»Die deutsche Freiheit erdolcht«
Neue Studien zu Leben, Werk und Rezeption August von Kotzebues
Julia Bohnengel, Thomas Wortmann
Als am 23. März 1819 Carl Ludwig Sand den Schriftsteller August von Kotzebue in seinem Mannheimer Wohnhaus erstach, setzte der Student nicht nur dem Leben des meistgespielten Dramatikers der Goethezeit ein jähes Ende. Die Ermordung zog mit den Karlsbader Beschlüssen auch tiefgreifende gesellschaftspolitische Konsequenzen nach sich. Von nun an wurden die Freiheiten der Universitäten beschnitten, die Burschenschaften verboten und die ›Demagogenverfolgung‹ begann. Kotzebues Ermordung, so konstatierte Ludwig Börne, lasse sich als »Krystallisationspunkt« begreifen, »um den die neue Geschichte der Deutschen sich ansetzt«.
Die Beiträge dieses interdisziplinär ausgerichteten Bandes widmen sich einerseits dem Kotzebue-Mord als dem ersten politisch motivierten Attentat der Neuzeit in Deutschland. Sie rekonstruieren den historischen Kontext des Anschlags, analysieren dessen Konsequenzen und fragen nach der Rezeption des Mordes in zeitgenössischen Medien, in Schulbüchern und in der Literatur vom 19. bis zum 21. Jahrhundert. Andererseits geht es darum, den Schriftsteller Kotzebue, der hinter dem Anschlagsopfer lange Zeit zu verschwinden drohte, neu in den Blick zu nehmen. Dazu wird Kotzebue als Dramatiker im europäischen Kontext präsentiert, gefragt wird nach dem Rekurs seiner Texte auf Themen der Zeit wie den Kolonialismus und den Abolitionismus, rekonstruiert wird, wie der Autor sich im literarischen Feld um 1800 positionierte und welche Rolle die Musik speziell bei den Aufführungen seiner Stücke auf dem Mannheimer Theater spielte.