Das Europäische Visumrecht
Von den Ursprüngen im Schengener Regime, seiner Entwicklung in der Europäischen Union und den Auswirkungen auf das deutsche Ausländerrecht
Martin Keicher
Mit den Schengener Abkommen wurden die Binnengrenzkontrollen in den beteiligten Mitgliedstaaten abgeschafft und Ausgleichsmaßnahmen beschlossen, um die Reisefreiheit bei gleichzeitiger Gewährung der erforderlichen Sicherheit zu gewährleisten. Eine notwendige Folge war die Harmonisierung des Einreise- und Visumrechts, die einheitliche Vorausset-zungen für den Zugang zu dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten sicherstellen sollte. Mit dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) wurde daher auch das gemeinsame Visum für kurzfristige Aufenthalte bis zu drei Monaten, das sog. Schengen-Visum, eingeführt. Am 5.4.2010 trat auf europäischer Ebene der Visakodex in Kraft, durch den die Bestimmun-gen des SDÜ zum Schengen-Visum in eine europäische Verordnung überführt wurden. Diese Entwicklungen haben zu einer gemeinsamen Visumpolitik geführt, bei der die Erteilung kurzfristiger Visa nicht länger ausschließlich Gegenstand des nationalen Rechts ist, sondern weitgehend durch das europäische Visumrecht geregelt wird. In dieser Studie wird die Rechtssetzung, die das Visumrecht durch die Harmonisierung auf europäischer Ebene erfahren hat, ausführlich dargestellt und unter besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen Ausgestaltung der zahlreichen Spannungsfelder bewertet. Dabei wer-den auch die Schnittstellen des Europarechts und des nationalen Rechts herausgearbeitet und die Einbeziehung der europarechtlichen Vorgaben in das deutsche Ausländerrecht beleuchtet. Zunächst werden die Entwicklung des europäischen Visumrechts skizziert und die Verbindungslinien des Visumrechts zur europäischen Koordinierung der Migrationspolitik aufgezeigt. Anschließend werden die Rechtsgrundlagen unter besonderer Berücksichtigung der Änderungen durch den Visakodex ausführlich erläutert und bewertet. Es erfolgt auch eine Analyse der geplanten neuen Informationssysteme, namentlich des Schengener Informationssystems der zweiten Generation und des Visa-Informationssystems sowie der damit verbundenen datenschutzrechtlichen Problemstellungen. Abschließend setzt sich der Autor mit den Rechtsschutzmöglichkeiten der Visumantragsteller auseinander und gibt einen Ausblick auf die geplanten Weiterentwicklungen des europäischen Visumrechts.