Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes vom Spätabsolutismus bis zur Gesetzgebung des Deutschen Reiches.
Gisa Austermühle
Entstehung und Entwicklung der gegenüber einem Ausforschen durch den Staat rechtlich geschützten persönlich-privaten Geheimsphäre sind bislang nur teilweise aufgeklärt. Gisa Austermühle beleuchtet die öffentlich-rechtlichen Aspekte eines persönlichen Geheimsphärenschutzes in der Staatsrechtslehre und Polizeiwissenschaft, im Verfassungsrecht, im Strafprozeßrecht sowie im materiellen Strafrecht in der Zeit von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Erlaß der Reichsstrafprozeßordnung und des Reichsstrafgesetzbuches.
Bereits die Staatsrechtslehre des deutschen Spätabsolutismus ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts befaßte sich mit der Frage, wie der private Geheimbereich vor einer Ausübung des ius inspectionis, einem selbständigen Majestätsrecht in der Hand des Souveräns, das diesen zu einer umfassenden Informationserhebung berechtigte, zu schützen sei. Während man im ausgehenden 18. Jahrhundert einzelne persönliche Geheimsphären noch als Rechtsreflexe einer Begrenzung des ius inspectionis durch den Staatszweck verstand, bestimmte die natürliche Staatsrechtslehre der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sie bereits als Untertanenrechte.
Die Gedanken der Staatsrechtslehre blieben nicht ohne Auswirkungen auf das positive Recht. Einen Höhepunkt erreichte die Entwicklung bereits mit der Frankfurter Reichsverfassung im Jahre 1848 und deren Regelungen zum Wohnungsschutz und Briefgeheimnis. In den Strafprozeßordnungen und Strafgesetzbüchern der Länder und nach der Reichsgründung in der Reichsstrafprozeßordnung und im Reichsstrafgesetzbuch verfestigte sich der gesetzliche Schutz persönlicher Geheimsphären – wie z. B. der Wohnung als räumlichem Geheimbereich, des Postgeheimnisses, des Beichtgeheimnisses sowie der geheimhaltungsbedürftigen Vertrauensbeziehungen unter Angehörigen, zwischen Arzt und Patient, Verteidiger und Mandant.