Wissenschaft in der Krise
Risikodiskurse über Gentechnik im transatlantischen Vergleich
Monika Kurath
Die Wissenschaft scheint sich im Moment in einer Krise in der öffentlichen Wahrnehmung zu befinden. Verschiedene Meinungsumfragen stellen einen Verlust ihrer Glaub- und Vertrauenswürdigkeit fest. Dies ist insbesondere bei Fragen der Fall, die aktuelle Technikentwicklungen wie Atomtechnik, Mobilfunk oder Gentechnik betreffen. Hier steht gesellschaftlicher Widerstand oftmals in auffälligem Gegensatz zu der wissenschaftlichen Hochstimmung. Gesellschaftliche Risikowahrnehmung wird neben der Charakteristik der diskutierten Risiken insbesondere auch durch die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit der die jeweiligen Risiken vertretenden gesellschaftlichen Institutionen bestimmt. Auf dieser Basis zeigt dieses Buch gesellschaftliche Debatten über Gentechnik in der Schweiz und in den USA auf. Dabei wird der Fokus auf drei Aspekte gerichtet: Ereignisse, die Risikodebatten auslösen, Zusammenarbeit zwischen involvierten Akteuren und Prognosen zur Technikentwicklung, die von der Wissenschaft geäussert werden. Auslöseereignisse wie die Konferenz von Asilomar in den USA und die Lancierung der Gen-Schutz-Initiative in der Schweiz hatten dabei einen bedeutsamen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Risikodebatten. In den USA konnten die betroffenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch ihren frühen Diskurseintritt, die Diskussion möglicher Gefährdungen durch erste gentechnische Laborexperimente und die Selbstauferlegung eines Moratoriums öffentliches Vertrauen gewinnen. Im Gegensatz dazu standen die Schweizer Forschenden durch eine späte Kommunikation von Anfang an in einer defensiven Position. Potenzielle Gefährdungen der Gentechnik wurden zu diesem Zeitpunkt bereits durch gentechnikkritische NGOs öffentlich diskutiert. Die intensive Zusammenarbeit der Wissenschaft mit der Industrie im Bereich der Gentechnik hat neben den unbestrittenen Vorteilen im Bereich des Technologietransfers und der Innovation auch nachteilige Effekte: So hat diese Kooperation sowohl in der Schweiz wie auch in den USA bewirkt, dass die Wissenschaft zunehmend als lobbyierender Akteur mit ökonomischen Interessen wahrgenommen wird. Daraus wird die Folgerung abgeleitet, dass die Wissenschaft mit ihrer Rolle in den Gentechnikdebatten insbesondere in der Schweiz zu wesentlichen Teilen selbst zu ihrem Verlust an Vertrauenswürdigkeit in der Öffentlichkeit beigetragen hat. Auch die mangelnde öffentliche Akzeptanz insbesondere der Gentechnik im landwirtschaftlichen Bereich in der Schweiz findet so eine Erklärung.