175 Jahre Kurd Laßwitz. Science Fiction als „Evangelium der technischen Kultur“ 1871 – 1910
Bibliophile Jubiläums-Hardcoverausgabe mit Leseband zum 175. Geburtstag von Kurd Laßwitz am 20. April 2023
Detlef Münch
Anlässlich seines 175. Geburtstags am 20. April 2023 wird Kurd Laßwitz (1848 – 1910), der eine „ethische Kraft des Technischen“ postulierte und die Literatur des technischen Zeitalters, die Science Fiction, als „Evangelium der technischen Kultur“, als Frohe Botschaft der Technik, verkündete, als bedeutender Zukunftsvisionär, Technikphilosoph und „Vater der deutschen Science Fiction“ kritisch gewürdigt.
Denn Laßwitz hat eben nicht nur mit der zukunftstechnisch-philosophischen Utopie „Bis Nullpunkt des Seins“ am 21. Juni 1871 den Nullpunkt der modernen (deutschen) Science Fiction gesetzt. 20 Jahre vor H. G. Wells und innovativer und spekulativer als Jules Verne dürfte er sogar als der eigentliche Erfinder der modernen Science Fiction gelten.
Sein genuiner Einfluss auf die deutsche SF wird bis heute unterschätzt, denn wenn er auch die Ethik seiner SF nur bei einigen SF-Jugendschriftstellern wie Albert Daiber und Friedrich Wilhelm Mader etablieren konnte, war er doch prägend für die deutsche Mars-SF bis in die 1920er Jahre und motivierte u.a. Ferdinand Groß, Carl Grunert, Salomo Friedlaender (Mynona) und Hans Dominik, immerhin der populärste deutsche SF-Autor des 20. Jahrhunderts, zu ihren SF-Schriftstellerkarrieren. Wenngleich sein ehemaliger Gymnasiast Dominik sich in seinen SF-Romanen seit den 1920er Jahren immer mehr von Laßwitz entfernte, blieb er doch in den zahlreichen SF-Jugenderzählungen dessen didaktischen Anspruch mit einer technik- und wissenschaftspopularisierenden Intention treu und adaptierte zudem frühe Laßwitz´sche Space Opera Elemente wie die Strahlenwaffe Telelyt oder die „Erdbremse“, die den Planeten zum Stillstand bringen sollte.
Im übermächtigen Schatten der anthropomorphen Marsianer aus seinem Hauptwerk „Auf zwei Planeten“ 1897 stehend, wurde bisher weniger betrachtet, dass Laßwitz auch eine Vielzahl möglicher nichthumanoider Bewohner fremder Welten antizipert hat. So kreierte er Cerebrer oder Elektriden, Feuerriesen auf der Sonne, intelligente Pflanzen auf dem Mars und vegetabilisch-animalische Idonen vom Neptunsmond Triton, die als ihr Memento mori sogar eine ökologische Botschaft für die Menschheit haben.
Den traurigen Zustand der Gesellschaft seiner Zeit, an dem sich bis heute nun auch nichts geändert hat, begründete Laßwitz mit dem „Jugendfehler des Planeten“, der evolutionären Trennung von Natur und Geist, der Entfremdung von der „Planetenseele“, womit er sogar schon früh die selbstmörderische ökologische Zerstörung der Erde durch den Menschen erklärte.
So sind in Laßwitz´ letztem Roman 1909 „Sternentau“ Pflanzen die besseren Menschen, die Menschen selbst ein hoffnungsloser, nicht therapierbarer Fall, ein großes Missverständnis im Universum, eine Fehlentwicklung und Gefahr des Sonnensystems.
Inhalt:
Anlässlich Kurd Laßwitz´ 175. Geburtstag
Laßwitz´ Nullpunkt der deutschen Science Fiction am 21. Juni 1871
Genese von „Bis zum Nullpunkt des Seins“ 1869 – 1877
Die 1. SF-Bibliothek anno 1871
Schon mehr SF in Laßwitz´ „Bilder aus der Zukunft“ von 1871/77 als im Gesamtwerk von Jules Verne
Der Televisualisator – wie Albert Robida kongenial 1883 Laßwitz´ „Bilder aus der Zukunft“ fernillustrierte
Vom Naturwissenschaftlichen Märchen zur Science Fiction
Frühe Kritik an Laßwitz´ SF als „Technischer Chiliasmus“
125 Jahre „Auf zwei Planeten“ – Editionshistorie bis 1945
Laßwitz´ Strahlenwaffe Telelyt 1892 und ihre Folgen
Und die Erde steht still – Laßwitz´ „Erdbremse“ als klimatischer Planetenkiller anno 1897
Science Fiction als „Evangelium der technischen Kultur“ – Laßwitz´ Theorie der SF
Science Fiction und extraterrestrische Intelligenzen
Laßwitz´ nichthumanoiden Extraterrestrier und ihre ökologische Botschaft an die Menschheit
Textnachweise
Sekundärliteratur