Erinnerungen
Und plötzlich sind sie wieder da
Urs Moll
Wenn du ein Buch auf eine Reise mitnimmst, dann geschieht etwas Seltsames: Das Buch wird anfangen, deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst du wieder dort sein, wo du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Wörtern wird alles zurückkommen: die Bilder, die Gerüche, das Eis, das du beim Lesen gegessen hast. Glaub mir, Bücher sind wie Fliegenpapier. An nichts haften Erinnerungen so gut wie an bedruckten Seiten.
Als Fotograf vermeide ich es immer in einem Studio zu fotografieren. Ein Mensch verbringt schliesslich nicht das Leben damit, vor einem weissen Papierhintergrund zu sitzen oder zu stehen. Obwohl es die Arbeit nicht gerade erleichtert, ziehe ich es vor, mit meiner Kamera hinaus auf die Strasse, in die Landschaft, an öffentliche wie private Orte zu gehen. Orte die mich von jeher besonders gereizt haben. Allein damit hat dann jedes Bild seine spezielle Geschichte.
Mir geht es in erster Linie darum, einen Menschen in einer bestimmten Situation möglichst authentisch wahrzunehmen, die emotionale Verfassung bildhaft zu begreifen. Dabei entstehen ernsthafte, sinnliche, komische, traurige oder hoffnungsvolle Ein- und Ausdrücke eines Menschen. Ursprüngliches Sehen statt konstruierte Komposition steht bei meiner Arbeit im Vordergrund. Ich möchte ich daran teilhaben, wie jemand sich selbst erkennt.
Zuhause denke nach über das Gefühl, das ich bei der Aufnahme hatte, denke nach über das Warum, über die Hintergründe oder die Geschichte des Menschen. Es entstehen Texte, die ich dem Bild hinzufüge.