„Alles fließt…“Ovids Metamorphosen ausgewählt und nacherzählt von Christina Lang
Christina Lang
Als Kaiser Augustus mit der Beendigung der Bürgerkriege ein neues Goldenes Zeitalter begründete, erlebte Rom eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte wie nie zuvor: Prunkvolle Tempel, Straßen und Aquädukte entstanden, Thermen und Theateranlagen boten den Menschen jede Menge Vergnügungen, und Kunst, Wissenschaft und Dichtung florierten. Einer der berühmtesten Dichter war Publius Ovidius Naso. Er erfreute sich allgemeiner Beliebtheit, genoss beachtlichen Wohlstand und ging im Palast des Kaisers ein und aus. Doch dann traf ihn wie aus heiterem Himmel ein schwerer Schicksalsschlag: Augustus schickte ihn in die Verbannung. Nahm der Kaiser an seiner Dichtung Anstoß? Oder war Ovid in irgendeinen Skandal verwickelt? Vielleicht gar Mitwisser einer Verschwörung? Wir wissen es nicht. Fest steht nur, dass Ovid die letzten Jahre seines Lebens, fern von seiner geliebten Heimat, in Tomi am Schwarzen Meer verbringen musste. Dort starb er einsam und verbittert im Jahre 18 n. Chr. Die Metamorphosen (Verwandlungssagen) sind sein Hauptwerk. Es sind Geschichten, mit denen die Griechen und Römer ihre Welt erklären wollten, zum Beispiel: Wie ist die Spinne entstanden? Wie die Zikade oder die Narzisse? Warum haben manche Menschen eine dunkle Hautfarbe? Warum hat der Rabe schwarze Federn? Aber für Ovid sind diese Geschichten noch mehr. Sie sind für ihn Ausdruck einer philosophischen Weltanschauung: Nichts auf der Welt hat Bestand. Cuncta fluunt alles fließt. Alles wandelt sich, alles verändert sich, nichts bleibt, wie es ist. Auch solche Stoffe, die auf den ersten Blick bewegungslos erscheinen, verändern sich bei genauerem Hinsehen: Eine eiserne Glocke rostet, ein harter Fels unterliegt der Korrosion Alles fließt, alles geht vorbei. Die Zeiten ändern sich und wir verändern uns in ihnen. (Wie bitter hat Ovid das am eigenen Leib erfahren müssen!)