Raum und Nation in der polnischen Westforschung 1918-1948
Wissenschaftsdiskurse, Raumdeutungen und geopolitische Visionen im Kontext der deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte
Gernot Briesewitz
Nationale Grenzkonflikte betreffen häufig nicht nur die politische Zugehörigkeit eines geographischen Raums; sie betreffen auch dessen geistige Aneignung durch Akteure nationaler Diskurse als Teil der nationalen Identitätsstiftung. Die vorliegende Monographie beschäftigt sich mit einem Beispiel, an dem sich solche Konstruktionsprozesse von Raum entlang nationaler Kategorien gut beobachten lassen: der polnischen Westforschung.
Vor dem Hintergrund der konfliktreichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts untersucht der Autor sowohl die Konstruktion wie auch Dekonstruktion nationalen Raums und nationaler mental maps durch den geographischen und historischen Zweig der zeitgenössischen polnischen Westforschung. Thematisiert werden nicht nur bekannte Raumkonstrukte wie das „natürliche Polen“ oder die „Mutterländer Polens“, sondern auch mental maps, die sich auf einzelne Grenzregionen beziehen und deren Entwicklung bisher in der Forschung kaum behandelt worden ist. Der Autor arbeitet dabei die unterschiedlichen Entstehungsbedingungen und Funktionsgefüge der verschiedenen Raumkonzepte heraus und ordnet sie in ihren wissenschaftsgeschichtlichen Kontext ein.
Die Arbeit verdeutlicht, dass die Westforschung zunächst von einem sehr heterogenen Raumdiskurs geprägt wurde, der sich erst im Zuge der Westverschiebung Polens homogenisierte. Die Untersuchung setzt darüber hinaus die Westforschung sowohl in Bezug zur zeitgenössischen polnischen wie auch zur deutschen Politischen Geographie und Geopolitik. Dadurch gelingt es, den untersuchten Raumdiskurs in eine transnationale Wissenschaftslandschaft einzuordnen und seine Spezifika aufzuzeigen, die ihn von der deutschen Geopolitik und Politischen Geographie unterschieden.