Autoritarismus und Identitätspolitik

Autoritarismus und Identitätspolitik von Adam,  Jens, Appadurai,  Arjun, Bauer,  Leonhard, Gniadzdowski,  Andrzej, Höllwerth,  Alexander, Oyowe,  Oritsegbubemi Anthony, Randeria,  Shalini, Roetz,  Heiner, Schelkshorn,  Hans, Sciuto,  Cinzia, Shorny,  Michael, Steinhauer,  Hagen, Tomaschitz,  Wolfgang
Hans Schelkshorn und Wolfgang Tomaschitz Autoritarismus und Identitätspolitik Einleitung »World is facing pandemic of authoritarianism« – Mit diesen Worten warnte Armatya Sen in seiner Dankesrede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2020 vor einem neuen autoritären Zeitalter. Tatsächlich wird das Modell einer menschenrechtsbasierten rechtstaatlichen Demokratie heute in allen Weltregionen in ihren Fundamenten in Frage gestellt. In China, Russland, Indien, in der islamischen Welt, in Lateinamerika und nicht zuletzt in der westlichen Welt, ja selbst in den sogenannten Kernstaaten »liberaler Demokratie« wie Frankreich, England und den USA, sind autoritäre Bewegungen und Regime mächtig geworden, die Menschenrechte und Demokratie im Namen der Verteidigung der je eigenen »Identität« aushöhlen oder überhaupt ablehnen. Mahnende Stimmen gab es bereits kurz nach 1989, als Francis Fukuyama noch die liberale Demokratie als Ende der ideologischen Evolution der Menschheit feierte. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die unkritische Affirmation »liberaler Demokratie« ignoriere, wie Leopoldo Zea, der maestro der mexikanischen Philosophie, in Fin del siglo XX: ¿Centuria perdida? (1996) monierte, eine zentrale Erfahrung des 20. Jahrhunderts. So wie der entfesselte Liberalismus der Zwischenkriegszeit den Aufstieg des Faschismus beförderte, so könne eine neoliberale Weltordnung erneut autoritären Regimen den Weg bereiten. Auch in Ostmitteleuropa sind die Keime eines neuen Autoritarismus bereits früh diagnostiziert worden. So verweist etwa Jerzy Szacki im Rahmen einer Befragung von Intellektuellen über ihre Einschätzung zur zukünftigen Entwicklung der ostmitteleuropäischen Staaten auf die »Ikonographie der Befreiungsbewegungen«, in der »häufig die Gestalt des vitalen Riesen, der seine Ketten sprengt und in ein neues Leben aufbricht« begegne. Der Mythos eines volkhaften »Riesen« als Ausdruck von Identität und Gemeinwille, könne nach Szacky für alle möglichen politischen Zwecke, also auch für autoritäre Politik instrumentalisiert werden. Mit dem Aufstieg autoritärer Bewegungen ergeben sich auch für eine interkulturelle Philosophie neue Herausforderungen. Da in den weitverzweigten Diskursen interkultureller Philosophie die Kritik an eurozentrischen, rassistischen und kolonialen Konzepten der »liberalen Demokratie« seit jeher – und zu Recht – ein Fixpunkt war und ist, ist in den intellektuellen Debatten über autoritäre Politik gleichsam eine bedenkliche Grauzone entstanden, die in der Zukunft noch sorgfältig analysiert werden muss. So knüpfen etwa in Europa neorechte Parteien nicht nur an antiliberale Ideologien des frühen 20. Jahrhunderts an. Alain de Benoit, der Vordenker der Nouvelle Droite in Frankreich, verbindet in seiner Vision einer Koexistenz zwischen homogenen »Kulturen« mit einer Kritik am Menschenrechtsimperialismus des Westens, die sich unter anderem auch auf die Kritik von Raimon Panikkar bezieht. In anderen Weltregionen setzen autoritäre Bewegungen bestimmte Traditionen einer antikolonialen bzw. antiimperialistischen Selbstbehauptung der je eigenen Kultur gegenüber dem »Westen« auf ihre Weise fort. So wird die Idee einer polyzentrischen Weltgesellschaft, die vor Jahrzehnten Enrique Dussel in seiner Theorie der »Transmoderne« philosophisch expliziert hat, heute in China und Russland von Intellektuellen und Politiker:innen propagiert. So plump manche Instrumentalisierungen sein mögen, so sind sie doch ein Indiz für nötige Klärungen, auch in der interkulturellen Philosophie. Zumal in zahlreichen Weltregionen, derzeit mit besonderer Intensität in der islamischen Welt von Marokko bis zum Iran, zahlreiche Menschen für eine menschenrechtsbasierte Demokratie und eine völkerrechtliche Ordnung unter Einsatz ihres Lebens kämpfen und, wie in Myanmar oder in Belarus, letztlich an den hegemonialen Mächten der »polyzentrischen Weltgesellschaft«, im konkreten an China und Russland, scheitern. Die nachstehenden Beiträge beleuchten das Phänomen des Autoritarismus primär im Prisma bestimmter Konstruktionen von »Identität«, die ausgehend von unterschiedlichsten historischen, kolonialen, politischen, ökonomischen, religiösen aber auch ideengeschichtlichen Voraussetzungen entworfen, propagiert und politisch durchgesetzt werden. Einen äußerst anschaulichen Einblick in den Mechanismus autoritärer Identitäts-Konstruktionen gibt Arjun Appadurai in seinem Beitrag zur Politik der Bharatiya Janata Party, seit 2014 erneut Regierungspartei in Indien, welche auf mehreren Ebenen versucht, eine konservative, hindu-nationalistische Ideologie gegen die regionale, ethnische und religiöse Vielfalt der indischen Gesellschaft durchzusetzen. Indien als ein einziger großer Hindutempel – und der daraus folgende Ausschluss großer Bevölkerungsschichten, sind die Schlüsselbegriffe seiner Analyse. Shalini Randeria, Jens Adam und Hagen Steinhauer gewähren in ihrem Beitrag »Von Differenzlinien und moralischen Mehrheiten« Einblick in den Stand ihrer Forschungen zum sanften Autoritarismus am Beispiel Polens und Frankreichs. Sie weisen anhand zahlreicher Beispiele darauf hin, wie erfolgreich es gelungen ist, das Narrativ der bedrohten weißen Mehrheitsbevölkerung durch eine Art »Mimikry der Marginalität« zu verbreiten und sie zeigen wie diese Strategien sowohl in populistischen oppositionellen Bewegungen als auch als Herrschaftstechniken »von sanft-autoritären Politikern in Regierungsfunktion« genutzt werden. Heiner Roetz zeichnet in seinem Beitrag einige Grundlinien der Identitätspolitik Chi­nas in der jüngeren Geschichte nach. In der staatlichen Propaganda ist nach Roetz die Berufung auf die »chinesische Charakteristik« (zhongguo tese), inzwischen zur Leitvokabel der politischen Sprache der herrschenden Kommunistischen Partei geworden, die fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und nicht zuletzt die politische Ordnung umfasst. So werden unter dem Stichwort »Meritokratie versus westliche Demokratie« individuelle Menschenrechte abgelehnt und zugleich die »Wiederauferstehung der Nation« durch einen Rekurs auf die glorreiche »fünftausend jährige chinesische Geschichte« legitimiert. Die aktuelle Identitätspolitik Chinas ist allerdings kein Novum, sondern hat, wie Roetz zeigt, eine lange Vorgeschichte, die vor allem ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Alexander Höllwerth wendet sich in seinem Beitrag unmittelbar dem aktuell äußerst bedrängenden Krieg Russlands gegen die Ukraine zu. Die »Entgrenzung des Imperiums« war keine spontane Aktion der gegenwärtigen Machtelite, sondern, wie Höllwerth ideengeschichtlich expliziert, von geopolitischen Visionen des Eurasismus, Neoeurasismus und Nationalbolschewismus in Russland geleitet. Die eurasische Ideologie, in der die orthodoxe Spiritualität und Gemeinschaftlichkeit gegen den rationalistischen Individualismus des romano-germanischen Europa in Stellung gebracht wird, ist in den 1920–1930er Jahren von namhaften russischen Intellektuellen, insbesondere von Nikolaj Trubeckoj, Roman Jakobson und Lev Karsavin entwickelt und in jüngerer Zeit von Alexander Dugin auf gegriffen worden. Allerdings nimmt Dugin, wie Höllwerth zeigt, durch seine Position zur russisch-orthodoxen Kirche zugleich tiefgreifende Veränderungen der eurasischen Ideologie vor. Mehr noch: Seit den 1990er Jahren propagiert Dugin einen »Nationalbolschewismus«, in dem unter anderem auch mit Bezug auf Carl Schmitt das westliche Modell der repräsentativen menschenrechtsbasierten Demokratie entschieden abgelehnt wird. Cinzia Sciuto – als Italienerin in Frankfurt lebend und auf Deutsch und Italienisch publizierend – stellt in »Sackgasse Identität« die simple Frage, ob sich Identität als Basis für emanzipatorisches politisches Handeln eigne und verneint diese Frage mit dem Hinweis, dass Herkunft, gemeinsame Sprache und andere identitäre Merkmale uns noch nicht zu politischen Subjekten machen würden. Dazu brauche es Werte, politische Absichten und Ziele. Anders als Randeria, Hagen und Steinhauer, die in der Diffamierung der woken Szene eine systematische Attacke rechtsgerichteter Kreise sehen, hält Sciuto die Kritik an dieser Szene nicht nur für legitim, sondern politisch für notwendig. Andrzej Gniazdowskis Text »Die Diktatur des Heimischen« gibt reichlich Aufschluss über »Polens Sonderweg« in die Moderne. Ausgehend von aktuellen innenpolitischen Positionen gelingt es Gniazdowski anschaulich zu machen, dass das ambivalente Verhältnis Polens zur europäischen Moderne von polnischen Intellektuellen seit langem intensiv bedacht und diskutiert wird. Er zeichnet die Argumentationsstränge der beiden »Stämme«, des liberalen und des national-konservativen, nach und versucht dadurch die »Anfälligkeit der polnischen Wählerschaft für die Diktatur des Heimischen« verständlich zu machen. Die Suche nach alternativen Ansätzen führt ihn geistesgeschichtlich weit zurück zu Phänomenen wie dem altpolnischen Adelsrepublikanimus, der für ihn belegt, dass das Konstrukt »Pole = Katholik« sich nicht zwangsläufig hätte durchsetzen müssen. Der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe von Polylog versteht sich als bescheidener Beitrag zu einer Debatte, die ohne Zweifel noch intensiv weitergeführt werden muss. Seit den ersten Planungen dieses Heftes haben sich bekanntlich die weltpolitischen Ereignisse, vor allem durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die vornehmlich von Frauen initiierten Massenproteste im Iran, überschlagen. Wir bedanken uns daher in besonderer Weise bei allen Autor:innen, die wie selten zuvor gezwungen waren, ihre Beiträge gleichsam auf »offener See« inmitten noch unabge schlossener, extrem konfliktiver Entwicklungen zu erarbeiten.
Aktualisiert: 2023-02-02
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Marx interkulturell

Marx interkulturell von Allen,  Amy, Boteva-Richter,  Bianca, Dunaj,  L'ubomír, Graneß,  Anke, Landa,  Ivan, Metz,  Thaddeus, Nakata Steffensen,  Kenn, Örnek,  Yusuf, Saal,  Britta, Shorny,  Michael
Bianca Boteva-Richter und Ľubomír Dunaj (Herausgeber:innen) Marx interkulturell Einleitung Gerade jetzt über historische oder zeitgenössische Rezeptionen bzw. Weiterführungen der marxschen Theorie in verschiedenen Teilen der Welt zu forschen, mag vielleicht etwas erstaunen oder gar als unpassend empfunden werden. Denn trotz vieler Versuche, nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008–2009 in mehreren westlichen Ländern, den Marxismus wieder lebendig zu machen, kann heutzutage (oft aus guten Gründen) eher ein Abflauen des allgemeinen Interesses an »revolutionären Problemlösungen« festgestellt werden. Es kann zugleich kaum die Rede davon sein, dass die marxistischen Gedanken in den letzten Jahrzehnten in der nicht-westlichen Welt große Konjuktur erlebt hätten, eher im Gegenteil; der globale Kapitalismus in seiner neoliberalen Ausformung erobert weite Teile der Welt. Es ist ebenso nicht leicht abzuschätzen, ob in den Staaten, die sich offiziell immer noch auf die marxschen Lehre beziehen, wie etwa China, Vietnam oder Kuba, die Beziehung zwischen den regierenden Parteien und den marxschen Gedanken noch authentisch genannt werden kann. Dennoch sind die geschichtlichen Wege des Marxismus, sowie die Relevanz bestimmter marxscher Ideen immer noch von ungebrochener Aktualität und Intensität. Hinzu kommt eine spannende, aber zugleich oft grausame Faktizität, die mit bestimmten Ländern und Gesellschaften verbunden ist: Befinden sich doch derzeit zwei der Nachfolgerstaaten der ehemaligen Sowjetunion – Russland und Ukraine – im Krieg. Das sind gerade eben jene Staaten, die früher als Ideenanwender des Marxismus-Leninismus und somit als ein gescheiterter Versuch gelten, ein humanistisches Projekt zu realisieren. Es könnte zwar hier eingewandt werden, dass der heutige Krieg nichts damit zu tun hätte bzw. dass die Probleme bereits ganz zu Anfang an der »Ehe« zwischen dem Marxismus und den älteren russischen imperialen Tradi­tionen, festgemacht werden könnten. [Fußnote 1: Die Komplexität der heutigen Geoproblematik kann und soll in dieser Einleitung nicht zur Gänze erörtert werden. Die Hinweise dienen vielmehr als Reflexionsanregungen. Mehr zur komplexen Beziehung zwischen dem Marxismus und den russichen kulturellen, politischen und philosophischen Traditionen siehe u.a. Arnason, Johann P.: The Future That Failed. Origins and Destinies of the Soviet Model. New York: Routledge 1993.] Oder aber auch, dass die Periode der Perestrojka, die als ein »chaotischer und naiver Versuch« die Sowjetunion zu reformieren, als Initiation dessen vermutet werden sollte. Wer weiß. So oder so, mit dem enormen Einfluss auf die Weltgeschichte, den der Marxismus in fast zwei Jahrhunderten ausgeübt hat, ist es unausweichlich geworden, diese Philosophierichtung, ihre Vertreter:innen, sowie ihre unterschiedlichen methodischen Ableger, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Aus diesen Gründen wird hier ein bescheidener Exkurs in vier Weltregionen unternommen, der einen kurzen Umriss und eine Skizze, aber keine allumfassende Diagnose des Phänomens Marxismus anbieten will. Dies zu tun ist jenseits der o. g. Gründen aber auch deshalb wichtig, weil ein humanistisches Projekt eben ein humanistisches Projekt ist, trotz gescheiterter Versuche, es in die Realität umzusetzen. Oder gerade deswegen. Unser Bemühen, marxsches Denken, seine Rezeption sowie Weiterentwicklung in einigen Teilen der Welt abzubilden, soll zeigen, dass es sich lohnt, immer noch und immer wieder die Ideen von sozialer Gleichheit, gerechten Produktionsbedingungen, ja vom Menschen an sich in unterschiedlichen Denkmodi und unter Bezugnahme außereuro­päischer Modelle nachzuzeichnen. Unsere Polylog-Ausgabe beginnt mit einem Beitrag, der marxsches Denken in Richtung race und Klasse weiterführt und somit der von eini­gen dekolonialen Theoretiker:innen kritisierten Indifferenz der marxschen Theorie zu widersprechen versucht. Amy Allen untersucht einen Text des afro-amerikanischen Theoretikers DuBois, der durch »die Umdeutung der Sklavenbefreiung in eine (vorübergehend) erfolgreiche Arbeiterrevolution die Marx’sche Geschichtsphilosophie ins Wanken [bringt], insbesondere die Auffassung, dass der historische Wandel durch die ambivalente, krisenhafte und widersprüchliche, aber dennoch fortschrittliche Entwicklung und Expansion der Produktionskräfte angetrieben wird«. Durch diese Umdeutung und durch die Analyse der Verbindung zwischen Fortschritt, Arbeiteraufstand und Aufstand der Sklav:innen wird die Behauptung von Marx, dass nur der industrielle Fortschritt und und die damit einhergehende schlechte und ausbeuterische Arbeitsbedingungen einen Arbeiter:innenaufstand initiieren und einen Systemwechsel herbeirufen können, widerlegt. Denn Fortschritt ist nicht gleich Fortschritt, und der Aufschrei gegen die Ausbeutung ist nicht a-kulturell, da hat sich nicht nur der junge Marx geirrt. Später, als »Marx ein entschiedener und lautstarker Befürworter der Sklaven­emanzipation« wird, untersucht die Autorin, ob das marx­sche Denken ein »kritische[s] Bewusstsein für die Unmenschlichkeit, Brutalität und Ungerechtigkeit der Sklaverei und deren zentrale Rolle bei der Entstehung des Kapitalismus letztlich mit Marx’ zutiefst ambivalenter und doch entschieden am Fortschritt orientierten Lesart der Geschichte« schaffen kann. Darüber hinaus zeigt die Autorin auf, dass »DuBois’ Black Reconstruction als ein innovatives Beispiel der marxistischen Tradition [gedeutet werden kann, da] DuBois’ Werk diese Tradition radikal von innen heraus [transformiert], indem die Sklaverei in den Mittelpunkt der Entstehungsgeschichte des Kapitalismus gestellt wird. Auf diese Weise bietet er uns ein hilfreiches Modell, um die Kapitalismuskritik von der Marx’schen Geschichtstheorie mit ihrem noch fortbestehenden Eurozentrismus und Fortschrittsdenken abzulösen«. Neue Lesearten marxschen Denkens bietet auch der historisch reflektierte Beitrag von Ivan Landa; er bietet etwas, was uns bekannt erscheint, und doch so ferne liegt: eine mitteleuropäische Introspektion in die äußerst kreative Entwicklung marxschen Denkens, die die Verschränkung von Marxismus und Christentum im tschechischen Denken aufzeigt und gar neue denkerische Kraft im negativen Platonismus, im emanzipatorischen Platonismus, im nichtreligiösen/sekulären Christentum und vielen anderen Richtungen entfaltete. Die dabei entstandenen »Debatten, z. B. über Imagination, menschliche Kreativität, Revolution, Kultur, Moral oder den Sinn des Lebens« wurden durch die Verschränkung von Theismus und Atheismus stark beeinflusst. Denn »Marx verstand [zwar] Religion primär als kritische Reaktion der Menschen auf die herrschenden sozialen Verhältnisse und zugleich als Ausdruck des Bedürfnisses, eine bessere soziale Ordnung zu errichten« doch gerade seine Feststellung »Religion sei Opium des Volkes« trieb Reflexionen und Debatten voran, die ihresgleichen suchen: die Verortung der Religion in einer sozialistischen Gesellschaft, das herbeigesehnte »natürliche« Absterben der ersten, sowie der scheinbar »selbstverständliche« Triumph der letzteren wurden von der sozialen Entwicklung mehrmals überholt und infrage gestellt. Das trieb die Denker:innen voran und zwang sie zu philosophischen Erklärungen der Wirklichkeit, wobei »[d]ie Hauptfrage […] jedoch dieselbe [blieb]: Wie ist es nach der sozialen Revolution überhaupt möglich, dass die Religion dem Absterben derart trotzen kann? Eine damals weitverbreitete Antwort lässt darauf schließen, dass die Tendenz, den sozialen Verhältnissen hinterherzuhinken, für das soziale Bewusstsein charakteristisch ist. Religion überlebt, weil die Strukturen des religiösen Bewusstseins der sozialen Veränderung widerstehen.« Um jedoch auf die Feststellung zu Anfang der Einleitung zurückzukommen, dass das Marxistische oder marxsche Denken nicht nur unterschiedliche Realitäten, gescheiterte faktische Versuche und Neuanfänge überlebt hat, kann festgestellt werden, dass die Rezeption und die Weiterentwicklung in vielen Teilen der Welt Gemeinsamkeiten aufweisen, aber auch kulturell unterschiedlich sind; sie werden zudem durch die kulturellen Aspekte und Praktiken des jeweils Anderen bereichert und erneuert. Der Artikel über die marxsche philosophische Anthropologie des japanischen Denkers Miki Kiyoshi kann in dieser Hinsicht exem­plarisch angeführt werden. Dabei geht es nicht nur darum einen neuen Typus von Menschen als Arbeiterakteur:in vorzustellen, denn »Mikis ›marxsche Anthropologie‹ stützte sich auf den frühen Marx, um die Entstehung des subjektiven Bewusstseins und die Transformationsprozesse der Ideologie im Dialog mit der Kyoto-Schule und der nichtmarxistischen, vor allem deutschen Philosophie zu erklären.« Der Versuch war und ist nicht unumstritten, forderte er doch das damalig dialektisch vereinfachte Denken durch eine tiefe sensible Analyse des menschlichen Daseins aus marx­scher Perspektive heraus. Erstaunlich, und auch beängstigend ist, dass das schwarz-weiß plakative Denken von damals genauso wie heute in einfachen Parabeln reflektiert wird. Dies führt dazu, dass die Tableaus kippen und linke Protagonisten mühelos ins Rechte Eck wechseln. Die Situation, die der Autor Kenn Nakata Steffensen bildlich beschreibt, könnte direkt auf die heutige Situation in Russland bzw. der dortigen Politik umgelegt werden. Dieser Artikel ist insofern interessant, als es im deutschsprachigen Raum noch keinen derart ausführlichen und reflektierten Artikel über den japanischen Denker Miki gibt. Der letzte Beitrag in der Marx-Nummer unserer Zeitschrift Polylog vergleicht Marx’ normative Vorstellungen vom menschlichen Wesen, insbesondere aus dessen frühen Schriften, mit typischen Merkmalen einer afrikanischen Ethik, wie sie von afrikanischen Philosoph:innen der Gegenwart konzipiert wird. Bemerkenswert dabei ist, dass auch aus afrikanischer denkerischer Sicht von einem extendierten relationalen Subjekt ausgegangen wird, in dem das Ich mit dem Wir verwoben ist. Dies ähnelt (und das sagt auch der Autor selbst) nicht nur einer aristotelischen sondern auch konfuzianistischen Tradition, die ihrerseits auch im Artikel über den japanischen Marxismus eine Rolle spielt. Im subsaharischen Afrika wird diese These als ein Konzept der Selbstverwirklichung oder als Möglichkeit, eine vollständige Person zu werden, behandelt. Afrikanische Werte gehen vom erweiterten Verständnis des Selbst aus und definieren in weiterer Folge, was »Freundschaft«, »Harmonie«, »Zusammenhalt« und »Kommunalität« bedeuten. Die Gemeinschaft, ein wichtiges Konstrukt marxschen Denkens, bekommt somit eine neue Nuance, über die es sich zu reflektieren lohnt. Denn »von jedem Mitglied wird erwartet, dass es sich als integraler Bestandteil des Ganzen betrachtet und eine angemessene Rolle spielt, um das Wohl aller zu erreichen.« Zum Schluss sei nur erwähnt, dass wir uns wohl bewusst sind, nur einen kurzen Umriss marxschen Denkens, der Rezeption oder Weiterführung in unterschiedlichen Teilen der Welt aufgezeigt zu haben. Es gibt zahlreiche Werke [Fußnote 2: Z. B. Fornet-Betancourt, Rául: Ein anderer Marxis­mus? Die philosophische Rezeption des Marxismus in Lateinamerika. Mainz: Grünewald Verlag 1994 und viele andere., die exemplarisch aufzeigen wie komplex, tiefgreifend und kontinuierlich beispielsweise die Rezeption marxschen Denkens in den verschiedenen Ländern Lateinamerikas ist. Aber das ist eine andere Geschichte, die aufgrund der ungeheuren Fülle, gesondert erzählt werden muss. Viel Freude beim Lesen!
Aktualisiert: 2022-09-01
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Geschichten der Philosophie in globaler Perspektive

Geschichten der Philosophie in globaler Perspektive von Arisaka,  Yoko, Elberfeld,  Rolf, Graneß,  Anke, Greco,  Francesca, Herzl,  Namita, Krings,  Leon, Park,  Sool, Shorny,  Michael, Wang,  Zhuofei
Anke Graneß Geschichten der Philosophie in globaler Perspektive Einleitung Das Schwerpunktthema dieser Polylog-Ausgabe widmet sich ersten Forschungsergebnissen des seit April 2019 an der Universität Hildesheim laufenden Reinhart-Koselleck-Projekts der DFG »Geschichten der Philosophie in globaler Perspektive«. Aufbauend auf Vorläuferarbeiten sowohl zur kritischen Untersuchung der Geschichte der (europäischen) Philosophiegeschichte [Fn 1: Wimmer: Interkulturelle Philosophie; Schneider: Die Vergangenheit des Geistes; Park: Africa, Asia, and the history of philosophy.] (siehe dazu der Beitrag von Elberfeld in diesem Band) als auch bereits bestehenden ersten Versuchen einer globalen Philosophiegeschichtsschreibung (siehe dazu u. a. der Literaturbericht von Herzl) sowie einer bisher vor allem in den Regionalwissenschaften und Philologien entstandenen Tradition regionaler Philosophiegeschichtsschreibung (z. B. Indiens, Chinas oder der islamischen Welt), wurde dieses Projekt von Rolf Elberfeld ins Leben gerufen, um auf einen bis heute bestehenden blinden Fleck in der Disziplin der Philosophiegeschichte aufmerksam zu machen und diesen einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen: die Marginalisierung außereuropäischer Philosophietraditionen in der europäischen Philosophiegeschichtsschreibung sowie die beinahe völlige Ignoranz gegenüber Traditionen der Philosophiegeschichtsschreibung in außereuropäischen Sprachen. Eine Philosophiegeschichtsschreibung, die sowohl den globalen und interkulturellen Verflechtungen philosophischer Traditionen als auch den inzwischen deutlich an alle Wissenschaften herangetragenen Forderungen nach einer Dekolonisierung von Forschung und Lehre gerecht werden will, kann nicht unreflektiert die philosophiegeschichtlichen Erzählungen der letzten zweihundert Jahre fortführen und diesen lediglich einige Beispiele aus anderen Regionen der Welt hinzufügen, so die Grundthese unseres Projekts. Vielmehr müssen jene Mechanismen kritisch untersucht werden, die allererst zum Ausschluss von außereuropäischen Philosophietraditionen ebenso wie von Philosophinnen aus den vorherrschenden Narrativen geführt haben, und methodische Probleme, die sich im Zusammenhang mit einer globalen Perspektive auf die Philosophie und ihre Geschichte neu stellen, gründlich bedacht werden. Dazu gehört eine ganz grundlegende Reflexion auf die Auswirkungen historischer Ereignisse mit globaler Wirkung wie der europäischen Expansion, dem Kolonialismus und der Sklaverei auf philosophische Theoriebildungen innerhalb und außerhalb Europas, die Frage nach dem Status mündlich überlieferter philosophischer Traditionen und Konzepte in der Philosophiegeschichtsschreibung, sowie auf Möglichkeiten der Rekonstruktion des philosophischen Wissens von Frauen in den verschiedenen Regionen der Welt [Fn. 2: Um die Beiträge von Philosophinnen sichtbarer zu machen, wird in allen Beiträgen zum Schwerpunkt dieser Polylog-Ausgabe eine gendergerechte Schreibweise praktiziert.] (dazu in dieser Ausgabe ausführlicher Graneß). Ebenso dringend ist die Auseinandersetzung mit Traditionen der Philosophiegeschichtsschreibung außerhalb Europas. Als Voraussetzung dafür führt das Team des Koselleck-Projekts seit zwei Jahren eine umfassende Literaturrecherche zur Philosophiegeschichtsschreibung in möglichst vielen Sprachen der Welt durch, im Moment in über zwanzig europäischen und außereuropäischen Sprachen. Als primäres Auswahl- und Ordnungskriterium zur Erschließung philosophiehistorischer Literatur weltweit wurde die Vielfalt der Sprachen gewählt – und nicht (wie gemeinhin üblich) regionale oder nationale Einteilungen –, da einzelne Sprachen jeweils einen eigenen Diskursraum der Philosophiegeschichtsschreibung bilden, der wiederum mit anderen Sprachen verflochten ist und sich nicht mit regionalen oder nationalen Grenzen deckt. Aufbauend auf Projekten zur Geschichte der Philosophiegeschichtsschreibung, wie Lucien Brauns Geschichte der Philosophiegeschichte (1973) und Giovanni Santinellos Storia delle storie generali della filosofia (1979–2004; dazu Greco in diesem Band), wurde eine umfangreiche Datenbank angelegt, die aufgrund der heutigen digitalen Möglichkeiten nicht nur bibliografische Angaben philosophiehistorischer Werke versammelt, sondern zugleich deren Inhaltsverzeichnisse und (wenn vorhanden) digitalisierte Volltexte in öffentlichen Online-Archiven zugänglich macht. Ein großer Teil der bisherigen Ergebnisse der Literaturrecherche wurde über die Homepage unseres Projekts der Öffentlichkeit bereits zur Verfügung gestellt. [Fn. 3: Zusätzlich erscheinen in Zukunft kommentierte Printversionen der gesammelten Bibliographien in einzelnen Sprachen. Den Anfang macht die folgende bibliographische Sammlung: Leon Krings/Yoko Arisaka/Tetsuri Kato (eds.): Histories of Philosophy and Thought in Japanese Language. From 1835 to 2021. Hildesheim: Olms Verlag 2022. (Forthcoming) Kommentierte Printversionen der Bibliographien in koreanischer und italienischer Sprache sind in Vorbereitung.] Gemeinsam mit dem Center for Humanities and Digital Research (CHDR) der University of Central Florida (USA) wird inzwischen am Aufbau einer durchsuchbaren Datenbank gearbeitet, die die wissenschaftliche Nutzung der gewonnenen Daten weiter vereinfachen und vertiefen wird. Der wichtigste Punkt ist jedoch, dass unsere Recherche über den Horizont europäischer Sprachen hinausgeht und nun erstmals umfangreiche bibliografische Sammlungen aller bisher veröffentlichen philosophiegeschichtlichen Werke, von den Anfängen der Philosophiegeschichtsschreibung bis ins 21. Jahrhundert, in ausgewählten außereuropäischen Sprachen dokumentiert werden. Möglich wurden diese detaillierten Forschungen mithilfe einer internationalen Forschungsgruppe bestehend aus acht Forscher*innen aus sechs Nationen, sowie einer Reihe freier Mitarbeiter*innen, die – von China bis Brasilien – vor Ort entsprechende Recherchen übernahmen. Zu den beforschten außereuropäischen Traditionen der Philosophiegeschichtsschreibung gehören die Traditionen auf Arabisch, Chinesisch, Indonesisch, Japanisch, Koreanisch, Persisch, Sanskrit, Tibetisch und Türkisch. Der Umfang des in diesen Sprachen bisher zusammengetragenen Materials hat uns zum Teil ebenso überrascht wie der frühe Beginn der Tradition der Philosophiegeschichtsschreibung in einigen Sprachen. Das bedeutet in der Konsequenz, dass zukünftige Forschungen zum Beginn der Philosophiegeschichtsschreibung nicht mehr allein in der griechischen Tradition ansetzen können. Das gleiche gilt für alle folgenden Jahrhunderte. Einen Einblick in Beispiele früher philosophiegeschichtlicher Werke aus China gibt in diesem Band Zhuofei Wang; Sool Park führt in einige wesentliche Aspekte der Philosophiegeschichtsschreibung in Korea ein. Zusammengetragen wurden ebenfalls erste Ansätze einer globalen Philosophiegeschichtsschreibung in verschiedenen europäischen und außereuropäischen Sprachen. Einige ausgewählte jüngere Beispiele aus europäischen Sprachen werden im Literaturbericht von Namita Herzl vorgestellt. Überraschend war für uns, dass globale und verflechtungsgeschichtliche Ansätze der Philosophiegeschichtsschreibung auf Japanisch bereits eine hundertjährige Tradition haben, wie der Beitrag von Leon Krings in dieser Ausgabe deutlich macht. Gerade Krings’ Aufsatz verweist damit zugleich darauf, wie eurozentrisch geprägt selbst eine globale Perspektive auf die Philosophiegeschichte bis heute noch immer ist, wird nach Ansätzen einer globalen Philosophiegeschichte oder Weltgeschichte der Philosophie in anderen Regionen der Welt oder außereuropäischen Sprachen gemeinhin doch nicht einmal gefragt. Ein weiterer, auf unserer Webseite noch im Aufbau befindlicher, Schwerpunkt unserer Forschung ist das Zusammentragen von internationalen Beispielen von Lehrplänen und Forschungsschwerpunkten, die deutlich eine interkulturelle bzw. globale Perspektive auf die Philosophie und ihre Geschichte zeigen. Dass die USA in dieser Hinsicht zu einem Vorreiter geworden sind, zeigt der Beitrag von Yoko Arisaka in diesem Band zu den bereits vor zwanzig Jahren initiierten Maßnahmen der Diversifizierung an Philosophieinstituten in den USA. Diese Ausgabe des Polylog bietet somit Einblicke in die Breite der Forschungsschwerpunkte sowie erste Ergebnisse des Reinhart-Koselleck-Projekts »Geschichten der Philosophie in globaler Perspektive«. Vertiefende Publikationen sind derzeit bereits im Entstehen. Neue Entwicklungen und Publikationen können Sie auf der folgenden Seite weiterverfolgen: https://www.uni-hildesheim.de/histories-of-philosophy/publikationen/ Literatur Braun, Lucien: Geschichte der Philosophiegeschichte. Übers. v. Franz Wimmer, bearbeitet und mit einem Nachwort versehen von Ulrich Johannes Schneider. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990. [Orig.: Histoire de l’histoire de la philosophie. Paris: Ophrys, 1973] Elberfeld, Rolf: Dekoloniales Philosophieren. Versuch über philosophische Verantwortung und Kritik im Horizont der europäischen Expansion. Hildesheim: Olms Verlag, 2021. Park, Peter K. J.: Africa, Asia, and the history of philosophy: racism in the formation of the philosophical canon, 1780–1830. Albany, NY: State University of New York Press, 2013. Santinello, Giovanni (Hrsg.): Storia delle storie generali della filosofia. 5 Vol. Brescia: La scuola / Padova: Antenore, 1979–2004. Schneider, Ulrich Johannes: Die Vergangenheit des Geistes: eine Archäologie der Philosophiegeschichte. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1990. Wimmer, Franz M.: Interkulturelle Philosophie. Geschichte und Theorie. Wien: Passagen Verlag, 1990.
Aktualisiert: 2022-01-20
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Kritische Entwicklungstheorie und Interkulturelle Philosophie im Dialog

Kritische Entwicklungstheorie und Interkulturelle Philosophie im Dialog von Dömötör,  Jessica, Estermann,  Josef, Gmainer-Pranzl,  Franz, Grieshofer,  Alexandra, Hegasy,  Sonja, Kleibl,  Tanja, Koch,  Susanne, Schellhammer,  Barbara, Schöneberg,  Julia, Segato,  Rita Laura, Shorny,  Michael, Waldmüller,  Johannes M.
Franz Gmainer-Pranzl, Julia Schöneberg Kritische Entwicklungstheorie und Interkulturelle Philosophie im Dialog Einführung Das Projekt interkulturellen Philosophierens ist von Anfang an von einer globalen Perspektive geprägt; es geht darum, »in die philosophischen Diskurse Beiträge aller Kulturen und Traditionen als gleichberechtigte einzuflechten, also nicht bloß vergleichend nebeneinander zu stellen, sondern so in einen offenen gemeinsamen Raum […] zu bringen, dass alle Positionen in diesem Polylog für Veränderungen offen gehalten bleiben« – so das Konzept der Zeitschrift polylog. Die globale Dimension interkulturellen Philosophierens zeigt sich besonders im Bemühen darum, Beiträge von Philosoph*innen aus den Ländern des »Globalen Südens« zu Gehör zu bringen, koloniale Prägungen und neokoloniale Verhältnisse in der philosophischen Arbeit zu kritisieren, ein differenziertes und für globale Dynamiken anschlussfähiges Konzept von »Kultur« auszubilden, (nach wie vor) einfluss­reiche Vorstellungen von »Entwicklung« zu hinterfragen sowie ein hegemonie- und zentrismuskritisches Konzept von »Universalität« zu erarbeiten. Globale Spannungen zwischen Nord und Süd, Strukturen der Diskriminierung und Exklusion, Erfahrungen von Armut und Ausbeutung, die Folgen von Klimawandel und Migration sowie nicht zuletzt prekäre akademische Arbeitsbedingungen prägen auch die Art und Weise, wie Philosophie betrieben wird. In diesem Zusammenhang ist die – durchaus selbstkritische – Erinnerung angebracht, dass Dialog und Kooperation mit Vertreter*innen von Entwicklungspolitik bzw. Entwicklungstheorie in den Anfangsjahren von polylog bzw. WiGiP intensiver waren als heute; vielleicht kann diese Ausgabe polylog 44 wieder den Blick auf eine interdisziplinäre Auseinandersetzung lenken, die, wie wir meinen, für beide Seiten von Gewinn ist. Interkulturelle Philosophie weist eine besondere Nähe zum Problembewusstsein Kritischer Entwicklungsforschung, insbesondere von Post-Development-Ansätzen, auf. Asymmetrische Macht- und Wissensstrukturen kommen hier ebenso in den Blick wie strukturelle und globale Verhältnisse, deren Hegemonialität und Exklusionsdynamik unter Berufung auf »Entwicklung« und »Modernität« gerechtfertigt wird. Auf jeden Fall kann interkulturelles Philosophieren durch die Auseinandersetzung mit sozial-, politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Debatten im Rahmen Kritischer Entwicklungstheorie Entscheidendes lernen, denn Polyloge finden nicht in einem herrschaftsfreien Raum statt, sondern in einer gespaltenen, ideologisch aufgeladenen und machtpolitisch beherrschten Welt; diese Einsicht wurde in den vergangenen Jahren nicht zuletzt durch eine vermehrte Rezeption postkolonialer Kritik ernst genommen, auch in der Zeitschrift polylog. In der Diskussion um Alternativen zur »Entwicklung« hat der Begriff des Pluriversums in den letzten Jahren zunehmend Eingang gefunden. Alternativen zur »Entwicklung« werden in diesem Rahmen nicht länger als Modifikationen zur Verbesserung bestehender und als grundsätzlich normativ akzeptierter Rahmenbedingungen verstanden. Vielmehr geht es um die Vielfalt von Alternativen zur dominanten, eurozentristischen, hegemonialen Welt- und Wissensordnung – von der Universalität zur Pluriversalität. Die Zapatistas, indigene politische Widerstandskämpfer*innen aus dem Süden Mexikos, formulieren dieses Bestreben treffend, wenn sie »eine Welt, in der viele Welten Platz haben«, beschreiben. Konkret bedeutet dies die Notwendigkeit für respektvolle und horizontale Dialoge, Polyloge, die nicht nur sozio-politische Fragen einschließen, sondern auch auf ontologischer und epistemologischer Ebene die Frage stellen, was ein »gutes Leben« für Menschen jeweils bedeutet und wie dies für alle möglich sein kann. Diese Fragen nach der Essenz des Seins, des Wissens und der Erkenntnis sind im Kern philosophischer Art und ein direkter und vielversprechender Ansatzpunkt für die Bestrebungen interkulturellen Philosophierens. Polyloge sind stets für alle Beteiligten (her­aus-)fordernd und ungewohnt. Sie verlangen die Bereitschaft zum gegenseitigen Sich-Einlassen auf unterschiedliche Wissenszugänge, Denk- und Argumentationslinien. Dies wurde uns auch bei der Erarbeitung von polylog 44 bewusst. Auch wenn gemeinsame Fragen und Perspektiven bestehen und in einzelnen Bereichen interdisziplinäre Lernprozesse erfolgen, so ist die methodische Herangehensweise doch unterschiedlich. Diese Spannung zwischen philosophischer und sozialwissenschaftlicher Methodik ist auch in den Beiträgen von polylog 44 bemerkbar und soll nicht weggewischt werden; das Ziel eines Polylogs ist nicht die unbedingte Übereinstimmung und harmonische Ergänzung, sondern eine fruchtbare, wenn auch manchmal anstrengende Auseinandersetzung sowie eine wechselseitige Herausforderung mit Blick auf die eine Welt, in der viele Welten Platz haben und in der wir gemeinsam leben. Tanja Kleibl und Barbara Schellhammer führen in ihrem Beitrag über »Sozialen Wandel als Gegenstand des Dialogs zwischen Interkultureller Philosophie und Kritischer Entwicklungstheorie« eine praktische Auseinandersetzung, an deren Ende eine produktive Synthese steht. So argumentieren sie, dass sozialer Wandel als Konzept und Praxis eben nicht universalistisch zu beschreiben und anzuwenden sei, sondern dass die interkulturelle Philosophie einen wichtigen Beitrag leiste, um das Phänomen des sozialen Wandels unter Berücksichtigung unterschiedlicher kultureller Voraussetzungen und Grenzerfahrungen zu verstehen. Josef Estermann zeigt die philosophischen und politischen Voraussetzungen des Begriffs »Entwicklung« auf und stellt – in kritischer Abgrenzung zum Konzept »globales Lernen« – den Ansatz des »weltweiten Lernens« vor, der auf der Gegenseitigkeit eines Lern- und Lehrprozesses als eines unabgeschlossenen Geschehens beruht und eine Auseinandersetzung mit anderen Epistemologien, Wertesystemen und Rationalitäten ermöglicht. Alexandra Grieshofer schreibt »Zur Hegemonie von Denken und Sein im Spannungsfeld von Entwicklung und Alterität«. Aus Sicht der (kritischen) Entwicklungsforschung stellt sie klar, dass diese sich nicht nur mit ihren eigenen Begrifflichkeiten, Prämissen und Denkformen auseinandersetzen, sondern sich auch historischer und kultureller Konstruktionsleistungen im Kontext von Machtverhältnissen bewusst werden muss. Die Reflexion westlich-hegemonialer Episteme und Repräsentationssysteme beschreibt sie als die relevante Schnittmenge kritischer Entwicklungsforschung und interkultureller Philosophie, die gleichermaßen ohne eine radikal postkoloniale Basis nicht denkbar ist. In ihrem Beitrag »Interkulturelle Wirtschaftsethik als Ansatz zur Überwindung des Entwicklungsparadigmas« blickt Jessica ­Dömötör auf das Fortbestehen kultureller und (wirtschafts-)politischer imperialer Strukturen. Sie fordert eine interkulturell orientierte Wirtschaftsethik, die ein Gestaltungsrecht des eigenen (ökonomischen) Umfelds ermöglicht. Am Beispiel des Widerstands von Afro­ecuadorianer*innen gegen die zentralstaatliche Politik des »Buen Vivir«-Regimes zeigt Johannes Waldmüller, wie das vermeintlich »Lokale« dieses afropazifischen Protestes an der Peripherie des Staates zum Zentrum eines Prozesses des Umdenkens globaler Machtverhältnisse unter dekolonialen und ökologisch-interkulturellen Vorzeichen wird. Zugleich zeigt diese Widerstandsbewegung, wie sehr die ecuadorianische Politik trotz ihrer Berufung auf kritische Entwicklungstheorie und Interkulturalität in neukoloniale Strukturen und paternalistische Denkmuster zurückfiel. Auch Susanne Koch zeigt einen Selbstwiderspruch in der Praxis der »Entwicklungs-«Zusammenarbeit auf, den sie als »epistemische Ungerechtigkeit« bezeichnet. Während »Entwicklungsexpert*innen« aus dem Globalen Norden Kompetenz und Erfahrung zugesprochen wird, erscheinen lokale Expert*innen als weniger fähig, einen Beitrag für ihre eigene Gesellschaft zu leisten. Diese Vorstellung einer Superiorität und Universalität von Wissen, das in Europa bzw. Nordamerika produziert wird, stellt ein aktuelles und brisantes Problemfeld im Diskurs zwischen Kritischer Entwicklungstheorie und interkultureller Philosophie dar. Kritische Perspektiven auf »Entwicklung« setzen ein fundamentales Hinterfragen globaler Macht- und Wissensordnungen voraus. Welches Wissen wird als legitim anerkannt? Wer sind die Expert*innen? Wie wird Wissen über globale Zusammenhänge, Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten produziert und konstruiert? Die vorliegenden Beiträge haben trotz ihrer unterschiedlichen Zugänge eine Gemeinsamkeit: sie machen deutlich, dass die Auseinandersetzung über die Frage, was ein gutes Leben für alle ausmacht, nur als Polylog geführt werden kann. Die Vielfalt epistemologischer und ontologischer Grundannahmen aus unterschiedlichen Teilen der Welt widerspricht monologischen bzw. kolonialen Ansprüchen auf »Universalität« und fordert dazu heraus, Globalität im Sinn von »Pluriversalität« zu begreifen. Was bedeutet dies für den Dialog – den Polylog – zwischen Interkultureller Philosophie und Kritischer Entwicklungstheorie? Zunächst einmal setzt dieser Polylog interdisziplinäre Offenheit voraus und die Bereitschaft, voneinander zu lernen; in diesem Zusammenhang spielt das Verhältnis von sozialwissenschaftlich-empirischen und philosophischen Methoden eine entscheidende Rolle. In unserem speziellen Kontext einer deutschsprachigen Publikation mit einem großen Anteil an weiß gelesenen Autor*innen wird die Frage nach reziproker Offenheit, Lernbereitschaft und Interdisziplinarität aber noch viel konkreter: Welche Rolle spielen »wir« in diesem Pluriversum des Wissens, wie können wir Privilegien fruchtbar nutzen, um Asymmetrien globaler Wissensordnungen zu verringern und letztendlich dazu beitragen, dass »unsere« Welt eine von vielen Welten wird – nicht mehr und nicht weniger.
Aktualisiert: 2021-03-11
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Interkulturelle und dekoloniale Perspektiven auf feministisches Denken

Interkulturelle und dekoloniale Perspektiven auf feministisches Denken von Baumann,  Benjamin, Maria,  Lugones, McFadden,  Patricia, Néspolo,  Jimena, Nkiru,  Nzegwu, Schirilla,  Nausikaa, Shorny,  Michael, van der Zweerde,  Evert
Nausikaa Schirilla Einführung Was hat interkulturelles Philosophieren mit feministischem Denken und Gender-Debatten zu tun? Aus der feministischen Kritik vor allem der zweiten Frauenbewegung und den gender studies ergaben sich viele Fragen an die und in der Philosophie: Für feministisches Philosophieren in Europa und dem angelsächsischen Raum spielten lange Zeit Themen wie eine Kritik der Vernunft als männlich dominiertem Begriff, Philosophie der Geschlechterdifferenz, »weibliche« Moral, care etc. eine zentrale Rolle. Die in den achtziger Jahren vor allem von Judith Butler eingebrachte Infragestellung der Homogenität weiblich konnotierter Erfahrungen und der Universalität des Zwei-Geschlechtermodells führten zu einer verstärkten Rezeption poststrukturalistischer Ansätze. Feministisches Philosophieren, beispielsweise vertreten von Autorinnen wie Nagl-Docekal, Klinger, Irigaray, Gilligan, Tronto, formulierte in all seiner Diversität ein großes Fragezeichen hinsichtlich der Geschlechtsneutralität von Philosophie und insbesondere von Begriffen wie Vernunft, Subjekt, Autonomie, Identität. Feministische Philosophie richtete sich ähnlich wie interkulturelles Philosophieren am Rande des philosophischen Mainstreams ein und wurde so randständig etabliert. Aber Philosophinnen brachten früh Fragen wie Rassismus und (Neo-)kolonialismus in philosophische Debatten zu Feminismus und Gender ein. Sie wiesen auf normierende und rassifizierte Gender-Konstruktionen und auf die Reproduktion globaler Machtverhältnisse auch innerhalb der feministisch orientierten Bewegungen hin. Die Universalität analytischer Konzepte wie Patriarchat und Gender wurde ebenso in Frage gestellt wie die Universalität normativer Begriffe wie Emanzipation, Geschlechtergerechtigkeit etc. Im Grunde genommen erfolgte eine ähnliche Denkbewegung wie die des feministischen Philosophierens, nämlich eine Infragestellung scheinbarer neutraler Kategorien und ihre Dekonstruktion als partikular und machtbezogen. Auch die oft geleugnete Kulturgebundenheit westlicher feministischer Denkerinnen wurde kritisiert. Regionale, religionsbasierte wissenschaftskritische und vor allem postkoloniale und dekoloniale Ansätze weisen auf die den Kolonialismus legitimierende Funktion von Frauenbefreiungsdiskursen hin, stellen globale Konzepte wie Gender oder Geschlechtergleichheit in Frage und verweisen auf alternative Geschlechterkonstruktionen wie alternative Modelle des Geschlechterverhältnisses und andere, neue Quellen verändernden Denkens. Wichtig waren auch Versuche, die strukturelle Verquickung von Geschlechterverhältnissen mit kolonialer Gewalt, Heteronormativität und anderen Differenzen neu zu denken. Die vor allem in den Sozial- und Literaturwissenschaften vollzogene Anwendung dekolonialer und postkolonialer Kritik auf Gender- Debatten und feministisches Denken muss noch stärker philosophisch weiterentwickelt werden. Reflexionen auf exkludierende Konzeptionen des Wissens eröffnen auch neue Blicke auf philosophische gender-/frauenrelevante oder indigene Denktraditionen jenseits dessen, was in »westlicher« Perspektive als emanzipatorisch oder befreiend gilt und als in mehrfacher Hinsicht marginalisiertes Denken. Diese Denkansätze gehen oft auch einher mit realen Kämpfen um Autonomie, um Land, gegen Umweltzerstörung, für communities etc. Aus der Perspektive weiblich konnotierter Verantwortlichkeiten wurden auch neue Gegenstandsbereiche interkulturellen Philosophierens eröffnet, wie beispielsweise Heilung, Leiden, Schweigen etc. und des Weiteren wurden feministische Theorien im Kontext anderer Zivilisationen, wie beispielsweise islamischer Feminismus, weiterentwickelt. Die letzte Nummer von polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren zu einem »Frauenthema« erschien 1999 (polylog Nr. 4) und widmete sich unter dem Titel: »Frau und Kultur« der Frage der Kulturalisierung und Kolonialisierung von Differenz. Die aktuelle Nummer soll die eingangs erwähnten Debatten weiterführen und bringt Beiträge aus einer Zeitspanne der beiden letzten Jahrzehnte. Sie gibt auf der einen Seite einen kleinen Einblick in die Vielfalt von Debatten zu Feminismus und Geschlechtergerechtigkeit in den Ländern des globalen Südens. Dies leisten die Artikel von Patricia Mc Fadden und Jimena Néspolo. Beide Beiträge stellen jeweils eine Momentaufnahme feministischen Denkens in einem Kontext des globalen Südens dar. Sowohl auf dem afrikanischen Kontinent als auch in Lateinamerika gibt es viele andere Ansätze – viele, die auch das Attribut feministisch ablehnen und neue Konzepte wie »womanism« kreieren oder sich auf im globalen Süden doppelt unterdrückte indigene Traditionen beziehen. Einen Überblick über feministisches Denken weltweit gibt das im Rezensionsteil besprochene Buch von Graness, Kopf und Kraus. Auf der anderen Seite thematisiert diese Nummer die dekoloniale und postkoloniale Herausforderung für feministisches Denken. Wir haben daher einen programmatischen Text der feministischen Philosophin Maria Lugones übersetzt und bringen einen Beitrag von Nkiru Nzwegwu, einer der wichtigsten Kritikerinnen der Universalität des Gender-Konzepts. Patricia McFadden hält in ihrem Beitrag ein leidenschaftliches Plädoyer für die Bedeutung sexueller Freiheit und sexuellen Genusses im Kontext eines afrikanischen Feminismus. Ihre Position ist inspiriert von Schriften afro – amerikanischer Denkerinnen wie Audre Lorde; sie betrachtet sexuellen Genuss und Freiheit als ein befreiendes Element und kritisiert Debatten und auch gesetzliche Regelungen, die die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen einschränken, insbesondere im Kontext der Reaktion auf die HIV-Pandemie. Jimena Néspolo debattiert die für den lateinamerikanischen Kontext eminent wichtige Frage des Feminizids und versucht zu ergründen, wieso trotz zunehmender und artikulierter öffentlicher Proteste dieser nicht zurückgeht und sucht die Erklärung dafür eher auf der Ebene des Symbolischen. Der weibliche Körper wird ihr zufolge zu einem Objekt medialer Inszenierung, die durch eine spezifische feministische Performanz verstärkt werde. Zu den in interkultureller Perspektive diskutierten Themen gehört auch die Frage, ob die Unterdrückung von Frauen ein universales Phänomen sei. Dies wurde bereits auf dem Hintergrund von queer und gender studies negativ beantwortet, denn die Einheitlichkeit von Frausein und überhaupt Zweigeschlechtlichkeit werden als Konstruktion begriffen und als Zwang zur Normierung von Differenzen, die zwischen Polen fließend verstanden werden sollen. Aber auch der Gender-Begriff wird in seiner globalen Gültigkeit in Frage gestellt. Gender, so argumentieren Autorinnen wie Nzegwu oder Oyewumi, sei ein westliches Konstrukt, der Begriff beruhe auf westlichen Interpretationen der Gesellschaft und stelle letztlich einen partikularen kulturellen Diskurs dar, der nicht auf andere Kulturen oder Gesellschaften zu übertragen sei. Gender sei beispielsweise in einer Analyse der vorkolonialen Yoruba Gesellschaft keine zentrale Kategorie. Soziale Hierarchien wurden entlang anderer Unterscheidungsmerkmale konstruiert, vor allem entlang von Kategorien des Alters beziehungsweise der Seniorität und der Verwandtschaft. Daran knüpft Nkiru Nzegwu in ihrem Beitrag an. Nzegwu begreift Gender als eine imperialistische Kreation in dem Sinne, dass soziale Beziehungen durch Geschlechterbeziehungen hierarchisch überformt seien. Diese Kritik bezieht sie auf die Rezeption afrikanischer Kunst in Europa, um durch diese Kritik hindurch kreative und Handlungspotentiale von Frauen in afrikanischen Gesellschaften freizulegen. In dem Beitrag von Maria Lugones – einer für Feministinnen der Länder des globalen Südens und insbesondere Lateinamerikas extrem einflussreichen Denkerin – geht es um (Neo-)kolonialismus und Dominanz des Gender-Regimes. Lugones beschäftigt vor allem die Frage befreiender Perspektiven in Denken und Handeln in vielfachen Dominanzverhältnissen sowie die Frage danach, wie Handlungsfähigkeit in einem relationalen Sinne im Kontext verschiedener Unterdrückungsmechanismen zu denken sei. Erst im Nachhinein stellen wir fest, dass in dieser Nummer die Frage nach Handlungsfähigkeit im Kontext von Unterdrückungszusammenhängen von allen Autorinnen gestellt wird und ein verbindendes Element in den nach einer anderen Logik ausgesuchten heterogenen Beiträgen darstellt. Vielleicht beinhaltet dies eine wichtige Inspiration für ein Denken in anderen Zusammenhängen. Wenn interkulturelles Philosophieren so verstanden wird, spezifische Denkansätze zu provinzialisieren in dem Sinne, dass eine orts- und kulturgebundene Vielfalt an Konzepten der Philosophie, Vernunft, des Feminismus etc. gedacht wird, dann gilt dies zugleich auch für veränderndes Handeln, Emanzipation etc. – die oft als spezifisch westliche Errungenschaften begriffen werden. Die in dieser Nummer zusammengestellten Beiträge sind nicht alle explizit philosophisch, da die erwähnten Debatten vor allem in den Literaturwissenschaften, Kunsttheorien und Sozialwissenschaften geführt werden. Die Beiträge betreffen zentrale philosophische Fragen und es bleibt zu hoffen, dass diese polylog Nummer dazu beiträgt, interkulturelles Philosophieren zu Gender- und Frauenthemen weiter zu beflügeln.
Aktualisiert: 2020-12-31
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Gesundheit und Heilung

Gesundheit und Heilung von Angermeier,  Vitus, Baatz,  Ursula, Estermann,  Josef, Peikert,  Damian, Popp,  Stephan, Saal,  Britta, Schellhammer,  Barbara, Schlosser,  Tobias, Shorny,  Michael, Tosam,  Mbih Jerome
Ursula Baatz & Britta Saal Einführung Nur auf den ersten Blick scheinen Medizin und Philosophie miteinander wenig gemeinsam zu haben. Doch setzt Medizin – oder weiter gefasst: die Absicht zu heilen – ontologische, metaphysische und anthropologische Hypothesen über die Ursachen von Krankheit, die Arten der Diagnosestellung und die möglichen Therapieverfahren voraus. Dafür muss es Beschreibungen geben, die es erlauben, kurative Vorgaben für Menschen und ihre Beziehung zur Welt (Um- und Mitwelt) vorzugeben und dafür auch Gründe anzugeben. Denk- und Wissenssysteme spielen hier also eine entscheidende Rolle. Das macht Medizin zu einem hervorragenden Kandidaten für interkulturelle Perspektiven. Denn es gibt ja nicht nur die »westliche«, moderne Medizin, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts für sich das Monopol auf medizinische Erkenntnis beansprucht. Diese ist mitnichten das einzige medizinische System, das ausformulierte ontologische Prämissen vorzuweisen hat und umfangreich verschriftlicht ist. Die traditionelle chinesische Medizin oder die indisch-ayurvedische Medizin können sich auf eine umfangreiche philosophische Reflexion der Grundsätze und ein entsprechendes Corpus schriftlicher Tradition berufen, die in beiden Fällen sogar bis vor die abendländische Zeitrechnung zurückreicht. Die wieder­entdeckte traditionelle europäische Medizin kann sich auf antikes und mittelalterliches medizinisches Schrifttum berufen. Die traditionelle tibetische Medizin wiederum hat die antike bzw. mittelalterliche abendländische Medizintradition mit der chinesischen und indischen zu einer eigenen, eigenständigen Tradition verbunden und umfangreiche und bis heute relevante Standardwerke hervorgebracht. Trotzdem gelten die genannten Medizinsysteme für die zeitgenössische, sogenannte Biomedizin bestenfalls als »Komplementärmedizin« oder als »Alternativmedizin«. Noch weniger Chance auf Anerkennung haben Medizinsysteme ohne schriftliche Überlieferung – wie etwa die traditionelle afrikanische oder jegliche andere indigene Medizin. Für die medizinische Praxis hat dies weitreichende Folgen: Zum einen dominiert die naturwissenschaftlich fundierte, moderne Medizin in weiten Teilen der Welt vor allem in urbanen und industrialisierten Regionen, wobei der Zugang zu dieser modernen Medizin unter anderem aus sozialen und ökonomischen, aber auch aus verkehrstechnischen Gründen oft schwierig oder unmöglich ist. Zum anderen bestehen in den meisten Gegenden der Welt mehrere Medizinsysteme gleichzeitig nebeneinander – das moderne »westliche« genauso wie die traditionellen Medizinsysteme. Auch wenn die Erkenntnisse und Heilverfahren der modernen Medizin sichtbar erfolgreich sind, haben doch auch ältere und alternative Medizinsysteme nachweisliche Erfolge vorzuweisen, die allerdings oft nur unzureichend positiv kommuniziert werden. In den letzten Jahrzehnten haben in Europa und den USA ältere und alternative Medizinsysteme oft als Komplementärmedizin eine Nische gefunden oder werden in der Medizinethnologie unter soziologisch-ethnologischer Perspektive betrachtet. Die Dominanz der modernen, naturwissenschaftlich fundierten Medizin hängt u. a. auch mit dem Kolonialismus zusammen. Dieser Aspekt ist in den hier versammelten Beiträgen fast durchweg anzutreffen. Die moderne Medizin hatte zur Zeit der europäischen Kolonial­reiche aktiv Teil am »westlichen«, »weißen« Hegemonieanspruch. Eine noch immer anzutreffende grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber traditionellen Heilweisen seitens Vertreter/innen der naturwissenschaftlichen Biomedizin kann daher als ein tendenziell hegemoniales Dominanzgebaren interpretiert werden. Mit einer Ausblendung der epistemologischen Debatte im Bereich der Medizin werden also grundlegende Differenzen überspielt. Neben dem o. g. (post-)kolonialen Aspekt spielen auch wirtschaftliche Interessen eine wichtige Rolle. So stellt die Pharmaindustrie, deren Grundlage die dominante biomedizinische Orientierung ist, in der Regel nicht unbedingt den Menschen und dessen Heilung in den Mittelpunkt, sondern ökonomische Faktoren. Eine weitere Differenz betrifft die erkenntnistheoretischen Prämissen. So gehört es beispielsweise zu den erkenntnistheoretischen Vorgaben der modernen Biomedizin, Ursachen von Krankheiten bzw. die Wirkstoffe von Medikamenten in ihre Faktoren zu zerlegen und einzeln zu untersuchen. Dies steht im Gegensatz zu traditionellen Medizinformen, bei denen Diagnose und Therapie zumeist auf dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren beruhen. Auch arbeitet die moderne Biomedizin mit quantitativen Methoden und sucht nach statistisch signifikanten Ergebnissen; individualisierte Medikamente gelten als Medizin der Zukunft. Für die traditionellen Medizin- und Heilsysteme, die sich in Diagnose und Therapie an der Interdependenz qualitativer Faktoren orientieren, sind jedoch individualisierte Rezepturen seit jeher üblich. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass ein medizinphilosophischer Polylog – ein Gespräch, bei dem die Teilnehmenden ihre unterschiedlichen Weltbilder, Prämissen und philosophischen Perspektiven als gleichberechtigt und gleichwertig einbringen – nur schwer zu verwirklichen oder gar einlösbar ist. Eine solche »ideale Kommunikationsgemeinschaft« ist selbst schon als regulative Idee unter Philosophinnen und Philosophen ein schwieriges Unterfangen. Die hier versammelten Beiträge illustrieren daher mehr als Beispiele das umrissene Konfliktfeld. Sie zeigen das Wirken von Interkulturalität unter anderem im Rahmen wechselseitiger Beeinflussung als auch in der (Aus-)Formulierung eigener (indigener) Positionen mit Bezug auf ›westliche‹ epistemologische Begriffe. Im ersten Beitrag von Vitus ­Angermeier geht es um einen spezifischen Aspekt des Ayur­veda: die Prävention. Dabei wird auf sehr interessante Weise deutlich, welchen signifikanten Einfluss die Kolonialisierung auf die Modernisierung des traditionellen indisch-­ayurvedischen Medizinsystems hatte. Es folgt im zweiten, englischsprachigen Beitrag von Mbih Jerome Tosam ein Einblick in die traditionelle afrikanische Medizin (TAM). Kritische Reflexionen zum Kolonialismus spielen hier ebenso eine Rolle wie die Auseinandersetzung mit der westlich-wissenschaftlichen Medizin. Anhand eines sehr konkreten Fallbeispiels setzt sich Josef Estermann im dritten Beitrag mit den philosophischen Hintergründen andiner Vorstellungen von Gesundheit, Krankheit und Genesung auseinander. Mit einem Sprung nach Kanada wird der Heilungsbegriff im vierten Beitrag von Barbara Schellhammer etwas weiter gefasst und verbunden mit Überlegungen zur Heilung des transgenerationalen Traumas des indigenen Genozids. Im fünften Beitrag setzt sich Tobias Schlosser sehr explizit mit der kolonialen Vereinnahmung anderer Regionen, hier v. a. Südamerika, seitens Europa auseinander und stellt, daran anknüpfend, Überlegungen zum Phänomen des Kannibalismus als Krankheit an. Den Abschluss des Thementeils bildet der Beitrag von Damian Peikert, der sich mit dem japanischen Konzept der klinischen Philosophie befasst und damit auf sehr philosophische Weise die Thematik Philosophie als Medizin behandelt. Auch wenn in den Beiträgen weniger die verschiedenen – moderne naturwissenschaftliche, ältere, traditionelle, alternative etc. – Medizinformen miteinander ins Gespräch gebracht werden, so sticht, wie gesagt, die Beziehung zwischen Kolonialismus und moderner »westlicher« Biomedizin hervor. Diese Beziehung herauszustellen, war nicht intendiert, sondern ergab sich anhand der Einreichungen. Jedoch zeigt dies deutlich, dass ein philosophischer Polylog und eine konzeptuelle Dekolonisierung (Wiredu) gerade auch medizinphilosophisch durchaus Relevanz besitzen.
Aktualisiert: 2020-12-31
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«inter»

«inter» von Baatz,  Ursula, Boteva-Richter,  Bianca, Imafidon,  Elvis, Kutlu,  Evrim, Roothaan,  Angela, Saal,  Britta, Shorny,  Michael, Wang,  Xu, Weidtmann,  Niels, Zschauer,  Anna
polylog 40 Winter 2018 »inter« B. Saal & B. Boteva-Richter Einleitung Niels Weidtmann Das »Zwischen« als der Ort wahrer Wirklichkeit Ein Plädoyer für das »Inter« in der Interkulturalität Elvis Imafidon Zwischen den Zutaten und dem Gericht als solchem: Philosophie an Orten und darüber hinaus Anna Zschauer »inter« als aisthetische Qualität Xu Wang Das Umdenken des Interpersonellen – Zhāng Zàis Konzeption des Qì (氣) Angela Roothaan Interkulturell, transkulturell, cross-cultural – warum wir alle drei Begriffe brauchen FORUM Evrim Kutlu Solidarität, Ausgleich und kosmopolitische Weltphilosophie nach Max Scheler Ursula Baatz Zu Raimon Panikkars hunderstem Geburtstag. Nr. 40 S. 97-98. REZENSIONEN Mădălina Diaconu Transkulturalität: eine Einführung . Zu: Wolfgang Welsch: Transkulturalität. Realität – Geschichte – Aufgabe. Nr. 40 S. 99-101. Franz Gmainer-Pranzl »Zur Welt kommen, einen Ort finden, sich positionieren …« Zu: Murat Ates, James Garrison, Georg Stenger, Franz Martin Wimmer (Hrsg.): Orte des Denkens – Places of Thinking. Nr. 40 S. 101-03. Mădălina Diaconu Gibt es eine kulturelle Identität? Zu: François Jullien: Es gibt keine kulturelle Identität. Nr. 40 S. 104-07. Andrzej Gniazdowski Philosophische Sterne und unsichtbares Selbst Zu: Bianca Boteva-Richter (Hrsg.): Gegenwartsphilosophie aus Ost-Europa. Nr. 40 S. 107-16. Philipp Thull Kampfplätze des Denkens statt Kampf der Kulturen Zu: Hamid Reza Yousefi: Kampfplätze des Denkens. Nr. 40 S. 117-18.
Aktualisiert: 2020-12-31
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«inter»2

«inter»2 von Baier,  Karl, Barboza,  Amalia, Boteva-Richter,  Biamca, Graneß,  Anke, Saal,  Britta, Schelkshorn,  Hans, Schirilla,  Nausikaa, Sevilla,  Anton Luis, Shorny,  Michael, Tomaschitz,  Wolfgang
Wolfgang Tomaschitz & Michael Shorny Was meinen wir mit »Inter«? – ein zweiter Anlauf Einleitung Polylog 41 Der bosnische Autor Dževad Karahasan bemerkt einmal, dass eine »allzu klare Bewusstheit« kultureller Identität immer an »ein gewisses Unbehagen« grenze. Das rühre daher, dass man diese Identität der »ständigen Anwesenheit von Menschen mit einer anderen Identität« verdanke. Die Beiträge zum ersten Schwerpunkt der vorliegenden Ausgabe legen den Verdacht nahe, dass auch eine Positionierung zwischen solchen Identitäten – in einer wie immer bestimmten Sphäre des »inter« – zu einem Unbehagen führen kann, das begrifflich erst bewältigt werden muss. In polylog 40 war mit der Frage »Was meinen wir mit dem ›inter‹ der interkulturellen Philosophie?« öffentlich zu einer Reflexion dieses Ansatzes eingeladen worden. In der aktuellen Ausgabe führen fünf Redakteurinnen diesen Polylog – der viel mit dem Gründungsimpuls der Zeitschrift zu tun hat – fort. Sie beziehen sich dabei sowohl auf die Beiträge der Nummer 40 als auch den redaktions-internen Austausch über diese Frage. Anke Graneß macht in ihrem Beitrag darauf aufmerksam, dass Begriffe des Inter-, Trans- und Multi-Kulturellen und auch der Begriff Kultur selbst zunehmend kontroversiell diskutiert werden und plädiert entschieden für eine Verortung des »inter« in der Sphäre der Interaktion von Individuen unter ganz konkreten gesellschaftlichen Bedingungen. Eine interkulturelle Philosophie, die nicht auch konkrete Machtverhältnisse bis in das Institutionelle und universitäre Strukturen thematisiere und bereit sei, diese auch zu verändern, verfehle ihrer Ansicht nach eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Amalia Barboza erinnert an das »große Versprechen« der Interkulturellen Philosophie, einen Weg aufzuzeigen, der es möglich mache, »zwischen verschiedenen Denktraditionen zu wandern, [...] um sich durch das Dazwischen der Diskurse kritisch zu bereichern« und auch dadurch die Welt mitzugestalten. Sie verweist dabei auf frühe Ansätze der Wissenssoziologie, die schon in der Gründungsphase Fragen nach der Seinsverbundenheit des Denkens bzw. nach den Möglichkeiten »freischwebender Intelligenz« bewegt habe und die in der Selbstreflexion interkulturellen Philosophierens hilfreich sein könnten. Auch bei Barboza erweitert sich das zunächst kulturelle Feld des »inter« zu einem politischen, sozialen und auch ästhetischen und sie folgert daraus die Notwendigkeit einer Öffnung zu empirischer Methodik. Nausikaa Schirilla teilt den anti-essentialistischen Ansatz ihrer Kolleginnen und betont die Notwendigkeit einer explizit politischen Perspektive, die aber auch als eine Herausforderung an die Theoriebildung zu verstehen sei. Als beispielgebende Ansätze, in welchen Kultur von Anfang an auch als Ausdruck von Machtverhältnissen betrachtet werde, bezieht sie sich auf Stuart Hall und Homi K. Bhabha. Die Integration dieser Ansätze in ein interkulturelles Philosophieren sei in vieler Hinsicht erst noch zu leisten. Bianca Boteva-Richter nähert sich der Frage des »inter« über eine stärker anthropologisch orientierte Erörterung, die auf die Arbeiten von Tetsurô Watsuji Bezug nimmt. Der Kern dieses Ansatzes liege darin, Menschsein als eine Struktur zu begreifen, die als ein »individuell-soziales Netzwerk« zu verstehen sei. Dieses Netzwerk oder diese Verbundenheit sei aber durch die Dynamik von Interaktionen bestimmt und könne in einer optimalen Variante – wie Boteva-Richter formuliert – als eine »korrelative, aktive Wissensteilhabe durch einen solidarischen, sich gegenseitig verstehenden, miteinander gleichwertig kommunizierenden Austausch im Zwischen der menschlichen Verbindungen« verstanden werden. Britta Saal argumentiert in ihrem Beitrag dafür, den topografischen Ort von Philosophie für die Darstellung der Dynamik einer Denkbewegung in die Ortlosigkeit (Mall) fruchtbar zu machen. Ihr Beitrag versucht eine Präzisierung der Begriffe Ort, Raum und Praxis des interkulturellen Philosophierens und betont dabei den ereignishaften, aktionistischen Aspekt dieses Unternehmens. Wo sich interkulturelles Philosophieren wirklich ereigne, geschehe das dadurch, dass sprechend und handelnd ein Anfang gesetzt werde, der einen »Inter-Raum«, eine Stätte eröffne, die es ohne philosophische Intervention nicht gebe. Mit in diesen Schwerpunkt gehört der Beitrag von Anton Luis Sevilla zur Aidagara-Ethik des japanischen Philosophen Watsuji Tetsurô (1889–1960). Der Autor spricht selbst von einer »Re-Lektüre« der Position Watsujis, in der die Funktion und die transformative Wirkung des Erzählens und Neu-Erzählens reflektiert werde. Ausgehend vom Begriff des »inter« entwirft Sevilla die Skizze einer narrativen Ethik und hebt deren psychologisch, historisch und sozial transformatives Potential hervor. Religiöse Erfahrung, säkulare Vernunft und Politik um 1900: Zwei Beiträge Der anderen Schwerpunkt dieser Ausgabe macht zwei Forschungsbeiträge von Hans Schelkshorn und Karl Baier zugänglich, die erstmals anlässlich der Tagung »Religiöse Erfahrung, säkulare Vernunft und Politik um 1900«, die im November 2017 von der Forschungsplattform Religion and Transformation in Contemporary Society der Universität Wien und dem Titus Brandsma Institut der Radboud Universität Nijmegen gemeinsam veranstaltet wurde, vorgestellt wurden. Beide Artikel machen die fast erschreckende Aktualität von Fragen deutlich, die schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts bewegt haben und deren Lösung wir seither kaum näher gekommen sind. Karl Baiers Beitrag befasst sich mit Swami Vivekananda (1863–1902), einer Galionsfigur des Neohinduismus, und analysiert dessen Werk im Kontext nationalistischer Tendenzen und der Bestrebung einer Erneuerung des Hinduismus, die mit einer zum Teil radikalen Neuinterpretation der Traditionen einherging, und im Kontext eines Ansatzes, den Baier als »szientistische Erfahrungsreligiosität« bezeichnet, die das Einholen religiöser Inhalte durch meditative Methoden und dadurch deren wissenschaftliche Fundierung für möglich halte. Hans Schelkshorn stellt das Werk des aus Uruguay stammenden Essayisten José Enrique Rodó (1871–1917) vor, der durch seine kulturphilosophischen Arbeiten im südlichen Amerika des ausgehenden 19. Jahrhunderts entscheidend zu einer Neubewertung religiöser Sinnhorizonte beigetragen hat und dessen »Appell zu einem ethisch-spirituellen Aufbruch« die lateinamerikanischen Philosophien des 20. Jahrhunderts, bis hin zur Theologie der Befreiung, inspiriert hat.
Aktualisiert: 2020-12-31
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Urbanität

Urbanität von Diaconu,  Madalina, Erzen,  Jale, Gao,  Jianping, Gmainer-Pranzl,  Franz, Koch,  Andreas, Nikisianli,  Nikoleta, Roche,  Sophie, Shorny,  Michael, Smigiel,  Christian, Sonnleitner,  Julia, Welsch,  Wolfgang, Wolfgring,  Constanze
Franz Gmainer-Pranzl, Mădălina Diaconu Urbanität als Kontext und Habitus interkulturellen Philosophierens Einführung Zu den Gründungsmythen der europäischen Philosophie gehört das Philosophieren als gemeinsame Beschäftigung freier Bürger, die, wie Sokrates, nur selten und auch dann eher mit Unbehagen sich über die (eigenen) Städtemauern hinausbegeben: Die Stadt bildet somit den Soziotop und die Lebenswelt schlechthin der Philosophen. Umso mehr erstaunt die Tatsache, dass diese die Stadt als solche und vor allem das urbane Ethos nur ausnahmsweise thematisiert haben, und in den seltenen Fällen, in denen sie die Stadt eigens nannten, wie Descartes und Wittgenstein, diente die Stadt bloß als Metapher für etwas anderes. Auch nach der Verselbstständigung der modernen Sozialwissenschaften und der fachlichen Vervielfältigung der Stadtforschung interessierten sich für die Stadt eher Denker, die nicht zum akademischen Establishment gehörten und deren Reflexionen stark essayistisch und nicht streng wissenschaftlich verfasst wurden, wie bei Simmel, Benjamin oder Kracauer, zum Teil auch Heidegger und Lefebvre. Aktuelle Entwicklungen in die Richtung einer globalen Verstädterung fordern die Wiederaufnahme dieses Themas und dabei vor allem den Blick in den globalen Süden, wo in den letzten Jahrzehnten die höchsten Urbanisierungsraten aufgezeichnet wurden und wo sich mittlerweile auch die größten Megacities der Welt befinden. Bisher haben nicht-westliche Philosophen allerdings selten Eingang in europäische Sammelbände über die Stadt gefunden, wie etwa in City Life. Essays on Urban Culture (hg. v. Heinz Paetzold, 1997). Darüber hinaus müssen Philosophen immer noch einen spezifischen Zugang zum Thema Stadt legitimieren und dafür eigene Denkwege, Methoden und nicht zuletzt Textformate abseits der sozialwissenschaftlichen Stadtforschung suchen, wie Jürgen Hasse in der von ihm 2016 herausgegebenen Nummer von »Forum Stadt« zum Thema »Philosophie der Stadt« fordert. Nichtsdestoweniger stellen aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen die Bürgerinnen und Bürger vor massive Herausforderungen, die gerade die Philosophie und insbesondere das interkulturelle Philosophieren auf den Plan rufen und auffordern, den Begriff der Urbanität sowohl im deskriptiven als auch im normativen Sinne wiederzuentdecken. »Urbanität« steht nicht nur für städtebauliche Maßnahmen, soziologische Aufforderungen oder politische Umbrüche, sondern auch für ein Lebensgefühl oder eine Lebensform und nicht zuletzt für eine interkulturell-philosophische Transformation. Die Verdichtung, Komplexität und Heterogenität des Miteinanderlebens in (Mega-)Städten bringt tiefgreifende Veränderungen für menschliche Lebenswelten, soziale Zusammenhänge und interkulturelle Begegnungen. Die verwirrende Erfahrung unübersichtlicher Pluralität, die Zumutung des Fremden, die irritierende Heterogenität sowie die paradoxe Gleichzeitigkeit von geballter Öffentlichkeit und radikaler Einsamkeit und Anonymität verändern unweigerlich die Art und Weise des Denkens, also auch der Philosophie. Von daher ist die »Stadt« nicht nur ein Thema, sondern vor allem ein Medium interkulturellen Philosophierens, und »Urbanität« wird zu einer Haltung des Philosophierens. So ist jedes Philosophieren per se insofern urban, als jegliches Denken situiert ist und die »spezialisierten« Orte des philosophischen Denkens – Akademien, Universitäten – immer noch städtische Institutionen sind. Darüber hinaus soll das Philosophieren urban werden im Sinne eines gewissen Ethos des Austausches von Ideen und Argumenten. Nicht zuletzt dient das Philosophieren im Dialog oder Polylog mit Vertretern der eigenen und anderer Kulturtraditionen nicht so sehr der Bemühung, die bestmögliche Theorie in einer geschlossenen res publica der Gelehrten zu validieren, sondern den Bürgern selbst Orientierung zu bieten. Die Stadt war immer der Ort einer Begegnung von Kulturen, die spätmodernen Metropolen und »Weltstädte« umso mehr. Auch waren in gewisser Weise Städte immer schon Orte eines Polylogs; sie boten Raum für eine von möglichst großer Offenheit, Vielseitigkeit, Vorurteilslosigkeit und Selbstkritik geprägte Form von Begegnung und Austausch und ermöglichten es, unterschiedliche Traditionen »so in einen offenen gemeinsamen Raum« zu bringen, »dass alle Positionen in diesem Polylog für Veränderungen offengehalten werden bleiben«, wie dies das Konzept unserer Zeitschrift betont. Und doch stellt eine Stadt nicht einfach ein »Laboratorium« für Polyloge dar, sondern mutet ihren Bewohnerinnen und Bewohnern einiges zu, zumal die unübersichtlich gewordene Komplexität von Städten widersprüchliche Prozesse einbezieht. Einerseits steht das Urbane für die Pluralität der Lebensformen, welche Städte anfällig für soziale und kulturelle Spannungen macht, andererseits lässt sich eine Uniformierung der Stadtkultur weltweit durch die Technologie und die Medien feststellen: nicht nur die Stadtarchitektur ist international, sondern auch die Verkehrsmittel, das Fastfood, bis zu einem Punkt sogar das Design der Grünräume. Die Hybridität, Pluralität und Heterogenität des Urbanen stehen sowohl für ein Ende traditioneller Lebensformen – denken wir an Emanzipationsprozesse in Bezug auf Geschlechtsrollen – als auch für die Neukonstruktion und Inszenierung kultureller und religiöser Identitäten, die gleichzeitig mit technischem Fortschritt und gesellschaftlicher Ausdifferenzierung auftreten können. Inwieweit führt die Materialkultur zur Emergenz einer globalen Weltkultur – mit Implikationen für die Mentalität und das Sozialverhalten –, sodass die Städte weltweit ähnlicher werden als das Stadt und das Landleben innerhalb desselben Staates? Oder führen dieselbe Technik und die neuen, inzwischen auch sozialen Medien zur »Verstädterung« der Denk-, Fühl- und Handlungsweise auch derjenigen, die nicht in den Städten leben, weil sie die Begegnung mit dem Fremden bereits vor jeglichem physischen Kontakt vermitteln? Angesichts nationalistischer und identitärer Diskurse der Gegenwart erweisen sich Städte als transkulturelles Phänomen und als Inspiration eines Kosmopolitismus – oder entstehen diese Diskurse nicht vielmehr gerade in multikulturellen Großstädten? Auch bilden migrantische Communities eigene Kulturen aus, in denen sich nicht selten die Erinnerungen an die Herkunftsländer mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in der neuen Heimat auf spannende Weise vermischen; wie lassen sich diese unterschiedlichen Kulturen in die gemeinsame Stadtkultur integrieren und wie verändern sie die Stadt? Damit verbunden ist die Frage nach der Verantwortung aller Bürgerinnen und Bürger für das Gemeinwohl trotz der Verselbstständigung städtischer (Sub-) Kulturen. Megastädte im globalen Süden konfrontieren nicht nur mit dichter Verbauung und einem enormen Bevölkerungswachstum, sondern auch mit mangelnder Infrastruktur, dem täglichen Verkehrschaos und Armut – Erfahrungen, die zunehmend literarisch verarbeitet und soziologisch ausgewertet werden, ebenso wie es im 19. und 20. Jahrhundert für westeuropäische und nordamerikanische Städte geschah. Die architektonische und soziale Ambivalenz von Großstädten zeigt sich im mitunter krassen Unterschied zwischen einem historischen, touristisch erschlossenen Stadtzentrum und der urbanen Peripherie, die bestenfalls von Alltäglichkeit, schlimmstenfalls von Problemen wie Arbeitslosigkeit, Gewalt, Ghettoisierung und auch Verwahrlosung geprägt sind. Welche Folgen hat der boomende Städtetourismus für das Leben der Stadtbewohner und warum reagieren diese unterschiedlich auf die kaufpotenten Fremden und anderen Fremden, die von Not getrieben den Weg in die Fremde einschlagen mussten? Wo beginnt überhaupt die Fremde für die Stadtbewohner: an der Staatsgrenze? (nicht für die Kosmopoliten), an der Stadtgrenze? (auch für die Pendler und die Zweitwohnbesitzer?), an der Grenze zum nächsten Bezirk für die ethnischen Ghettos, hinter der Mauer der eigenen gated community? Wie verschränken sich überhaupt die soziale und die ethnische Stratifizierung in Großstädten und welche Chancen haben künstlich geplante und top-down errichtete sog. »interkulturelle Nachbarschaften«? Städte sind von einer eigentümlichen und auch brutalen Dialektik von Inklusion und Exklusion geprägt: sie eröffnen vielen Menschen Arbeitsund Lebensmöglichkeiten, die ihnen außerhalb der Stadt verwehrt bleiben, schließen aber gleichzeitig Menschen aus, die nicht am sozialen Leben und am Wohlstand partizipieren können, vielleicht sogar in Slums leben oder auf der Straße landen. Wie kann eine interkulturell angelegte Philosophie der Stadt dazu beitragen, dass die Bürgerpartizipation kein hohles Wort bleibt, was letztlich Implikationen auch für die physische Stadt selbst hat, etwa für das Verhältnis zwischen privaten und öffentlichen Räumen? Kontrastreiche Straßenbilder gehen mit einer von Widersprüchen geprägten Psychologie der Großstädter einher. Für Simmel waren vor hundert Jahren die Mischung von Distanz und Nähe, von Gereiztheit und Blasiertheit typisch. In der Gegenwart koexistiert der Rausch (des Überflusses, der allmächtigen Eventisierung) mit zunehmenden Ängsten: vor der sozialen Exklusion durch Verarmung und Arbeitslosigkeit, vor neuen Fremden, die den Wohlfahrtstaat belasten, vor dem Aussterben mancher Städte oder aber vor einer unkontrollierten demographischen Explosion anderer Städte, vor einer lauernden Gewalt, vor den Wirkungen des Klimawandels usw. Wie kann die Philosophie die populistische Instrumentalisierung dieser Atmosphären der Urbanität durch eine Anleitung zum Selbstdenken entkräften? Auch wenn sich nicht alle Städte in ihrer Mannigfaltigkeit mit denselben Problemen konfrontiert sehen – schrumpfende Städte in Westeuropa, auf anderen Kontinenten explodierende junge Städte, durch Krieg und Naturkatastrophen zerstörte Städte, post-industrielle Städte, aufstrebende Hauptstädte jüngerer Staaten etc. –, gibt es nichtsdestoweniger einen internationalen Austausch zwischen den Verwaltungen verschiedener Städte. Ein Austausch über die Urbanität bzw. ein Polylog zwischen Denkern in verschiedenen nicht-europäischen Städten war bisher ein uneingelöstes Desiderat. Wir versuchen in der vorliegenden Nummer unserer Zeitschrift, erste Schritte in diese Richtung zu setzen. So wenig es jedoch ein einziges, typisches und endgültiges Bild einer Stadt geben kann, so illusorisch wäre es auch, den Anspruch auf eine exhaustive oder systematische Thematisierung der Urbanität aus interkultureller Perspektive zu erheben. Außerdem ist zu fragen, ob das starke Interesse an der Urbanität im deutschsprachigen Raum in der jüngsten Zeit ein zeit- und kulturspezifisches Phänomen darstellt oder vielmehr mit den Denkprioritäten auf anderen Kontinenten korrespondiert. Ist die Sehnsucht nach Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit und die damit verbundene Rückkehr der Normativität in der westlichen Stadtkultur die Folge der eigenen Geschichte (das Ausleben der Befreiungswelle nach 1968, die Flüchtlingskrise und die inkriminierte Steigerung der Kriminalität) oder gibt es analoge Bestrebungen in anderen Kulturen? Bildet die Rückkehr des utopischen Denkens das Spezifikum einer Generation unserer Stadtkultur oder vielmehr das Anzeichen eines allgemeinen Um- und Aufbruchs? Die folgenden Beiträge aus anderen geographischen und disziplinären Denkräumen werden darauf eingehen. Die größte Herausforderung von Urbanität für interkulturelles Philosophieren besteht nicht zuletzt in der unausweichlichen Konfrontation mit unterschiedlichsten Erfahrungen, die zu einer interdisziplinären Herangehensweise nötigen. Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe von polylog haben sich mit einer Vielzahl solcher Erfahrungen auseinandergesetzt, die von künstlerischer Avantgarde über sprachliche Diversität und ästhetische Aspekte bis hin zu Mythen und Utopien städtischen Lebens sowie zu Strategien urbaner Raumpolitik reichen. Dementsprechend divers ist auch der Stil und das Format der Studien, von sozialwissenschaftlich und empirisch verankerter Forschung über geschichtsphilosophisch untermauerte Reflektionen bis hin zu essayistischen Aufzeichnungen von Eindrücken über die Art und Weise, wie die eigene oder eine fremde Stadt erlebt wird und über die Urbanität als Lebensform und Aufgabe. Urbanität sprengt von daher die üblichen Parameter des Polylogischen; sie konfrontiert interkulturelle Kommunikations- und Argumentationsprozesse mit verdichteten politischen, ökonomischen und sozialen Lebenskontexten und eröffnet eine neue Dimension interkulturellen Philosophierens.
Aktualisiert: 2020-12-31
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Theorie der Achsenzeit?

Theorie der Achsenzeit? von Assmann,  Jan, Graneß,  Anke, Roetz,  Heiner, Schelkshorn,  Hans, Schmidt,  Johanna Maj, Shorny,  Michael, Wimmer,  Franz Martin
Einleitung Hans Schelkshorn Theorie der Achsenzeit? Die Beiträge des Themenschwerpunkts der vorliegenden Ausgabe von Polylog gehen auf das »Wiener Forum interkulturellen Philosophierens« zurück, das im Feber 2017 von der Wiener und der allgemeinen Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie (WiGiP und GIP), gemeinsam mit dem Institut für Wissenschaft und Kunst Wien (IWK) organisiert wurde. Im Zentrum des Thementags stand eine Debatte über Jaspers’ Theorie der Achsenzeit, die in der Anfangsphase eine wichtige Rahmentheorie für manche Vertreter einer »interkulturellen Philosophie« (Ram Adhar Mall, Heinz Hülsmann, Franz Martin Wimmer) bildete. Mit der Annahme von mehreren Geburtsorten der Philosophie (Indien, China, Europa) konnte der Exklusivitätsanspruch der europäischen Philosophie aufgebrochen werden. Inzwischen ist jedoch die Achsenzeittheorie sowohl in der interkulturellen Philosophie als auch in den Kulturwissenschaften zum Gegenstand vielfacher Kritik und zahlreicher Revisionen geworden. Die unterschiedlichen Debatten über die Theorie der Achsenzeit verliefen jedoch bislang auf getrennten Pfaden. Vor diesen Hintergrund versuchte das »Forum interkulturellen Philosophierens« einerseits kulturwissenschaftliche und philosophische Auseinandersetzungen mit der Achsenzeittheorie in ein Gespräch zu bringen, und andererseits ihre Relevanz für die interkulturelle Philosophie auf den Prüfstand zu stellen. Im ersten Beitrag »Bemerkungen zum Potenzial des Achsenzeit-Konzepts für global orientierte Philosophiehistorie« gibt Franz Martin Wimmer einen Überblick über die Rezeption von Jaspers’ Theorie der Achsenzeit in der neueren Philosophiegeschichtsschreibung im Allgemeinem und der interkulturellen Philosophie im Besonderen. In beiden Diskursen war die Resonanz von Jaspers bescheiden. Jaspers hat zwar mit der These mehrerer Geburtsorte der Philosophie den Eurozentrismus oder, wie Wimmer vorschlägt »Euräqualismus«, d. h. die Gleichsetzung von Philosophie mit europäischer Philosophie, aufgebrochen. Durch ihre Abwertung vorachsenzeitlicher Stadtkulturen und problematische Periodisierungen ist jedoch die Theorie der Achsenzeit nach Wimmer für eine global orientierte Philosophiehistorie kaum geeignet. Jan Assmann, der sich als Ägyptologe bereits in früherer Zeit kritisch mit Jaspers’ Geschichtsdenken auseinandergesetzt hat, lenkt in seinem Beitrag »Die Achsenzeit – zur Geschichte einer Idee« den Fokus auf die Theoriegeschichte. Das fast gleichzeitige Auftreten griechischer, indischer und chinesischer Philosophen und Religionsstifter in der Antike ist bereits am Ende des 18. Jahrhunderts vom Orientalisten Anquetil-Duperron thematisiert und, wie Assmann zeigt, seit dem 19. Jahrhundert immer wieder aufgegriffen, modifiziert und in unterschiedliche historische und geschichtsphilosophische Kontexte eingebettet worden. Mit dem Begriff der »Achse« situiert jedoch Jaspers Anquetils Beobachtung in einem Schema, das nach Jan Assmann von der christlichen Geschichtstheologie abhängig ist. Im Licht der historischen Forschungen über die vororientalischen Kulturen kommt nach Assmann der »Achsenzeit« nicht der Status einer historischen Epoche, sondern allenfalls einer heuristischen Hypothese zu. Anke Graneß beleuchtet in ihrem Beitrag »Der Kampf um den Anfang: Beginnt die Philosophie im Alten Ägypten?« die Debatte über die Genese der Philosophie in aktuellen Strömungen der afrikanischen Philosophie. Da in der Achsenzeittheorie Afrika und auch Südamerika ausgeblendet werden, hat Jaspers’ Geschichtsdenken in der afrikanischen Philosophie naturgemäß kaum Beachtung gefunden. Stattdessen beziehen sich afrikanische Philosoph_innen auf ägyptologische Forschungen, die in jüngerer Zeit den enormen Reichtum des Denkens im Alten Ägypten zugänglich gemacht haben. Graneß illustriert und prüft zugleich an zwei Beispielen, der Lehre des Ptahhotep und der Lehre des Ani, wie afrikanische Philosophien den Ursprung der Philosophie im Alten Ägypten verorten und zugleich Beziehungen zum Denken im subsaharischen Afrika herstellen. Heiner Roetz setzt sich in seinem Beitrag »Die Achsenzeit im Diskurs der chinesischen Moderne« in kritischer Weise mit aktuellen Rezeptionen der Achsenzeittheorie in China auseinander. Vor allem chinesische Vertreter des Ansatzes der »multiple modernities« wie Tu Weiming stützen sich in ihrer Kritik an europäischen aufklärerischen Theorien der Moderne immer wieder auf Jaspers’ Theorie der Achsenzeit. Die kulturrelativistische Rezeption der Achsenzeittheorie, in der China als eigenständige Zivilisation neben anderen situiert wird, ist in jüngster Zeit von der obersten Führung gleichsam politisch sanktioniert worden. In dem Versuch, am Leitseil der Theorie der Achsenzeit zu den antiken Quellen der chinesischen Kultur zurückzugehen, um die neue geopolitische Machtstellung Chinas kulturphilosophisch zu stützen, werden jedoch, wie Roetz zeigt, zentrale Ideen der Jaspers’schen Geschichtsphilosophie, insbesondere der Durchbruch zu kritischer Reflexion bzw. zum Prinzip der Subjektivität. Die Jaspers’sche Theorie der Achsenzeit zielt daher nicht auf eine Abschottung von Kulturen, sondern auf eine universale Kommunikation. Inmitten der weltweiten Welle kulturnationalistischer Bewegungen hat nach Roetz der aufklärerische Kern der Jaspersschen Achsenzeit-These eine neue Aktualität gewonnen. Im abschließenden Beitrag »Die Moderne als zweite Achsenzeit. Zu einer globalen Geschichtsphilosophie mit und gegen Jaspers« stellt Hans Schelkshorn den Gesamthorizont von Jaspers’ Geschichtsphilosophie, in der die Achsenzeit nur einen, wenn auch zentralen Teil, bildet, auf den Prüfstand. In der These der Achsenzeit überlagern sich nach Schelkshorn zwei Perspektiven, einerseits die These eines Aufklärungsschubs, der einen »Streit der Schulen« entfacht, andererseits die Fokussierung auf metaphysische und religiöse Bewegungen, die sich aus Jaspers’ pessimistischer Zeitdiagnose ergibt, wonach in der Neuzeit die Menschheit durch moderne Wissenschaft und Technik in einen Nihilismus gestürzt sei. Aus diesem Grund entwirft Jaspers die Vision einer spirituell-religiösen Erneuerung in einer Zweiten Achsenzeit. Da seit der Renaissance neue radikale Aufklärungsschübe, die eng mit den frühneuzeitlichen Globalisierungsprozessen verwoben sind, einsetzen, muss nach Schelkshorn gegen und zugleich mit Jaspers die Moderne selbst als eine Zweite Achsenzeit bestimmt werden. In der Zweiten Achsenzeit wandelt sich der »Streit der Schulen«, der in der Antike weithin in den Grenzen der Ökumenen verblieb, zu einem globalen Diskurs über die Moderne, der spätestens seit dem 19. Jahrhundert das Medium interkultureller Philosophien bildet.
Aktualisiert: 2020-12-31
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Philosophieren mit Kindern weltweit

Philosophieren mit Kindern weltweit von Biswas,  Tanu, Emel,  Ezgi, Heiser,  Jan Christoph, Jackson,  Thomas E, Reed-Sandoval,  Amy, Saal,  Britta, Shorny,  Michael, Taketo,  Tabata, Thielmann,  Anja, Weidtmann,  Niels
Nausikaa Schirilla: Editorial Interkulturelles Philosophieren setzt sich nicht nur mit Philosophien verschiedener Orte der Erde auseinander, sondern auch mit Formen und Darstellungsformen der Philosophie. In einer eurozentrismuskritischen Perspektive wird deutlich, dass die Privilegierung bestimmter Darstellungsformen der Philosophie in der abendländischen Geschichte zugleich andere Formen – und damit auch kulturelle Traditionen – ausschließt. Daher widmeten sich einige Schwerpunkte von polylog diesen Themen, wie »Formen des Philosophieren« (Nummer 15) oder »Verhältnis von Kunst und Philosophie« (Nummer 35). Doch die Frage nach Formen des Philosophierens stellt nicht nur eine interkulturelle sondern auch eine intrakulturelle Thematik dar. In welchem Formen Philosophie auftritt, ist eine wichtige – wenn auch relativ wenig diskutierte – Frage in der Geschichte der abendländischen Philosophie. Damit verbunden ist die Frage nach den Adressaten von Philosophie, so ist auch die Frage nach dem Philosophieren mit Kindern für uns interessant. Philosophieren mit Kindern wird in jüngerer Zeit verstärkt thematisiert und zwar nicht nur in didaktischer Perspektive, sondern auch hinsichtlich von Fragen nach dem Gegenstand von Philosophie und dem Prozess des Philosophierens. In dieser Nummer nähern wir uns der Frage wiederum in einer interkultureller Perspektive. Die vorliegende Nummer enthält Beiträge zum Philosophieren mit Kindern, dabei liegt der Fokus auf dem »philosophy for children – p4c«-Ansatz, der auch international organsiert ist. In der aktuellen Nummer wird im Zusammenhang dieser Bewegung der Versuch unternommen, das Konzept in verschiedenen kulturellen Kontexten umzusetzen und zu reflektieren. Damit spiegelt der Thementeil einen internationalen Diskussionsprozess zu dem Konzept wider, in dem auch interkulturelle Fragen deutlich werden. Im Fokus stehen weniger eine philosophische Herleitung des Konzepts, sondern praktische und didaktische Fragen, die wiederum philosophisch reflektiert werden. Daher enthält der Band auch Erfahrungsberichte, didaktische Überlegungen und konkrete Schilderungen des politischen und sozialen –nicht nur kulturellen – Kontexts des Philosophierens mit Kindern an verschiedenen Orten der Erde. Wir danken Britta Saal für die Zusammenstellung des Thementeils dieser Ausgabe und Anja Thielmann für ihre Unterstützung. Im Forumteil thematisiert Niels Weidtmann Gerechtigkeit in interkultureller Perspektive und argumentiert, dass der Ausgangspunkt einer Idee der universalen Gerechtigkeit in der Begegnung von Ich und Anderem und damit im Tätigsein des Menschen oder in der menschlichen Praxis liegt. Im zweiten Beitrag reagiert Jan Christoph Heiser auf die polylog-Nummer zu Interkultureller Kompetenz und setzt sich kritisch mit dem »Kompetenzgerede« auseinander und kritisiert die im Kompetenzbegriff enthaltene Outputorientierung von Interkulturellem Lernen. Dem setzt er einen Begriff des Lernen als brüchigen und transitorischem Prozess entgegen. Im Medienteil sind wieder viele sehr unterschiedliche Buchtipps und Rezensionen zu finden. Abstracts aller Beiträge, ein ausgewählter Beitrag und alle Rezensionen und Buchtipps sind auf der Website der Zeitschrift www.polylog.net verfügbar. Der Thementeil der nächsten Nummer wird einem philosophiegeschichtlichem Thema gewidmet sein, nämlich der Relevanz des Achsenzeitkonzepts für interkulturelles Philosophieren. Ab der Nummer 39 wird polylog zu einer peer-review-Zeitschrift. Für die Thementeile wird es einen Call geben, die Calls für die Themen »Urbanität« und »Rechte/identitäre Ideologien« sind auf der Website (www.polylog.net) herunterzuladen. Wir freuen uns aber auch nach wie vor über freie Artikeleinsendungen, die wir auch einer Begutachtung unterziehen. Wir wünschen eine interssante Lektüre! Für die Redaktion Nausikaa Schirilla
Aktualisiert: 2020-12-31
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Interkulturelle Kompetenz

Interkulturelle Kompetenz von Bolten,  Jürgen, Boteva-Richter,  Bianca, Elberfeld,  Rolf, Gürses,  Hakan, Kroier,  Johann, Manoochehri,  Abbas, Schirilla,  Nausikaa, Shorny,  Michael
Bianca Boteva-Richter, Nausikaa Schirilla Einleitung Interkulturelle Kompetenz Interkulturelle Kompetenz wird in vielen Disziplinen diskutiert und die Spannbreite dessen, was unter dem Begriff und den damit verbundenen Strategien und Ansätzen verstanden wird, ist entsprechend groß: Während eine klassische Definition interkultureller Kompetenz diese im Kontext von interkulturellen Überschneidungssituationen, von auf kulturelle Differenz zurückgeführten Konflikten oder generell mit dem Umgang mit Fremdheit denkt, wird für andere Selbstreflexion und Machtkritik im Kontext von Ethnozentrismus und Rassismus zur zentralen Herausforderung auf diesem Gebiet. Aus philosophischer Sicht stellen sich einige wichtige Fragen hinsichtlich der Grundannahmen und Grundlagen dieses zurzeit sehr populären Konzeptes. Diese betreffen sowohl den Kompetenzbegriff als auch den Kulturbegriff oder bereits den Ansatz der Frage nach dem »Kulturellen«, die Wahrnehmung von Differenzen und die in ihnen potenziell enthaltenen Normierungen und Machtverhältnisse, die Frage nach den Eigenen und Anderen und nach dem Verstehen. Die Frage nach dem »Fremden« kann als Frage nach Wahrnehmungs- und Ordnungssystemen auf das Eigene zurückwerfen, im Sprechen über »Andere« können sich aber auch neue Strategien des »Othering« und der Diskursdominanz (wer spricht für und über wen?) entwickeln. Zugleich ist die Einseitigkeit des Konzepts Interkulturelle Kompetenz zu kritisieren. Bei Menschen, die zu uns, aus einem – von uns aus gesehenen – Ausland, kommen, wird interkulturelle Kompetenz als durch den Umzug angeeignet bzw. bereits vorhanden vorausgesetzt. Für Andere wiederum, die in ein–von uns aus gesehenen–Ausland fahren, um dort zu arbeiten oder eine Zeitlang zu leben, werden Kurse über sogenannte kulturelle Eigenschaften des anvisierten Landes angeboten. Interkulturelle Kompetenz hat auch mit einem starken Innen-Außen-Bild zu tun, und es werden gemäß dieser Einteilung Menschen bestimmte Fähigkeit ab- oder zugesprochen. Doch sind die Innen-Außen-Grenzen durchlässig, und wer darüber bestimmt, was das Innen und Außen ausmacht, ist immer noch eine Frage der Macht. Wer Macht hat, hat das Sagen, und bestimmt auch darüber, was das Innere einer Kultur, und dementsprechend deren Außen, ausmacht. So wird auch darüber entschieden, wer zu einer Mehrheitskultur dazugehört, wer darüber hinaus interkulturelle Kompetenz besitzt, wer diese braucht und wer Kurse zur In(ter)kulturalisierung erhält, dies sind in der Regel Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft. Zugewanderte erhalten Kurse zur Werteorientierung und Leitkultur. In diesem Band, der auf eine Tagung von polylog, der Wiener Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie (WiGiP), der Universität Wien und dem Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK) in Februar 2015 zurückgeht, haben wir versucht, den Fragen nach Innen und Außen, Selbst und Fremdbild, Macht und Machtstrukturen innerhalb des Themenkomplexes der Interkulturallen Kompetenz nachzugehen. Im ersten Beitrag von Jürgen Bolten geht es um eine allgemeine kritische Einführung in die Problematik der Interkulturellen Kompetenz. Er plädiert für ganzheitliche Art interkultureller Kompetenzvermittlung, in der sich nicht um die zu bestimmenden Grundlagen gestritten wird, sondern intradisziplinär agiert wird. Als Grund hierfür nennt Bolten vor allem die Kontextabhängigkeit interkulturellen Handelns und expliziert je nach Akteursfeld und insbesondere je nach dem situativen Beziehungsgeschehen verschiedene Bedingungen interkulturell kompetenten Handelns. Zentral an seinem Ansatz ist ein relationales Denken, das »Mehrwertigkeit«, »Unschärfe« und »Perspektivenreflexivität« in den Vordergrund stellt. Zum Selbst- und Fremdbild, bzw. der Frage, wie man sich fühlt und agiert, wenn man seinen angestammten Kulturraum verlässt, um in die Fremde zu ziehen, äußert sich der Philosoph Rolf Elberfeld. Wie erkennt bzw. vermeidet man Konflikte, und wie kann man an sich selbst arbeiten (sich selbst kultivieren), um ein respektvolles und friedliches Miteinander zu erreichen. Mit Bezug auf Plato, Cicero, Pufendorf bis hin zum japanischen Philosophen Nishida argumentiert Elberfeld, dass man an der eigenen Selbstkompetenz arbeiten solle, bevor man sich für eine Fremdkompetenz qualifiziere. Die Selbstkultivierung, die ebenso die künstlerisch-wissenschaftliche Sphäre als auch den Gefühlsbereich umfasst, ist eine Notwendigkeit. Die Erweiterung der Selbstkompetenz dient also der Grundlegung von Fremdheitskompetenz, die der Autor angelehnt an die Arbeiten von Kristeva und Waldenfels, in uns selbst, schlussendlich als einen Teil unserer Selbstkompetenz ausmacht. Diese gilt es also zu entfalten, denn nur so kann ich feststellen dass »die Fremdheit nicht erst beim anderen Menschen beginnt, sondern in mir selbst, [und] so bezieht sich die Fremdheit auch nicht allein auf die Menschen anderer Kulturen, sondern auf jeden anderen Menschen, der mir begegnet.« Zum Schluss verweist Rolf Elberfeld auf die Frage nach unterschiedlichen Fremdheitskompetenzen im Rahmen verschiedener Kulturen. Von der eingangs angesprochenen Frage von Macht und Machtstrukturen handelt der Aufsatz des Autors Hakan Gürses. Er rekurriert auf »die Unzulänglichkeiten des Kultur-Begriffs«, die zu einer kulturalistischen Lesart von Texten führen, die auch Interkulturelle Konzepte miteinschließt. »Partikularismus versus Universalismus« sind zwei wichtige Schlagwörter, die den Umgang mit Kultur, kulturellen Texten bzw. kulturellen/interkulturellen Zugängen charakterisieren. Gürses zeigt zugleich im Rekurs auf Foucault und Gramsci, dass Hegemonie und Machtstrukturen aber nicht a-kulturell sind. Mit Gramscis Konzept von Führen und Herrschen thematisiert Gürses ideologische, nämlich kulturelle und ethische Aspekte von Führung, die nicht allein auf militärischer oder polizeilicher Stärke beruht. Er verweist weiter auf das Zusammenspiel von Individuum/individuellen Gruppen und der Gesellschaft/des Staats in einer Doppelperspektive von Zwang und Konsenses, Autorität und Hegemonie, Gewalt und Kultur. Gürses erweitert Gramscis Staatsbegriff durch das Konzept der società civile als Schauplatz der kulturellen Hegemonie und der Kulturalität, Kontingenz der Kultur sowie die Universalisierung als Strategie. Er betont die Verschränkung von Kultur und Gesellschaft, samt deren ineinander verstrickte Machtverhältnisse: Kultur ermöglicht also Herrschaft, indem scheinbar sie Ordnung stiftet und real partikular agiert. Doch wie kann man dieser Sackgasse entkommen, da doch das Kulturelle nicht abzustreifen ist, wie ein Mantel oder ein anderes Kleidungsstück? Hakan Gürses schlägt vor, »von Kulturalität zu lernen«. Denn nur indem Partikularität und Kontingenz im Kulturellen aufgezeigt werden, wird die ideologische Dimension der Universalisierung deutlich und Hegemoniekritik wird möglich, ohne eine Gegenhegemonie aufbauen zu müssen. Nausikaa Schirilla versucht wiederum die Bandbreite der Kontroversen zu Interkultureller Kompetenz abzustecken, eine neue hinzuzufügen und sie gleich wieder einzuschränken. Schirilla bezieht sich auf Interkulturelle Kompetenz im Zusammenhang von Einwanderungsdebatten und stellt die Frage des Zugangs von Zugewanderten als neuen Teilen der Gesellschaft zu öffentlichen Dienstleistungen wie z. B. Gesundheitsversorgung. Interkulturelle Kompetenz in Dienstleistungsfeldern und entsprechende organisationsbezogene Konzepte sollen den Zugang zu Versorgung verbessern. Sie übernimmt das Konzept der Zugangsgerechtigkeit aus sozialpolitischen Diskursen und argumentiert, dass, wenn Interkulturelle Kompetenz im Kontext von Zugangsgerechtigkeit gedacht wird, Fragen nach dem Eigenen und Fremden ihre Bedeutung verlieren und Fragen nach Normalität und Vielfalt in den Vordergrund rücken. In demokratischen Gesellschaften muss kulturelle Vielfalt im Kontext demokratischer Rechte gesehen werden und nicht von Toleranz und Verständnis – so das Schlussplädoyer. Mit diesen Beiträgen werden sehr unterschiedliche Facetten einer Debatte berührt, die es philosophisch noch zu führen gilt. Auch dieser Band krankt wie die gesamte Interkulturelle-Kompetenz-Debatte, dass sie sehr westlich oder von Europa dominiert geführt wird. Es war nicht möglich, Autor(inn)en aus anderen Teile der Erde zu finden, die im Rekurs auf dortige philosophische Traditionen zu Kontroversen über Interkulturelle Kompetenz beitragen hätten können. Diese Einseitigkeit kann auf Machtverhältnisse hinweisen oder darauf, dass das Bestreben, andere zu verstehen und kulturell konnotierte Störungspotentiale durch eine besondere Kompetenz meistern zu wollen, vielleicht doch ein koloniales Erbe darstellt – oder ein sehr partikulares Interesse? Trotz vieler Lücken hoffen wir, den Nexus von Kultur, Macht und Kompetenz in verschiedenen Annäherungen ausgestaltet zu haben.
Aktualisiert: 2020-12-31
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Berührungen: Zum Verhältnis von Philosophie und Kunst

Berührungen: Zum Verhältnis von Philosophie und Kunst von Bäumer,  Bettina, Böhler,  Arno, Graneß,  Anke, Granzer,  Susanne Valerie, Hubatschke,  Christoph, Loughnane,  Adam, Noeth,  Sandra, Parkes,  Graham, Schmied-Kowarzik,  Wolfdietrich, Shorny,  Michael, Sriram,  Anjali, Sriram,  R., Stenger,  Georg, Walkowiak,  Kay
Interkulturelles Philosophieren setzt sich nicht nur mit den Inhalten philosophischer Ansätze auseinander, sondern auch mit den Formen des Philosophierens. Die als eurozentrisch kritisierte Dominanz des geschriebenen Wortes ist im Kontext von Fragen des »Beginns« und der Definition von Philosophie vielfach thematisiert worden. Dies wurde insbesondere in Debatten zu Oralität, Schriftlichkeit und Philosophie im afrikanischen Kontext deutlich. Damit ist aber nur ein Feld der Debatte erwähnt; eines der zentralen Anliegen interkulturellen Philosophierens und damit auch unserer Zeitschrift ist eineNeuorientierung in der Praxis des Philosophierens. Diese umfasst Fragen der Methoden und der Gestalten des Philosophierens in einer globalen Perspektive. Inwiefern sind Kunst, Tanz, Stimme oder Bild Ausdruckformen philosophischer Reflexion? Wurden oder werden diese aus dem Verständnis von Philosophie ausgegrenzt? Freilich ist diese Fragestellung weder neu in der Geschichte der Philosophie noch spezifisch für interkulturelle oder nicht-westliche Perspektiven – die Fragen der Formen und der Grenzen des Philosophierens hat in der europäischen Philosophie auch immer eine Rolle gespielt, so beispielsweise in der Romantik. Themen wie Methoden und Formen des Philosophierens sind in verschiedenen Nummern von »Polylog – Zeitschrift für Interkulturelles Philosophieren« diskutiert und reflektiert worden, so in der der Nr. 27 »Auf der Suche nach Methoden interkulturellen Philosophierens« oder in der Nr. 22 zum Thema »Sinneskulturen«. Wir freuen uns daher, dass wir diese Debatte mit dem Schwerpunkt auf dem Verhältnis von Philosophie und Kunst oder kunst-basiertem Philosophieren fortsetzen und vertiefen können. Georg Stenger hat diese Nummer gemeinsam mit den Gastherausgeber(inn)en Susanne Valerie Granzer und Arno Böhler zusammengestellt. Die Herausgebenden haben dabei auch vielfältige Formen der Thematisierung der Berührungen im Verhältnis von Philosophie und Kunst gefunden wie beispielsweise E-Mail-Gespräche und Interviews. Im Forum findet sich ein im Vergleich zum Schwerpunktteil eher traditionell ausgerichteter Beitrag, nämlich programmatische Thesen zum interkulturellen Selbstverständnis der Philosophie von Wolfdietrich Schmied-Kowarzik. Der Autor knüpft an ein Verständnis von Philosophie als emanzipatorischem Akt der Reflexion von politischen oder religiösen Abhängigkeiten an und verbindet dies mit einer Klärung des Status kulturell unterschiedlicher philosophischer Denkansätze. Als Perspektive formuliert er ein universales philosophisches Anliegen der Verständigung »für das Projekt sittlichen Menschseins«, das eben nur interkulturell begründet werden kann. Im Medienteil sind wieder viele sehr unterschiedliche Buchtipps und Rezensionen zu lesen. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nun im Internet der zweite Teil der polylog Nr. 34 zu finden ist, es handelt sich um die Fortsetzung der Veröffentlichung der Tagung von polylog. Forum im IWK Wien zum Thema transitional justice unter dem Titel Versöhnung und/oder Gerechtigkeit. Die Artikel sind von unserer Website www.polylog.net herunterzuladen. Im Internet sind auch alle Rezensionen und Buchtipps sowie ein Artikel der aktuellen Ausgabe verfügbar. Vielen Dank an Arno Böhler, Susanne Valerie Granzer und Georg Stenger für die Zusammenstellung des philosophisch und künstlerisch wunderschönen Thementeils! Wir wünschen viel Spaß und neue Erkenntnisse bei der Lektüre dieser Ausgabe. Für die Redaktion, Nausikaa Schirilla
Aktualisiert: 2020-12-31
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Heidegger interkulturell?

Heidegger interkulturell? von Ben Yagi,  Tsutomu, Graneß,  Anke, Han,  Choong-Su, Ikeda,  Takashi, Kimmerle,  Heinz, Kirloskar-Steinbach,  Monika, Menditto,  Giuseppe, Praeg,  Leonhard, Ross,  Martin, Shorny,  Michael
Europäische Philosophen traten oft genug als monokulturelle Denker auf, obwohl sie sich universal begriffen. Der Schwerpunkteil dieser Nummer ist einem dieser monokulturellen Philosophen gewidmet, der jedoch vielfältig international und auch interkulturell rezipiert wurde und wird. Die Nummer 31 von polylog zeichnet einige Versuche auf, Heideggers Denken interkulturell fruchtbar zu machen. Es ist fu¨r diese Zeitschrift ungewöhnlich, dass ein Denker und nicht ein Thema oder eine Region in der Welt als Schwerpunkt gewählt werden. Anlässlich des Kongresses 'Ort/e des Denkens' an der Universität Wien 2013 sind der Redaktion jedoch viele philosophische Ansätze aufgefallen, die im Rekurs auf Heideggersche Konzeptionen Fragestellungen im Kontext nicht westlicher philosophischer Traditionen bearbeiten. Diese Ansätze stehen im Zentrum des Thementeils – es geht also darum, wie Heidegger interkulturell rezipiert wird, trotz der nicht zu leugnenden antisemitischen und nationalistischen Positionen dieses Philosophen. Weitere Beiträge dieser Nummer sind eher traditionell fu¨r eine Zeitschrift fu¨r interkulturelles Philosophieren. Heinz Kimmerle, einer der großen westlichen Experten fu¨r afrikanische Philosophie, schreibt u¨ber afrokaribische Philosophien. Damit beschreibt er eine Tradition der afrikanischen Philosophie, die sich im Gebiet der Karibik herausgebildet hat. Sie ist gekennzeichnet durch den Kampf gegen Sklaverei und koloniale Unterdru¨ckung und das Erbe an der traditionellen afrikanischen Philosophie. In einem weiteren Forumsbeitrag setzt sich Leonhard Praeg in essayistischer Form von 'Postcards from the Postcolony' mit Postkolonialität, Fremdheit und Kultur auseinander. Eine besonders große Fundgrube bietet diesmal der Rezensionsteil mit zahlreichen Rezensionen und vielen Buchtipps zu aktuellen Neuerscheinungen.
Aktualisiert: 2020-12-31
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Übersetzen

Übersetzen von Amaladass,  Anand, Baatz,  Ursula, Boteva-Richter,  Bianca, Dussel,  Enrique, Fornet-Ponse,  Thomas, Gmainer-Pranzl,  Franz, Kaloianov,  Radostin, Oduwole,  Ebunoluwa O., Shorny,  Michael, Wimmer,  Franz Martin, Wiredu,  Kwasi
"Übersetzung" lautet das Thema der vorliegenden Nummer 24. Damit steht ein zentrales Problem interkulturellen Philosophierens im Mittelpunkt dieser Nummer. Denn Grundvoraussetzung für die Annäherung an und Auseinandersetzung mit Denktraditionen, Konzepten, Ideen, Diskussionen und Lösungsansätzen aus anderen Regionen der Welt ist ein sprachlicher Zugang - und damit das Übersetzen in eine von uns beherrschte Sprache. Der Akt des Übersetzens zieht sogleich eine ganze Reihe philosophischer und auch rein praktischer Probleme nach sich: Wie kann ein Begriff, ein Konzept, eine Idee aus einem anderen soziohistorischen, kulturellen, religiösen und sprachlichen Hintergrund vo vermittelt werden, dass einerseits möglichst wenig an Inhalt und Kontext verloren geht und andererseits trotzdem ein Verstehen, im Sinne eines Nachvollziehens, in meiner Sprache möglich ist? Wie kann vermieden werden, dass im Prozess der Übersetzung eine Übertragung der eigenen epistemologischen Voraussetzungen, der in unserer Sprache verankerten Denkstrukturen und Bilder, zu einer Verzerrung der zu übersetzenden Gedanken führt? Kann das überhaupt vermieden werden? Ist Übersetzung also überhaupt möglich oder nicht? Und ist der Prozess des Übersetzens, des Aneignens des Anderen nicht bereits wieder ein kolonisierender, unterdrückender Akt der Einverleibung und Anpassung des Anderen an das Eigene? Es ist uns eine große Freude mitzuteilen, dass Professor Wimmer im Oktober 2010 für seine Pionierarbeiten zur interkulturellen Philosophie mit dem "Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich" ausgezeichnet worden ist. Ein Beitrag dieser Nummer widmet sich den Leistungen Franz M. Wimmers. Das FORUM dieser Nummer enthält diesmal drei Beiträge: Enrique Dussel plädiert für die Anerkennung und Akzeptanz des Werts und der Geschichte aller regionalen philosophischen Traditionen auf der Erde und fordert, dass sich das auch in der philosophischen Lehre widerspiegeln sollte. Der Beitrag von Radostin Kaloianov beschäftigt sich mit der Debatte um den Begriff "Multikulturalismus", und Thomas Fornet-Ponse bringt uns das Denken von Xavier Zubiri und Ignacio Ellacuría näher. An den großen Vorreiter eines interkulturellen Philosophierens und eines interreligiösen Dialogs, Raimundo Panikkar, verstorben am 26. August 2010 im Alter von 98 Jahren, erinnert ein Nachruf von Anand Amaladass und Ursula Baatz.
Aktualisiert: 2020-12-31
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Ästhetik

Ästhetik von Baier,  Karl, Diaconu,  Madalina, Elberfeld,  Rolf, Faber,  Roland, Follari,  Roberto, Punte,  Maria José, Shorny,  Michael
In der neuen Ausgabe von polylog greifen wir ein Thema auf, das in der interkulturellen Philosophie bisher nicht im Zentrum des Interesses gestanden ist, nämlich die Ästhetik. Bereits in den Voru¨berlegungen sind so vielfältige Fragestellungen aufgetaucht, dass sofort klar wurde, dass die vorliegenden Beiträge nur eine erste Annäherung an eine philosophische Ästhetik in interkultureller Perspektive darstellen können. Dass wir uns u¨berhaupt an die „Ästhetik“ herangewagt haben, verdanken wir einer Anregung von Karl Baier, der auch selbst einen spannenden Beitrag zu diesem Thema vorlegt. Rolf ELBERFELD hat zuletzt die redaktionelle Betreuung u¨bernommen. Im forum finden Sie zwei Beiträge. Der erste Artikel setzt sich mit dem Denken von Alfred North Whitehead auseinander, dessen Bedeutung fu¨r eine interkulturelle Philosophie noch näher zu erschließen sein wird. Roland FABER, ein anerkannter Whitehead-Spezialist, versucht dessen Prozesstheologie fu¨r eine Theorie des 'Transreligiösen Diskurses' fruchtbar zu machen. Der zweite Beitrag stammt von Roberto Augustin FOLLARI, einem der wichtigsten Proponenten eines lateinamerikanischen Postmodernismus, der Motive der europäischen Postmoderne im Licht der lateinamerikanischen Erfahrungskontexte einer kritischen Revision unterwirft.
Aktualisiert: 2020-12-31
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Vier Ansätze interkulturellen Philosophierens

Vier Ansätze interkulturellen Philosophierens von Baatz,  Ursula, Fornet-Betancourt,  Raúl, Mall,  Ram Adhar, Panikkar,  Raimon, Shorny,  Michael, Weidtmann,  Niels, Wimmer,  Franz M
Vorwort zur zweiten Auflage 2014 1998 startete das Projekt „Polylog – Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren“ dezidiert „nicht bloß als Ort der Präsentation, sondern auch als Raum für Austausch und Begegnung, Raum für einen Polylog“, wie es im ersten Editorial hieß. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2014, und inzwischen ist die 30. Nummer der Zeitschrift erschienen. Im „polylogischen Raum“ ist viel philosophiert undd diskutiert worden, beispielsweise in Themenschwerpunkten zu Natur, Übersetzen, Geld und Ästhetik, zum Gerechten Krieg und zum Arabischen Frühling, zu Formen des Philosophierens und zu Sinneskulturen, um nur einige der sehr unterschiedlich akzentuierten Themenschwerpunkte zu nennen. Die programmatischen Fragen, die in der ersten Nummer der Zeitschrift gestellt wurden, fordern immer noch zu Antworten heraus; manche Fragen wurden ausdifferenziert, neue Fragen sind hinzugekommen, aber die Notwendigkeit interkultureller Vermittlung ist nach wie vor aktuell, ja drängender denn je. Nach wie vor bestehen verschiedene Ansätze interkulturellen Philosophierens nebeneinander und entfalten ein vielfältiges Potential. Das Vorhaben, interkulturell zu philosophieren, ist zwar (noch) nicht in allen Curricula philosophischer Studiengänge verankert, ist jedoch bei vielen Tagungen und Sitzungen nationaler sowie internationaler philosophischer Gesellschaften zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Das Thema findet zunehmend Interesse, stößt aber auch auf grundsätzliche Kritik aus den eigenen Reihen – auf den Vorwurf, dass durch den Fokus auf „Interkulturalität“ Fremdheit erst erzeugt, Kulturen essentialisiert und Differenzen stereotypisiert werden können. Diese Kritik ist in die Arbeit von Polylog eingegangen und hat immer wieder zu kreativen Auseinandersetzungen geführt. Und damit dieser Diskussionsprozess immer wieder neu angestoßen wird und der Anspruch eines „polylogischen Raums“ auch programmatisch eingelöst wird, drucken wir die mittlerweile vergriffene erste Nummer von Polylog wieder nach. Die hier veröffentlichten Texte beschreiben maßgebliche Perspektiven interkulturell philosophischer Ansätze, die heute vielleicht um die eine oder andere ergänzt werden könnten, aber weiterhin relevant sind. Es geht uns nicht darum, die Beiträge der ersten Nummer unserer Zeitschrift zu kanonisieren, sondern vielmehr darum, uns an ihnen abzuarbeiten, ihre Inspiration aufzunehmen und daraus neue Impulse zu setzen. Der Text der Wiederauflage ist fast identisch mit dem Original; der Text läuft aus technischen Gründen etwas anders, ist aber im Wesentlichen seitengleich mit der Auflage von 1998. Typographische Fehler wurden nicht korrigiert, dafür aber die URLs und Adressen im Impressum aktualisiert. Auf Seite U3 sind schließlich die aktuellen Abo- und Verkaufsdaten zu finden. Die Redaktion ist heute wesentlich größer und umfasst fünfzehn Mitglieder; Herausgeberin von Polylog ist weiterhin die WiGiP. Wir wünschen viel Freude und Inspiration bei der Lektüre der neuen alten Nummer 1! Für die Redaktion: Nausikaa Schirilla Mai 2014
Aktualisiert: 2020-12-31
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Sinneskulturen

Sinneskulturen von Baier,  Karl, Diaconu,  Madalina, Falaiye,  Muyiwa, Fürlinger,  Ernst, Heubel,  Fabian, Lee,  Eun-Jeung, Ramos Lamar,  Adolfo, Shorny,  Michael, Surana,  Vibha, Yousefi,  Hamid Reza
Der Themenschwerpunkt "SINNESKULTUREN" ist in der Redaktion bereits seit mehreren Jahren dieskutiert worden. Es ist für uns daher eine besondere Freude, dass Dank des Engagements von Madalina Diaconu und Karl Baier das Vorhaben einer interkulturellen Annäherung an dieses komplexe Thema realisiert werden konnte. In diesem Heft konnte auch die Rubrik "Interview" wieder gefüllt werden. Anke Graneß und Stefan Skupien haben mit Prof. Muyiwa Falaiye, dem Leiter des Philosophieinstituts der Universität Lagos (Nigeria) ein Gespräch über seine Sicht des Projekts einer afrikanischen Philosophie geführt. Die beiden Beiträge im "forum" beziehen sich jeweils auf eine historische Thematik. Hamid Reza Yousefi stellt in seinem Beitrag "Die Entdeckung der Vernunft" Zarathustra als eine zentrale Gestalt achsenzeitlicher Aufklärung vor und nicht, wie meist üblich, als einen Religionsstifter. Im Mittelpunkt des Beitrags von Eun-Jeung Lee steht der koreanische Politiker und Denker Chong Yag-yong (1762-1836), der sich vermittelt durch die Schriften des Jesuitenmissionars Matteo Ricci bereits früh mit der westlichen Wissenschaft und dem Christentum beschäftigte und diese in sein Denken einarbeitete.
Aktualisiert: 2020-12-31
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Gerechtigkeit

Gerechtigkeit von Abu-Zayd,  Nasr, Cho,  Sungtaek, Dussel,  Enrique, Mouffe,  Chantal, Oruka,  H Odera, Schelkshorn,  Hans, Shorny,  Michael
polylog verändert sich: mit der Nr. 7, die nur wenig verspätet (und im gewohnten Umfang) im Sommer erscheinen wird, wird Ihnen Hans SCHELKSHORN, der von nun an an meiner Stelle die Redaktionsarbeit koordinieren wird, von kleineren Veränderungen in der Redaktion und einiges hinsichtlich unserer Kooperationen berichten. Hans SCHELKSHORN hat auch das diesmalige "thema" betreut: Gerechtigkeit. Mit dem forum-Beitrag von Chantal MOUFFE setzen wir die Diskussionen in früheren polylog-Heften (angefangen mit polylog Nr. 2 zu Konsenstheorie in Afrika) zum Thema Demokratietheorie fort. Bertold BERNREUTER traf Luis VILLORO, das Gespräch, das er mit ihm an mehreren Tagen geführt hat, finden Sie (in einer gekürzten Form) ab Seite 62. Michael Shorny
Aktualisiert: 2020-12-31
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Kwasi Wiredus Konsensethik. Ein afrikanisches Modell

Kwasi Wiredus Konsensethik. Ein afrikanisches Modell von Bischof,  Hartwig, Eze,  Emmanuel Chukwudu, Graneß,  Anke, Gürses,  Hakan, Presbey,  Gail, Shorny,  Michael, Weidtmann,  Niels, Wiredu,  Kwasi
Nachdem sich der Schwerpunkt der ersten Nummer unserer Zeitschrift verschiedenen theoretischen Fragen und Ansätzen eines interkulturellen Philosophierens gewidmet hat, steigen wir mit der Nummer zwei nun in die Praxis eines interkulturellen Philosophierens ein. Dies bedeutet natürlich nicht, daß damit alle theoretischen Probleme schon hinter uns liegen. Ganz im Gegenteil: alle in der letzten Nummer vorgestellten Konzepte und Fragen müssen und werden in den nächsten Nummern weiterdiskutiert werden. Den Anfang macht heute HAKAN GÜRSES mit seinen Überlegungen zum Kulturbegriff. Aber interkulturelles Philosophieren kann nicht nur in theoretischen Überlegungen über Begriffe wie Kultur, Philosophie oder Fragen des Verstehens bestehen, sondern besteht ganz wesentlich im philosophischen Polylog der Kulturen und Tradititonen selbst. Aus diesem Grund wendet sich das Thema dieser Nummer einer bestimmten Region der Erde zu, die auf der Landkarte der Philosophie bis heute vielfach nicht verzeichnet ist. So werden hier bisher ungehörte Stimmen in den Polylog einbezogen und in einem ersten Schritt für unser Denken fruchtbar gemacht. Mit der Diskussion eines zeitgenössischen philosophischen Projekts aus Afrika zu beginnen, schien uns aus zwei Gründen interessant: Zum einen wollen wir dazu beitragen, die bisher marginalisierten Theorien afrikanischer Philosophen und Philosophinnen mehr ins Zentrum der weltphilosophischen Debatten zu rücken. Zum anderen scheint uns das Projekt einer Konsensethik viele fruchtbare Ansatzpunkte zu bieten, die es gilt, in einem interkulturellen Polylog weiterzudenken, und zwar unter dem Gesichtspunkt einer universalgültigen Ethik ebenso wie unter dem Gesichtspunkt der Lösung regionaler Konflikte. Die Diskussion des Ansatzes im Projekt von KWASI WIREDU durch die verschiedenen BeiträgerInnen dieser Nummer weist hier bereits Wege zum Weiterdenken auf. Weitere Stimmen wären für uns von großem Interesse und werden in den Foren der nächsten Nummern zu Wort kommen.
Aktualisiert: 2020-12-31
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