Emil Fuchs: Die Frohe Botschaft nach Lukas
Eine Auslegung des Evangeliums im Kontext von Verfolgung und Widerstand (1939–41)
Claus Bernet, Klaus Fuchs-Kittowski
Im Evangelium nach Lukas werden die Weihnachtsgeschichte sowie zahlreiche Gleichnisse erzählt, wie das vom verlorenen Sohn, vom barmherzigen Samariter, vom Feigenbaum oder das Gleichnis vom Kamel und dem Nadelöhr. Der evangelische Theologe Emil Fuchs hat diese auch heute noch allgemein bekannten Erzählungen zwischen 1939 und 1941 ganz anders übersetzt und interpretiert als die meisten Kollegen seiner Zeit, die nicht allein nationalsozialistisches Gedankengut biblisch legitimierten, sondern zu oft selbst überzeugte Nationalsozialisten waren. Theologen im geistigen Widerstand waren die Ausnahme, Theologen im aktiven Widerstand seltene Rarität. Umso wertvoller ist es, dass hier eine Schrift aus dunkler Zeit erstmals der Wissenschaft und breiten Öffentlichkeit vorgelegt werden kann, in der das Lukasevangelium anders interpretiert wird, nämlich aus dem Geiste des Pazifismus, einer sozialen Gerechtigkeitsvorstellung (Ernst Karl Abbe) und der Völkerverständigung. Deutlich wird das vor allem bei der Frage nach einer „Schuld der Juden“, zu der Fuchs explizit Stellung bezieht, wie er auch zu dieser Zeit Fluchthilfe für Juden und andere Verfolgte leistete. Die in der Exegese des Lukasevangeliums enthaltenen Gedanken und Ausführungen haben maßgeblich dazu beigetragen, den Mut zum Widerstand und zur Ablehnung der kriegerischen Politik zu stärken, denn die Texte von Fuchs waren gewissermaßen ein Gegenmittel zu der ansonsten massenweise auf die Reichsbürger einströmende Kriegspropaganda. Freilich, an manchen Stellen ist statt „Kaiser“ „Adolf Hitler“ und statt „Römisches Reich“ „Deutsches Reich“ zu setzen, um die Auslegung in ihrer ganzen Radikalität zu erfassen. Selbstverständlich konnte sie nicht gedruckt werden, sondern wurde damals in einzelnen Abschnitten von Hand zu Hand gereicht. Diese gewaltige Arbeit im Widerstand, abseits vom theologischen Mainstream, von der sich weltweit nur ein einziges Exemplar vollständig erhalten hat, wird jetzt erstmals in Zusammenarbeit mit der Bibliothek des Haverford College/Pennsylvania zugänglich gemacht –mehr als 70 Jahre nach ihrer Entstehung.