Das Lied und das Ich
Betrachtungen eines Sängers über Musik, Performance und Identität
Ian Bostridge, Annabel Zettel
„Wenn man als Sänger auftritt, dann nimmt man eine Stimme an, aber bis zu welchem Grad ist diese Stimme Deine eigene? Oder die des Komponisten? Oder die des Dichters oder Librettisten? Und inwieweit bringt das Musikstück, das Du interpretierst, eine stille, manchmal unterschwellige Geschichte mit sich, die vielleicht Fragen aufwirft, welche im Konzertsaal selten gestellt werden können?“
Ian Bostridge, dessen unvergleichlich schönes Buch über Schuberts „Winterreise“ hierzulande mit über 30 000 verkauften Exemplaren zu einem Bestseller geworden ist, erkundet in seinen eleganten Essays die hochkomplexe Interaktion zwischen der Identität des aufführenden Künstlers und den Identitäten, die intentional in einem Kunstwerk zum Ausdruck gelangen oder doch darin verborgen eingelagert sind. Claudio Monteverdis Oper „Tankred und Clorinda“, Robert Schumanns „Frauenliebe und Leben“ und die „Chansons madécasses“ von Maurice Ravel bilden dabei Anschauungsmaterial, an dem sich sowohl die „ewigen“ Fragen der Interpretationskunst wie auch aktuelle Herausforderungen, etwa das Problem der „kulturellen Aneignung“, diskutieren lassen.