„Da heime in miner Pfarre“. Identitätsbildung und Kulturtransfer im europäischen Niederkirchenwesen der Vormoderne
Michele Ferrari, Beat Kümin
In den letzten Jahrzehnten erhielt die Pfarrei als strukturierende Einheit europäischer Territorien der Vormoderne zunehmend Aufmerksamkeit. Sie war nicht nur ein kirchenrechtlich (verhältnismäßig schwach) definiertes Gebilde, sondern ein lebendiger Ort des Austauschs, in dem institutionelle Konzepte, wirtschaftliche Interessen, soziale Bewegungen und kulturelle Strömungen verhandelt und verarbeitet wurden. Die Pfarrei war die Nahtstelle zwischen den Kirchenoberen und dem Laienvolk, und deshalb kam ihr eine vitale gesellschaftliche Rolle zu. Besonders wichtig war ihre Funktion zur Identitätsbildung lokaler Gemeinschaften, die sich um eine nicht selten eigens gebaute Pfarrkirche versammelten und regen Einfluss auf die Ausstattung des Gotteshauses und auf die Besetzung der Stellen nahmen. Der Band möchte einen eigenen Beitrag zur Erforschung des Niederkirchenwesens der Vormoderne leisten, indem zum einen eine dezidiert europäische Perspektive gewählt wurde – die Beiträge behandeln die deutschsprachigen Teile Europas sowie England, Frankreich, Ungarn und Italien –, zum anderen aber ein besonderer Akzent auf die kulturellen Errungenschaften der Pfarreien bis zum 16. Jahrhundert gesetzt wird: Kirchenbau und Architektur, Buchwesen und Musikpflege.