Die Anklagen gegen Andokides
Ein Rekonstruktionsversuch
Johann J Hagen
Das Buch befasst sich mit einem illustren Rechtsfall der Antike, der unter dem Namen Mysterienprozess bekannt ist. Es wendet sich damit sowohl an Historiker im Allgemeinen und an Rechtshistoriker im Besonderen wie auch an Altphilologen. Zu diesem Fall existieren zwei Texte, eine längere Verteidigungsrede des Andokides und eine Anklagerede, die aber möglcherweise später als Redeübung zustande gekommen ist und damit nicht als authentisch gilt. Dagegen fehlen die weiteren Anklagetexte, darunter insbesondere der des Hauptanklägers Kephisios. Unter Zugrundelegung der zielsprachenorientiert übersetzten Dokumente versucht der Autor mit Hilfe einer Kombination aus rechtshistorischen und philologischen Methodenansätzen die fehlenden Texte und damit zugleich den Fall in seinen wesentlichen Komponenten zu rekonstruieren. Er liefert damit grundlegende Beiträge zum Verständnis rhetorischer Texte, die, wenngleich ihrer Natur nach monologisch, stets den Adressaten mit seinem Wissensstand und seinen maßgeblichen Einstellungen miteinbeziehen und damit im Sinne Bachtins dialogisch sind. Selbst wenn die vor den Volksgerichten gehaltenen Wechselreden sich nicht unmittelbar aufeinander beziehen, verraten sie dennoch in der Auswahl der Streitpunkte und der Eigenart der Argumentation soviel über den jeweiligen Kontrahenten, dass nicht nur dessen Prozessstrategie im Allgemeinen, sondern auch die Ausführungen selbst im Einzelnen greifbar werden. Im Ergebnis wird so auch der soziale Konflikt sichtbar, der sich hinter den überlieferten Texten verbirgt