Die rechtliche Behandlung der Zweigniederlassungen ausländischer Versicherungsunternehmen in Deutschland
Carsten Zeides
Inländische Zweigniederlassungen ausländischer Versicherungsunternehmen wurden in Deutschland traditionell einem strengen Aufsichtsregime unterworfen. Sie mussten über einen selbständigen Geschäftsbetrieb in Deutschland verfügen, mit dem sie das Versicherungsgeschäft auch losgelöst von der Hauptniederlassung im Ausland betreiben konnten. Hierzu waren sie insbesondere verpflichtet, umfangreiche Vermögenswerte im Inland zu halten. Darüber hinaus war ein Hauptbevollmächtigter zu bestellen, der zur umfassenden Vertretung der Zweigniederlassung im Inland befugt war. Durch diese aufsichtsrechtlichen Anforderungen war die Zweigniederlassung einem selbständigen Rechtsträger so weit angenähert, dass sie im Inland weitgehend wie ein solcher behandelt wurde (Autonomie der Zweigniederlassung).
Die wirtschaftliche Einigung Europas und vor allem die Entwicklung der vier Grundfreiheiten des EG-Vertrages haben im Bereich der regulierten Wirtschaft zu einschneidenden Änderungen des hergebrachten Systems nationaler Aufsicht geführt. Die inländische Zweigniederlassung untersteht im Grundsatz nur noch der Aufsicht der Behörde ihres Sitzstaates. Diese ist allerdings zur Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen im Inland nur sehr eingeschränkt befugt und deshalb auf die Kooperation der nationalen Aufsichtsbehörde angewiesen. Auch die Einrichtung eines kompletten inländischen Geschäftsbetriebes ist für Versicherer aus dem europäischen Ausland nicht mehr erforderlich. Die Arbeit untersucht die europarechtlichen Vorgaben für den aufsichtsrechtlichen Zugriff der deutschen Aufsichtsbehörde auf die deutsche Zweigniederlassung eines ausländischen Versicherers mit Sitz im Geltungsbereich des EG-Vertrages. Anschließend werden die Anforderungen an die Beschaffenheit der Zweigniederlassung dargestellt und der Betrieb des Versicherungsgeschäfts im Dienstleistungs- und im Niederlassungsverkehr voneinander abgegrenzt. Sodann wird der Umsetzung dieser Vorgaben im deutschen Recht nachgegangen. Die These von der Autonomie der Zweigniederlassung erscheint innerhalb Europas nicht mehr haltbar.
Abschließend behandelt die Arbeit die Rechtslage für Zweigniederlassungen außereuropäischer Versicherer. Hier ist das traditionelle Aufsichtssystem im Wesentlichen noch wirksam, doch ebenfalls stark vom Europarecht geprägt. Die These von der Autonomie der Zweigniederlassung lässt sich daher – unter Beschränkung auf den Aufsichtszweck – halten.