Das 20. Jahrhundert in Südtirol / Zwischen Europa und Provinz
1979-2000
Hans Heiss, Gottfried Solderer
Die beginnenden 80er Jahre waren in Südtirol von wirtschaftlicher und politischer Stagnation gekennzeichnet, die sich auch auf das soziale Empfinden niederschlug: Die Goldenen Siebziger waren zu Ende, die Zeit der Vollbeschäftigung vorbei, die Beziehungen zwischen den Sprachgruppen verhärteten sich besonders nach der Sprachgruppenerklärung 1981, den erstarkenden Untergangsängsten der italienischsprachigen Südtiroler und den neuen Bomben der Gruppe „Ein Tirol“. Konservatismus zog auf beiden Seiten auf, während eine Minderheit den interethnischen Weg einschlug.
Mitte der 80er Jahre trat eine langsame Veränderung ein, deren Dynamik sich zu Beginn der 90er Jahre beschleunigte und Südtirol auf jenen Erfolgskurs brachte, der das Land immer noch kennzeichnet. Ab 1986 übernahm eine neue Generation das Ruder: Wilhelm Egger löste Bischof Joseph Gargitter ab, drei Jahre später Luis Durnwalder Landeshauptmann Magnago. Paketabschluss 1988 und Streitbeilegungserklärung 1992 legten den Weg endgültig frei für die volle Gestaltung der Südtirol-Autonomie. Üppig bezuschusst blühte das Vereins- und Kulturleben auf, ein Bauboom setzte ein und die Wirtschaft pulsierte. Doch nicht ohne auch Schattenseiten hervorzurufen: Die Kultur wurde zahm, rechte Protestparteien gewannen Stimmen, Landschafts- und Umweltschutz hinkten der Zeit hinterher, neue Randgruppen wie Alleinerziehende, Fremdarbeiter oder verschuldete Familien wurden wenig berücksichtigt.
„Zwischen Europa und Provinz“ versucht eine schwierige Balance in der Beschreibung der Südtiroler Erfolgsjahre und dem Aufzeigen der negativen Tendenzen. Da in allen Kapiteln Neuland beschritten werden musste, waren die Autoren mit einer Fülle an Fakten und mit eigenen Erlebnissen konfrontiert, die erst geordnet und eingeschätzt werden mussten.