Josef Unger, Alois Brinz, Hermann Bonitz erfreuen. Nachdem er in den Jahren 1864 und 1865 die Universitäten Berlin und Heidelberg besucht hatte, habilitirte er sich 1866, durch seinen Lehrer Josef Unger angeregt, in Wien mit einem größeren Werke, das die Lehre vom Rechtserwerb durch Tradition nach österreichischem und gemeinem Recht behandelte. Kein geringerer als Unger hat dies Buch in anerkennendster Weise besprochen (Krit. Vierteljahrschr. X, 249 ff.) und gilt dasselbe noch heute als grundlegend auf diesem Gebiete. Schon 1868 wurde E. nach Zürich als ordentlicher Professor|des römischen Rechtes berufen. Getreu dem Goethe'schen ›Wie fruchtbar ist der kleinste Kreis, wenn man ihn wohl zu pflegen weiß‹, war die Züricher Zeit für E., im Umgange mit Gottfried Keller, Gottfried Semper, Benndorf, Büdinger, Boretius, eine Zeit ernster, wissenschaftlicher Arbeit, verbunden mit ›hohem, ästhetischem Lebensgenusse‹. In diese Zeit fällt von größeren litterarischen Arbeiten ›Die Pfandrechtspränotation‹, ›Das Publicitätsprincip‹ und die später erst erschienene, aber schon in Zürich verfaßte, ›Kritik des Pfandrechtsbegriffes‹; die beiden ersteren dem Gebiete des österreichischen, das letztere dem Gebiete des römischen Rechtes angehörig. Nachdem er eine Berufung nach Innsbruck 1871 abgelehnt hatte, nach Würzburg 1872 vorgeschlagen, nach Kiel wirklich berufen war, erhielt E. gleichzeitig den ehrenvollen Ruf als Ihering's Nachfolger nach Wien, den er annahm. Hier entfaltete er durch mehr als 20 Jahre, nebst einer fortgesetzten, fruchtbaren litterarischen Thätigkeit, jene glänzende Wirksamkeit als akademischer Lehrer, die ihn für Wien als das erscheinen läßt, was einstens Vangerow für Heidelberg gewesen. Denn E. verstand zu lehren! Durchdrungen von der richtigen Ueberzeugung, daß das römische Recht als geistige Gymnastik auch dort, wo seine Institute mit dem modernen Rechte in keinem Zusammenhang stehen, für uns immerdar der magnus doctor geblieben sei, war es ihm, wie selten einem Zweiten gegeben, seine Schüler durch Vorträge zu fesseln, die sich durch eine Fülle anregender Gedanken auszeichneten und ob der plastischen Anschaulichkeit der Darstellung wahre Kunstwerke genannt werden konnten. Kein Wunder daher, daß er in dem angehenden Jünger der Rechtswissenschaft Lust und Liebe zur Sache erweckte und der größte Hörsaal der alma mater Rudolfina kaum ausreichte die lauschende Menge seiner Zuhörer zu fassen. Und so legten denn seine Vorlesungen auch dafür Zeugniß ab, daß die Jurisprudenz – richtig behandelt – keineswegs als eine trockene Wissenschaft zu bezeichnen ist, wie ja doch überhaupt – nach Exner's eigenen Worten – diese Classificirung der Wissenschaften nach ihrem Feuchtigkeitsgehalte etwas eigenthümlich anmuthet. Von Exner's seit 1873 erschienenen Publicationen seien hier genannt: ›Das österreichische Hypothekenrecht‹, sein Hauptwerk auf dem Gebiete des österreichischen Civilrechtes, ›ein bleibendes und großartiges Monument von Exner's litterarischer Thätigkeit‹ (Mitteis S. 18); ›Grundriß zu Vorlesungen über Geschichte und Institutionen des römischen Rechtes‹ (1882); ›Der Begriff der höheren Gewalt (vis major) im römischen und heutigen Verkehrsrecht‹ (1883), eine berühmte und äußerst anregende Abhandlung, in welcher E. in geistvoller Weise die objectivistische Theorie modificirt, indem er als Fälle der vis major alle die Ereignisse bezeichnet, die außerhalb des Betriebskreises entsprungen, mit unwiderstehlicher äußerer Macht in denselben einwirken; ›Erinnerung an Brinz‹ (1888) und ›Ueber politische Bildung‹ (Rectoratsrede 1891). (Die größeren Publicationen in Zeitschriften finden sich in der am Schlusse dieses Aufsatzes befindlichen Aufzählung sämmtlicher Arbeiten – abgesehen von Recensionen – chronologisch eingereiht.)
So hat denn E. als Lehrer und als Gelehrter eine reiche Thätigkeit entfaltet und eine hochangesehene Stellung im Kreise der Collegen eingenommen, die seinen durchdringenden Verstand, seine Klugheit, sein maßvolles Wesen zu schätzen wußten. Durch das allgemeine Vertrauen zum Rector magnificus für das Studienjahr 1891/92 gewählt, hielt er beim Antritte dieses Amtes die oben genannte, vielumstrittene Rede über politische Bildung, in der er die Ebenbürtigkeit und Selbständigkeit der Geisteswissenschaften gegenüber einseitiger Befangenheit der Geister in naturwissenschaftlichen Denkformen trefflich vertrat.
Was Exner's äußere Lebensschicksale betrifft, so ist noch hervorzuheben, daß er im J. 1875 zum Unterricht weiland Sr. kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen Rudolf berufen, im J. 1881 zum Ersatzmann, 1894 zum ständigen Mitglied des Reichsgerichtes, 1892 nach Ablehnung eines Rufes als Nachfolger Windscheid's nach Leipzig, zum lebenslänglichen Mitglieds des Herrenhauses ernannt wurde. Sowol im Reichsgerichte als auch im Herrenhause erwarb sich E. rasch Ansehen und Geltung und hat insbesondere in letzterem sich hervorragende Verdienste als Referent über die Gesetzesvorlage betreffend das Urheberrecht erworben. Hier offenbarten sich wieder einmal so recht, sowol in seinem Referate, wie in der Debatte, jene Eigenschaften seines Geistes vermöge welcher ihn Unger treffend als ›die verkörperte reine Urtheilskraft‹ bezeichnen konnte und Mitteis ihm mit Recht ›Beruf zur Gesetzgebung und Rechtswissenschaft‹ zusprach. Sein Antrag ›das Autorrecht zu einem höchstpersönlichen zu stempeln, das zwar in seinen einzelnen Befugnissen, niemals aber als Ganzes von der Person des Autors losgelöst werden kann‹ wurde denn auch im Plenum des Hauses von E. mit glänzenden Argumenten und dialektischer Schlagfertigkeit vertheidigt, angenommen.
Bei all diesen ausgezeichneten Eigenschaften des Geistes war E. auch ein glücklicher Mensch; ein Lieblingskind der Natur verstand er das, sich so Wenigen offenbarende Geheimniß der Lebenskunst. Er hat gedankentiefe und anregende Werke verfaßt, die seinen Geist in längst vergangene Zeiten führten und sich doch den Sinn für die Gegenwart und ihre gewichtigen Fragen bewahrt; er saß viel über alten Folianten, mit den schwierigsten Problemen beschäftigt, und unterschätzte darüber doch nicht, wie dies Stubengelehrte thun, den natürlichen, realen Inhalt des Lebens. Körperliche Uebungen und Strapazen gewohnt, ist er ein trefflicher Reiter und geübter Jäger gewesen, vor allem aber ein Freund des Reisens; immer wieder zog es ihn, der England und Frankreich, Griechenland und Kleinasien, Macedonien und Albanien durchwandert hatte, nach Italien, dessen Schönheit seinen künstlerischen Sinn in immer neues Entzücken versetzte. Sein behagliches Heim im eigenen Hause, in dem insbesondere sein Arbeitszimmer, das er mit Vorliebe seine Pandektenstube nannte, von ihm selbst mit erlesenem Kunstgeschmack ausgestattet war, bildete einen Mittelpunkt in dem geistig anregenden geselligen Leben Wiens, dem Männer wie Benndorf, Billroth, Brahms, Hartel, Unger angehörten. In solchem Freundeskreise, an der Seite einer liebenswerthen Gattin, unter aufblühenden Kindern, hat E. ein glückliches Dasein geführt. Und wie sein Leben mit Recht als ein selten harmonisches bezeichnet werden darf, so kann auch von seinem Tode gesagt werden, daß er ein schöner gewesen; das Vergil'sche facilis descensus Averno, von ihm gilt es wahrhaftig. Von Schloß Matzen nächst Brixlegg im Unterinnthal, wo E. seine Sommerferien zuzubringen pflegte, ritt er eines Tages nach Kufstein, um an einer Jagd theilzunehmen; ahnungslos ritt er dem Tode entgegen. In Gesellschaft der Jagdgenossen verbrachte er noch fröhlich den Abend; doch als er am andern Morgen (10. September 1894) sich unwohl fühlend, heimkehren wollte, da verschied er plötzlich und schmerzlos.«
Pfaff, Ivo, in: Allgemeine Deutsche Biographie 48 (1904), S. 456–459