Bild und Bibliothek
Die graphische Sammlung der schweizerischen Nationalbibliothek oder wie die Kunst in die Bibliothek kam und warum sie dort geblieben ist
Susanne Bieri
Susanne Bieri, Leiterin der Graphischen Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek, führt in ihrem Buch durch die wechselvolle Geschichte dieser Institution, von der Neugründung im Jahr 1895 bis in die Gegenwart.
Bilder wurden stets als originäres Element eines helvetischen Bibliotheksbestandes aufgefasst – das zeigt die Vorgeschichte der Nationalbibliothek, die geprägt ist durch ihre ideellen Wegbereiter Gottlieb Emanuel von Haller und Philipp Albert Stapfer. Sowohl die authentische bildliche Wiedergabe eines Gegenstands oder Sachverhalts als auch die künstlerische Ausführung waren wichtige Sammelkriterien. Entsprechend wurden in der Nationalbibliothek «mit Einschluss artistischer Darstellungen» explizit nicht nur «schweizerische Bilder, Portraits und Stiche», sondern auch «Aufrüfe, Flugblätter und ähnliche Drucksachen» gesammelt, also sämtliche visuelle Bildmedien, die über Land und Leute Auskunft geben. Das Sammelkonzept, das hier sichtbar wird, verweist auf das traditionelle Kunstkammer-Prinzip und sollte sowohl dokumentarischen als auch künstlerisch orientierten Ambitionen genügen – und das Jahrzehnte, bevor der avantgardistische Kunstbegriff die Kategorien «high and low» einführte. Dieser Ansatz liess die Schweizerische Nationalbibliothek zu einer illustrierten Enzyklopädie der Schweiz im Leibniz’schen Sinne werden, zu einem Gedächtnisspeicher, in dem sich die Komplexität des schweizerischen Staatengefüges erst wirklich zu einem «Bild der Nation» zusammenfügt, das nationale Identität stiftet.