Analytische Untersuchung der Quartetti No. 2, No. 3 und No. 4 von Giacinto Scelsi
Joon-Hye Suk
Die Klangvorstellung des italienischen Komponisten Giacinto Scelsi fordert die auditive Wahrnehmung des Zuhörers viel stärker heraus als dies bei anderen Komponisten der Fall ist. Das Hören seiner Musik wirft somit die Frage auf, aus welchen Materialien und musikalischen Stilmitteln seine Kompositionen tatsächlich bestehen. Um diese Frage zu beantworten, wird diese Arbeit die Partituren ausgewählter Streichquartette Scelsis unter analytischen Aspekten mittels Dekomposition untersuchen. Dies sollte auf keinen Fall dahingehend missverstanden werden, dass eine solche Arbeit den Geist bzw. die Seele eines Werks verstummelt, wie etwa E. Varese klagt –“to explain by means of [analysis] is to decompose, to mutilate the spirit of a work“4 – sondern im Gegenteil: Weil diese Musik so schon klingt, sollte sie unsere Neugierde und den Wunsch wecken, auch hinter ihre Kulissen zu schauen, um ein tieferes Verständnis für seine Musik zu entwickeln. Hilfreich dabei ist, die Ideen und Einfälle sowie die klanglichen Mittel, derer er sich bedient, durch eine fundierte Analyse herauszuarbeiten.
Zwischen 1938 und 1956 schrieb Scelsi zunächst eine kleine Anzahl von Werken für Ensemble – ein Quartett, zwei Trios, fünf Stucke für zwei Instrumente, zwei Zyklen für gemischte Stimmen, zwei für größeres Ensemble – und über 40 Werke für Soloinstrumente. Scelsi betonte immer wieder, dass er kein Komponist sei, sondern Bote, Gefäß, Empfänger einer göttlichen Botschaft. In meditativ vorbereiteten Zustanden der Inspirationmanifestierten sich diese Botschaften in Improvisationen, die auf Tonband aufgenommen und dann von Assistenten auf Partituren übertragen wurden.