Ende des 20. Jahrhunderts schien es ausgemacht: Der kapitalistische Markt hatte über die Planwirtschaft gesiegt. Versuche, mittels rationaler Planung die kapitalistischen Länder "einzuholen und zu überholen", waren bereits zwei Jahrzehnte zuvor gescheitert. Planwirtschaftliche Modelle schienen für immer abgeschrieben, hatten sie sich doch in der Praxis als ökonomisch undurchführbar und politisch repressiv erwiesen.
Allerdings ist eine Beschäftigung mit der Idee einer geplanten sozialistischen Wirtschaft und ihren theoretischen Grundlagen heute aktueller denn je. Denn das Hohelied des freien Marktes verhallt nun schneller, als von den Nutznießern des Kapitalismus befürchtet. Die Wirtschaftskrise 2008, erzwungene Migrations- und Fluchtbewegungen, zunehmende soziale Verwerfungen und nicht zuletzt die ökologische Katastrophe und ihre dramatischen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben zu einer Krise in Permanenz geführt, der mit marktwirtschaftlichen Methoden offensichtlich nicht beizukommen ist. Ob bei den CO2-Budgets, der Impfstoffproduktion oder der Bereitstellung von Atemwegsmasken: Immer öfter war zuletzt, nicht nur im angelsächsischen Raum, von Sozialismus, Planwirtschaft oder zumindest planning die Rede.
Für die Herausgeber Philip Broistedt und Christian Hofmann ist Planwirtschaft weder ein selbsterklärender noch ein originär linker Begriff. In ihrer Textsammlung dokumentieren sie zentrale Debatten darüber, wie eine geplante Wirtschaft an die Stelle der anarchischen Produktion auf Basis des Marktes treten könnte. Auch wenn Marx und Engels keine Theorie einer Planwirtschaft verfassten, so ist doch die Marxsche Kapitalismusanalyse, die auf die Aufhebung der Wertform der Produkte hinausläuft, der Ausgangspunkt für die Linke um eine planmäßig bewusste, gesellschaftliche Produktion. Im ersten Kapitel des Buches geht es deshalb um die Arbeitszeitrechnung als Dreh- und Angelpunkt für einen gesellschaftlichen Produktionsplan der assoziierten ProduzentInnen, die Marx im Kapital als "Verein freier Menschen" titulierte.
Die Kapitel zwei und drei beinhalten Texte, die zentral für die gescheiterten Planwirtschaftsmodelle des 20. Jahrhunderts stehen. Die KommunistInnen in Russland und später auch in China besaßen in der ersten Phase ihrer revolutionären Umwälzung die Hoffnung, mit kriegswirtschaftlicher Naturalplanung im Sturmlauf zum Kommunismus zu gelangen. Geprägt und inspiriert durch die Kriegswirtschaft sollte alles administrativ geregelt werden: die Arbeit durch revolutionäre Arbeitsdisziplin, wenn nicht Arbeitsarmeen, die Planung und Bezahlung in Naturalien. Im dritten Kapitel geht es um die "planmäßige Anwendung des Wertgesetzes", das nach dem schnellen Scheitern der Naturalwirtschaft zentral für den Staatssozialismus wurde. Ein starker, autoritärer Staat sollte das Wertgesetz ausnutzen, um zunächst die Grundlagen für eine kommunistische Produktion zu legen. Eine Kostenrechnung, d. h. eine Ökonomie mit "Ware-Geld-Beziehungen", war letztlich trotz Wirtschaftsplanung als unverzichtbarer Bestandteil des Staatssozialismus allgemein anerkannt.
Im abschließenden Kapitel finden sich neuere Diskussionsbeiträge, die vom Scheitern der starren Planwirtschaftsversuche im 20. Jahrhundert ausgehen. Dabei steht einmal mehr die zentrale Frage im Raum, warum der Staatssozialismus keine bessere ökologische Bilanz hatte als sein konkurrierendes Pendant; zum zweiten geht es um das eklatante Demokratiedefizit bisheriger Planungsmodelle und um die Frage, welche Vorteile die neuen, digitalen Produktivkräfte für künftiges gesellschaftliches Planen bieten würden.
Aktualisiert: 2023-05-10
Autor:
Rudolf Bahro,
Helene Bauer,
Philip Broistedt,
Nikolaj Bucharin,
Paul Cockshott,
Allin Cottrell,
Pat Devine,
Friedrich Engels,
Wolfgang Harich,
Rudolf Hilferding,
Christian Hofmann,
Wladimir Iljitsch Lenin,
Karl Marx,
Otto Neurath,
Alexander Schljapnikow,
Leo Trotzki
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Ende des 20. Jahrhunderts schien es ausgemacht: Der kapitalistische Markt hatte über die Planwirtschaft gesiegt. Versuche, mittels rationaler Planung die kapitalistischen Länder "einzuholen und zu überholen", waren bereits zwei Jahrzehnte zuvor gescheitert. Planwirtschaftliche Modelle schienen für immer abgeschrieben, hatten sie sich doch in der Praxis als ökonomisch undurchführbar und politisch repressiv erwiesen.
Allerdings ist eine Beschäftigung mit der Idee einer geplanten sozialistischen Wirtschaft und ihren theoretischen Grundlagen heute aktueller denn je. Denn das Hohelied des freien Marktes verhallt nun schneller, als von den Nutznießern des Kapitalismus befürchtet. Die Wirtschaftskrise 2008, erzwungene Migrations- und Fluchtbewegungen, zunehmende soziale Verwerfungen und nicht zuletzt die ökologische Katastrophe und ihre dramatischen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben zu einer Krise in Permanenz geführt, der mit marktwirtschaftlichen Methoden offensichtlich nicht beizukommen ist. Ob bei den CO2-Budgets, der Impfstoffproduktion oder der Bereitstellung von Atemwegsmasken: Immer öfter war zuletzt, nicht nur im angelsächsischen Raum, von Sozialismus, Planwirtschaft oder zumindest planning die Rede.
Für die Herausgeber Philip Broistedt und Christian Hofmann ist Planwirtschaft weder ein selbsterklärender noch ein originär linker Begriff. In ihrer Textsammlung dokumentieren sie zentrale Debatten darüber, wie eine geplante Wirtschaft an die Stelle der anarchischen Produktion auf Basis des Marktes treten könnte. Auch wenn Marx und Engels keine Theorie einer Planwirtschaft verfassten, so ist doch die Marxsche Kapitalismusanalyse, die auf die Aufhebung der Wertform der Produkte hinausläuft, der Ausgangspunkt für die Linke um eine planmäßig bewusste, gesellschaftliche Produktion. Im ersten Kapitel des Buches geht es deshalb um die Arbeitszeitrechnung als Dreh- und Angelpunkt für einen gesellschaftlichen Produktionsplan der assoziierten ProduzentInnen, die Marx im Kapital als "Verein freier Menschen" titulierte.
Die Kapitel zwei und drei beinhalten Texte, die zentral für die gescheiterten Planwirtschaftsmodelle des 20. Jahrhunderts stehen. Die KommunistInnen in Russland und später auch in China besaßen in der ersten Phase ihrer revolutionären Umwälzung die Hoffnung, mit kriegswirtschaftlicher Naturalplanung im Sturmlauf zum Kommunismus zu gelangen. Geprägt und inspiriert durch die Kriegswirtschaft sollte alles administrativ geregelt werden: die Arbeit durch revolutionäre Arbeitsdisziplin, wenn nicht Arbeitsarmeen, die Planung und Bezahlung in Naturalien. Im dritten Kapitel geht es um die "planmäßige Anwendung des Wertgesetzes", das nach dem schnellen Scheitern der Naturalwirtschaft zentral für den Staatssozialismus wurde. Ein starker, autoritärer Staat sollte das Wertgesetz ausnutzen, um zunächst die Grundlagen für eine kommunistische Produktion zu legen. Eine Kostenrechnung, d. h. eine Ökonomie mit "Ware-Geld-Beziehungen", war letztlich trotz Wirtschaftsplanung als unverzichtbarer Bestandteil des Staatssozialismus allgemein anerkannt.
Im abschließenden Kapitel finden sich neuere Diskussionsbeiträge, die vom Scheitern der starren Planwirtschaftsversuche im 20. Jahrhundert ausgehen. Dabei steht einmal mehr die zentrale Frage im Raum, warum der Staatssozialismus keine bessere ökologische Bilanz hatte als sein konkurrierendes Pendant; zum zweiten geht es um das eklatante Demokratiedefizit bisheriger Planungsmodelle und um die Frage, welche Vorteile die neuen, digitalen Produktivkräfte für künftiges gesellschaftliches Planen bieten würden.
Aktualisiert: 2023-02-14
Autor:
Rudolf Bahro,
Helene Bauer,
Philip Broistedt,
Nikolaj Bucharin,
Paul Cockshott,
Allin Cottrell,
Pat Devine,
Friedrich Engels,
Wolfgang Harich,
Rudolf Hilferding,
Christian Hofmann,
Wladimir Iljitsch Lenin,
Karl Marx,
Otto Neurath,
Alexander Schljapnikow,
Leo Trotzki
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Dieser Buchtitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieser Titel erschien in der Zeit vor 1945 und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
Aktualisiert: 2022-10-22
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Es ist heute weitgehend unbekannt, daß es innerhalb des Wiener Kreises des Logischen Empirismus einen Flügel gab, der die theoretischen Bemühungen um metaphysikfreie Wissenschaftlichkeit verknüpft sah mit der Bemühung um eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft; so gilt – insbesondere seit dem sogenannten Positivismusstreit – die Verpflichtung der Wissenschaften auf das Programm des Logischen Empirismus weithin als methodologischer Garant des gesellschaftlichen Status quo.
Otto Neurath indes war ein Theoretiker, der das Programm des Logischen Empirismus in seiner radikalsten Variante vertreten und sich zugleich als radikaler Sozialist verstanden hat. Die Einheit dieses philosophischen und politischen Engagements ist bei Neurath im Interesse an jener wissenschaftlichen Weltauffassung begründet, der zeit seines Lebens seine Bemühung galt.
Aktualisiert: 2023-03-28
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'Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die Ökonomie ohne Geschichte ein steuerloses Schiff ist und Ökonomen ohne Geschichte keine genaue Vorstellung davon haben, wo dieses Schiff hinfährt. … Die Nationalökonomen müssen die Geschichte in ihr Fach reintegrieren, und das lässt sich nicht einfach in der Weise erreichen, dass man aus ihr eine retrospektive Ökonometrie macht.' Eric Hobsbawm
Die ursprünglich vorhandene Einheit von Wirtschaftsgeschichte und Ökonomie kam mit der Differenzierung im Bereich der Wirtschaftswissenschaften zunehmend abhanden. In den Mittelpunkt theoretischer Betrachtungen rückte die innere Logik wirtschaftlicher Verhältnisse, wodurch die historische Komponente ins Hintertreffen geriet. Die so entstandene Hegemonie einer durch abstrakte Modellkonstruktionen geprägten ökonomischen Theorie führte aber häufig zur Ausblendung entwicklungstheoretisch fundierter Dimensionen und damit zu unbefriedigenden Erklärungsmustern. Es ist daher kaum zu bezweifeln, dass erst durch die Verbindung entwicklungs- und prozessorientierter Forschungsansätze mit modernen ökonomischen Modellvorstellungen eine neue fruchtbare Synthese gefunden werden kann. Die Theoriebildung profitiert zu einem wesentlichen Teil von der Empirie, die ja immer auch Geschichte ist.
Das Buch beinhaltet eine repräsentative Auswahl klassischer und darauf bezogener aktueller Texte, die durch das Bemühen gekennzeichnet sind, einer einseitigen Ausrichtung der ökonomischen Theorie entgegenzuwirken und die zugleich ein spannendes Stück Diskursgeschichte abbilden. Die Textbeiträge, die mit einem wissenschaftlichen Kommentar versehen sind, stammen von Luis Bértola, Eugen von Böhm-Bawerk, Walter Eucken, Rudolf Goldscheid, Eric Hobsbawm, Herbert Lüthy, Karl Marx, Otto Neurath und Joseph Alois Schumpeter.
Aktualisiert: 2019-01-10
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