Ein politisches Sittengemälde aus dem indischen Mittelalter
Kalhanas "Rajatarangini" (Buch 7) mit annotierter Übersetzung kritisch neu herausgegeben von Walter Slaje
Walter Slaje
Während Indien nachhaltig das Odium von Geschichtslosigkeit und fehlender Geschichtsschreibung anhaftet, hat jedenfalls der Name des Kaschmirers Kalhana (12. Jh.) Aufnahme in den Olymp vormoderner Historiographen gefunden. Unter Berücksichtigung seiner Auswertung epigraphischer Evidenz, der kritischen Vergleichung älterer Annalen und Chroniken sowie seines Axioms einer unvoreingenommen tatsachenadäquaten Schilderung vergangener Ereignisse fällt es schwer, in ihm nicht nur das Urbild des Historikers, sondern geradezu eines vormodernen Zeithistorikers zu sehen, der auch Erinnerungen von Augenzeugen und eigene Beobachtungen in sein Werk hat einfließen lassen. Die faktenbasierte Ereignisgeschichte, die Kalhana aus den von ihm kontextualisierten Herrscherviten generiert, zeichnet sich dichterisch durch ihren herben Realitätscharakter und die Wucht lebenswirklicher Dramatik aus, was sie zu einer politik- und sozialgeschichtlich erstrangigen Quelle für das indische Mittelalters macht.
Von den knapp achttausend Sanskrit-Strophen des über lange Jahre hinweg gereiften Werkes Kalhanas wurden für die vorliegende Ausgabe die Vita Harsas von Kaschmir und seine Tyrannis (11. Jh.) im Kontext ihrer Vorgeschichte kritisch neu herausgegeben und auf gegenüberliegenden Seiten übersetzt. Kulturgeschichtliche Annotationen und ein Register der Namen und Amtsbezeichnungen beschließen das Buch.