Der Hirsch: Popularisierung und Individualisierung eines Motivs
Silke Krohn
Der Hirsch ist das Tiermotiv, das in der abendländischen Kultur nicht nur am häufigsten dargestellt wurde, es ist auch eines der am frühesten dargestellten Motive und beinhaltet zahlreiche Bedeutungen, die sich bis in die Ursprünge menschlicher Kultur zurückverfolgen lassen. Heute wird das Motiv häufig auf den „Röhrenden Hirsch“ über dem Sofa reduziert. Seine Blütezeit erlebte das Motiv Ende des 19. Jahrhundert, mit dem Aufkommen der Bilderfabriken wurden die Motive des Hirschmalers „par excellence“, Sir Edwin Landseer und seiner Zeitgenossen massenhaft reproduziert. Das populäre Kitschobjekt schien für ernsthafte künstlerische Positionen verloren.
Doch gerade in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts näherten sich Künstler wie Frida Kahlo, Joseph Beuys, Asger Jorn, Gerhard Richter, Rebecca Horn und Gloria Friedmann auf sehr individuelle Herangehensweisen dem Hirsch. Der Archetypus Hirsch ist dabei ebenso Thema wie dessen Trivialisierung. Der Hirsch wird zum Alter Ego und zum Totemtier. Die Stilisierung des Hirsches zur Ikone des Kitsches, die scheinbare Erfüllung von Naturromantik und der Hirsch als Zeichen der Männlichkeit und Macht werden zu kritisch wie ironisch hinterfragten Sujets.