Hans Urs von Balthasars Literaturtheologie
Thomas Krenski
Hans Urs von Balthasar äusserte schon vor Jahrzehnten die Befürchtung, dass die wissenschaftliche Theologie Gefahr laufe, auf einer rationalistischen Sandbank zu stranden. Tatsächlich beschränkte sich die wissenschaftliche Theologie des 20. Jahrhunderts weitgehend auf ein begriffliches Instrumentarium. Hans Urs von Balthasar ging als Germanist andere Wege. Er suchte eine Denkform, die „im gleichen Abstand zwischen reinem ‚Begriff‘ und reiner ‚Anschauung‘ den Vollklang menschlicher Wahrheit zu enthalten scheint“. Im Zuge dieses Versuches entsteht seine „Literaturtheologie“. Während man in einem theologischen Lehrbuch die Namen Shakespeare, Euripides, Rilke oder Trakl vergeblich sucht, befragt er sie auf ihre religiöse Letzthaltung, nutzt das poetische und später das dramatische Instrumentarium, um mittels der Kategorien der Poesie und des Theaters Theologie zu treiben. Das Buch erschliesst Hans Urs von Balthasars Literaturtheologie für die systematische Theologie. Neben hermeneutischen Fragestellungen zieht der ausgewiesene Balthasarkenner und Mainzer Hochschulpfarrer Thomas Krenski literaturtheologische Aspekte ins Kalkül, so dass der Leser nicht nur formal, sondern material literaturtheologisch zu denken lernt. Die entsprechenden Literaturen sind den jeweiligen theologischen Traktaten zugeordnet, so dass der theologisch interessierte Leser den entsprechenden Beitrag mühelos der theologischen Disziplin zuorden kann, zu der er einen literaturtheologischen Zugang sucht. Der eher literarisch interessierte Leser dürfte am ehesten mit Hilfe des Registers einen literaturtheologischen Zugang zu Autoren seines Interesses finden. Dort begegnet er neben Autoren wie Euripides, Shakespeare, Dostojewski, George, Rilke, Claudel, Bernanos, P©guy, Pirandello, Hofmannsthal, Dürrenmatt, Raeber und Züfle auch den Komponisten Mozart, Haydn, Bach, Mendelssohn-Bartholdy, Wagner, Mahler, Schönberg und Denissow. Auch die bildenden Künstler Holbein, Grünewald, Stocker, Schilling und Hegenbarth finden Erwähnung. Balthasar selbst kommentiert sein literaturtheologisches Projekt: „Man beklagt es auch, dass die schriftstellernden Theologen sich heute zuviel um die Dichter kümmern, statt ihr eigenes Handwerk zu treiben. („-) Es könnte aber sein, dass bei den grossen katholischen Dichtern mehr originales und gross in freier Landschaft wachsendes Gedankenleben sich findet als in der etwas engbrüstigen und bei kleiner Kost genügsamen Theologie unserer Zeit.“