Eine blaßblaue Frauenschrift
Franz Werfel, Guntram Zürn
Wien 1936, zwei Jahre vor dem ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich. Leonidas, gerade 50 geworden, verheiratet mit einer der reichsten Erbinnen des Landes und selbst Sektionschef im Unterrichtsministerium, findet am Frühstückstisch einen Brief seiner großen Liebe vor – einer Jüdin, die ihn um Unterstützung für einen »begabten jungen Mann« bittet, der in Deutschland »aus bekannten Gründen« nicht mehr das Gymnasium besuchen dürfe.
Werfels sprach- und bildmächtige Erzählung ist das Psychogramm eines Opportunisten und gleichzeitig ein Dokument des latenten bis offenen Antisemitismus, der die Gesellschaft der Ersten Republik durchzieht. Wer sie noch nicht gelesen hat, sollte dies spätestens jetzt nachholen. Den Einstieg in eine noch tiefere Lektüre ermöglichen Anmerkungen, Nachwort und Zeittafel von Guntram Zürn. Die erlesene Ausgabe spricht für sich.