Auf der Suche nach einer neuen jüdischen Identität
Der Schriftsteller Karl Lieblich (1895–1984) und seine Vision einer interterritorialen Nation
Christoph Manasse
Der Stuttgarter Schriftsteller Karl Lieblich entwickelte Ende der 1920er Jahre die Vision eines neuen Judentums. Dabei entwarf er ein eigenes Gesellschaftsmodell, welches die Diaspora der Juden als natur- und gottgegeben betrachtete und das jüdische Volk als ›Gürtel- und Mörtelvolk‹ zwischen den übrigen Völkern definierte. Lieblich orientierte sich bei seinen Überlegungen an den kulturellen Minderheitenkonzepten in Ost- und Mittelosteuropa, welche auf dem Grundsatz der personalen Autonomie basierten. Von der Staatengemeinschaft forderte er deshalb die völkerrechtliche Anerkennung des jüdischen Volkes als interterritoriale Nation. Das Buch zeichnet die Entwicklung der kulturpolitischen Visionen Lieblichs nach und bettet diese in seine Biografie ein. Gleichzeitig deckt die Studie Bezüge jener Visionen auf und versucht diese in einem größeren Kontext zu verankern.