Der Ring der Mythen
Die Wagner-Kontroverse in Israel
Liliane Granierer, Na'ama Sheffi
Der Wagner-Boykott ist eine der bemerkenswertesten Schnittstellen zwischen Kunst und Politik in der israelischen Gesellschaft. Er begann als politisches Statement in unmittelbarer Reaktion auf die Pogromnacht, damals noch im Kontext des Ringens um das kulturelle Selbstverständnis der modernen hebräischen Kultur. Als aber nach Kriegsende und nach der Gründung des Staates Israel die unvorstellbaren Ausmaße des Holocaust ins Bewußtsein der Öffentlichkeit traten, wurde die Rezeption der deutschen Kultur in Israel vollends zu einem Ventil für den Ausdruck heftiger Ressentiments. Im Laufe der Jahre betraf dies allerdings immer weniger kulturelle Bereiche, mit Ausnahme der Musik gewisser deutscher Komponisten – allen voran die Richard Wagners, der sich zum augenfälligsten Symbol der Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich entwickelte. Wagner war und ist Anlaß einer Reihe komplexer und faszinierender Kontroversen, wobei seine unsichtbare Präsenz zum Kernstück einer weit über die Grenzen der Musikszene hinausreichenden ideologischen Manipulation wurde.
Die israelische Historikerin Na’ama Sheffi beschreibt die Wagner-Affäre bis zum heutigen Tag unter Berücksichtigung von Archivmaterialien, die mit Schilderungen der auf Staat und Bürger in Israel wirkenden politischen und gesellschaftlichen Prozesse in Verbindung gebracht werden. Sie legt so eine umfassende Analyse der Wagner-Affäre vor, darüber hinaus aber auch eine aufschlußreiche Einsicht in die Ambivalenz der israelischen Gesellschaft gegenüber Deutschland.