Ad-hoc-Publizität und Wissenszurechnung
Kevin Schmidt
Der VW-Abgasskandal warf für die europarechtlich geprägte Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG a.F. bzw. Art. 17 Market Abuse Regulation (MAR) die Frage auf, ab welchem Zeitpunkt ein Emittent von Finanzinstrumenten zur Offenlegung von Insiderinformationen verpflichtet ist, die ihn unmittelbar betreffen. Eine berechtigte Frage, da sich doch Leitungs- und Aufsichtsorgane im Allgemeinen gerne auf die Unkenntnis hinsichtlich des Vorliegens von Insiderinformationen berufen. Anknüpfend daran war zu klären, ob die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität erst mit Kenntnis des Emittenten entsteht und wenn ja, wie ihm das Wissen bestimmter Personen innerhalb der eigenen Gesellschaft und im Konzern im Hinblick auf Art. 17 Abs. 1 MAR zuzurechnen ist. Insoweit besteht ein Spannungsverhältnis zwischen vollharmonisierenden EU-Recht und bekannten Grundsätzen der Wissenszurechnung im deutschen Recht.
Diese Studie untersucht dabei zunächst die Frage, ob § 15 WpHG a.F. bzw. Art. 17 Abs. 1 MAR ein subjektives Element enthalten und kommt dabei zudem Ergebnis, dass sich ein solches aus dem Merkmal der „Unverzüglichkeit“ der Offenlegungsverpflichtung nach Art. 17 Abs. 1 MAR unionsrechtsautonom ableiten lässt. Darauf aufbauend, wird die Anwendbarkeit der deutschen Wissenszurechnungsgrundsätze im Rahmen von Art. 17 Abs. 1 MAR untersucht. Es erfolgt dabei eine systematische Betrachtung der einzelnen Zurechnungskonstellationen innerhalb einer Gesellschaft, bei der grundsätzlich eine Wissenszurechnung von Leitungs-, Aufsichtsorganen oder von Mitarbeitern in Betracht kommt. Weiterhin stellt sich die Frage der kapitalmarktrechtlich orientierten Wissenszurechnung jedoch auch in komplexen Konzernsachverhalten, die dahingehend ebenfalls untersucht wurden. Die Arbeit berücksichtigt dabei auch die sich möglicherweise aus nationalem Recht ergebenden Grenzen einer Wissenszurechnung und setzt diese in ein kontextbezogenes Verhältnis zum europäischen Marktmissbrauchsrecht.