Erster Weltkrieg – Kriegssplitter aus Berlin in Wort und Bild von Kuna,  Edwin, Kuna,  Hannelore

Erster Weltkrieg – Kriegssplitter aus Berlin in Wort und Bild

Prolog

Mit dem Ersten Weltkrieg 1914 endete für die Deutschen nach 43 Jahren der Frieden. Waren die Menschen auf diesen großen Krieg vorbereitet? Ganz bestimmt nicht.
Denn die Welt zeigte sich schon längere Zeit in ihren Grundfesten erschüttert, Wirtschaftskrisen ergriffen die großen Industrieländer und dann die Balkankriege 1912-13. Europa rüstete auf, zumindest die Kernstaaten: Deutschland, Frankreich, Russland, Österreich-Ungarn und England.
Die deutsche Kriegsvorbereitung konnte nicht unbemerkt geblieben sein, erst recht nicht in Berlin, der Reichshauptstadt. Im Reichstag begrüßten bzw. billigten die großen Parteien; rechts, in der Mitte und links, die militärische Aufrüstung und förderten sie, zuletzt auch die Sozialdemokraten. Für den im Juni 1913 beschlossenen Wehrbeitrag, der die Rüstung finanzierte, steuerte die wohlhabende Oberschicht im Kaiserreich einen enormen finanziellen Anteil, die „kleinen“ Leute kamen vorläufig davon, was sich mit Kriegseintritt radikal änderte.
Das unabhängige Deutsche Rote Kreuz sprach im Frühjahr 1914 offen von einer Kriegsgefahr: „Niemand weiß, wann die Prüfung eines Krieges an unser Volk herantreten wird; keinesfalls darf es den Verwundeten und Kranken dann an Hilfe fehlen.“
Schon vor dem Krieg brachte die Bewaffnung einigen Wirtschaftsbranchen kräftige Unternehmensgewinne und so entstanden wichtige Arbeitsplätze für die Arbeiterschaft; was ein maßgebender Faktor war, um die aufziehende Kriegsgefahr in Deutschland zu verschleiern.
In Berlin standen die städtischen Militärvereine, wie die Marine- und Wehrvereine, die Kriegervereine; die Ortsgruppen vom Alldeutschen Verband und vom Deutschen Ostmarkenverein oder auch die Turnvereine, die überwiegende Zahl der Studenten und ein Großteil der Stadtbürgerschaft, hinter den Rüstungsaktivitäten von Heer und Staat, weite Bevölkerungskreise erwiesen sich zeitgemäß kaisertreu. Besonders traditionsreich zeigten sich die Kriegervereine, wie der Tempelhofer, der 1910 sein 25. Stiftungsfest beging. In Groß-Berlin hielten etwa 500 Kriegervereine mit rund 70.000 Mitgliedern (Stand 1. April 1916) die Fahnen hoch.
Und wenn die Gardekorps zur Frühjahrs- oder Herbstparade nach dem Tempelhofer Feld ausrückten, standen Tausende von Berlinern Spalier. Herbst 1914 sollte ein besonderes Ereignis werden. „Alexander“ und „Franze“ wollten 100 Jahre feiern (Kaiser-Alexander-Garde-Grenadierregiment Nr. 1 und Kaiser-Franz-Garde-Grenadierregiment Nr. 10 wurden am 14. Februar 1814 gegründet).
Zunächst folgte für alle der vom Wetter her stürmische Jahresbeginn 1914 und als sich dann in der Julikrise 1914, angefangen mit dem Attentat von Sarajevo am 28. Juni durch serbische Extremisten und den folgenden politischen Verkettungen, in den entscheidenden Stunden vom 31. Juli und 1. August die politischen Ereignisse überschlugen, versagten Politik und Diplomatie.
Tatsächlich waren die Menschen „plötzlich“ vor vollendeten Tatsachen gestellt?
Krieg? Bis zur letzten Entscheidung, ja bis zur verstrichenen Frist, fanden sich aufgewühlte Menschenmassen aus verschiedensten sozialen Schichten auf freien Plätzen zusammen, gab es Volksversammlungen der Sozialdemokraten gegen den Krieg. Doch die Erwartung der Arbeiterschaft auf eine geschlossene, internationale, solidarische Haltung gegen den Waffengang, wie auf zahlreichen Friedenskongressen vor 1914 beschworen, erfüllte sich nicht.
Diese letzten Tage und Stunden vor dem Kriegsausbruch verliefen für die Menschen in Berlin dramatisch.
Am 31. Juli rief der Monarch Kaiser Wilhelm II. den „drohenden Kriegszustand“ aus.
Am 1. August hatten der Kaiser, Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg und Generalfeldmarschall von Moltke in Berlin die letzte Entscheidung für 65 Millionen Deutsche getroffen, sodass am nächsten Tag das Kaiserreich militärisch mobil machte und in den Krieg eintrat. Deutschland erklärte 1. August 1914 Russland und am 3. August 1914 Frankreich den Krieg. Millionen glaubten ihrem „Friedenskaiser“ und an die Unschuld Deutschlands.
Mit Kriegsausbruch wurde alles anders, nach dem 1. August 1914 kam mit der militärischen Mobilmachung auch die geistige Mobilmachung hinzu. Jetzt zählte nicht nur das Kaiserwort, sondern ebenso das Gotteswort.
Der letzte große Krieg von 1870/71 verlief über 11 Monate. Genau 1563 Tage sollte der Erste Weltkrieg dauern, was anfangs von den Zeitgenossen niemand, weder ahnte noch glaubte. Das waren vier und ein viertel Jahr, angefangen von der Mobilmachung am 1. August 1914 im kraftstrotzenden Wilhelminischen Kaiserreich bis zur Unterzeichnung des Waffenstillstandes von Compiègne am 11. November 1918, da war Deutschland nicht nur am Ende seiner militärischen Kräfte gelangt.
Eine überschaubare Zeit im Angesicht eines Menschenlebens, für alle Beteiligten, die den mörderischen Krieg miterlebten, unendlich lang – auch im Nachhinein betrachtet.
Welche Auswirkungen zeitigte der Krieg im Inland und was ist in die Geschichte eingegangen? Denn, kein feindlicher, bewaffneter Soldat betrat Berliner Boden, keine Bomben fielen auf die Stadt. Die Reichshauptstadt blieb von direkten militärischen Kriegshandlungen verschont.
Und doch hinterließ der Erste Weltkrieg tiefe Narben und großes Entsetzen bei den Menschen. Kaum eine Familie blieb verschont von den Kriegsauswirkungen. Kaum eine Familie, die nicht einen persönlichen Verlust erlitten hatte, gleich ob an der Front oder im Hinterland. Hunger und Elend breiteten sich aus, die Menschen wurden ideologisch manipuliert alles, aber auch das letzte Stückchen Brot für die Front zu geben.

„Der Krieg hat, wohl in allen beteiligten Ländern ziemlich gleich, das Volk der Daheimgebliebenen in drei Klassen geteilt. In die Klasse derjenigen, die durch Teuerung, durch Abwesenheit oder Tod des Ernährers Not leiden, in die Klasse derjenigen, die am Kriege reich gewinnen oder doch ein wesentlich vermehrtes Einkommen haben, und in die Klasse derjenigen, die durch Vermögen oder ruhig gesicherten, ausreichenden Verdienst in die Lage gesetzt sind, bewegte Zeiten ohne Entbehrungen zu überstehen. Es ist das dringendste Gebot der gegenwärtigen Stunde, die erste dieser drei Volksklassen gegen peinigenden Mangel zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie weder hungert noch friert.“ (Theodor Wolff)

Über Generationen hinweg wurden bruchstückhaft Leidens- und Mutgeschichten an die Kinder und Enkel weitererzählt, andere Ereignisse blieben vielleicht unausgesprochen. Denn was geschah mit Kriegsausbruch zu Hause? Die militärische Mobilmachung und der Aufmarsch von 8 Armeen an die West- und Ostfront vollzogen sich „fahrplanmäßig“ und fast wie ein Uhrwerk mit Hilfe der Eisenbahn. In der Zivilgesellschaft verlief es nicht so automatisiert, denn nach anfänglichen Hurra-Rufen und einer Kriegseuphorie (Augusterlebnis) zog bittere Ernüchterung ein, denen intensive Durchhalteparolen folgten. Aushalten, Einschränken und Durchhalten wurden zur Lebensmaxime.
Das Berliner Zivilleben stand zeitweise gänzlich auf dem Kopf gestellt durch das Einwirken der militärischen Befehlsgewalt vom Oberkommando in den Marken, durch Generaloberst
Gustav von Kessel, legitimiert durch den „drohenden“ und zeitweise „verschärften Kriegszustand“. Verbot des Anfertigens und Verbreitens politischer Plakate, polizeiliche Anmeldung jeder Veranstaltung, außer rein geselligen und kirchlichen; war das der „Burgfrieden“? Tausende Korpsbefehle griffen in die kommunale Selbstverwaltung, in das zivile gesellschaftliche und private Leben der Menschen ein. Ja Kriegszustand, ein Wort, dass eigentlich Niemand in Deutschland bis zum letzten Kriegstag so richtig verstand, dass aber verheerend wirkte.

Die alte preußische Hauptstadt hat eine so gewaltige Entwicklung genommen; sie hat in ihrer Nähe gelegenen kleineren Stadt- und Dorfgemeinden an sich mit herangezogen, daß man heute unter „Groß-Berlin“ eine Art Stadtprovinz mit Millionen von Einwohnern versteht. So viel Einwohner hat nicht einmal die gesamte Schweiz und nicht einmal das große Land Norwegen. Groß-Berlin ist der Sammelpunkt vieler Tausende von Familien geworden, die aus den verschiedenen Provinzen und Ländern des Deutschen Reiches zusammenströmten, um hier Geld zu verdienen und emporzukommen.

Im Weichbild von Groß-Berlin (Stadtbezirk Berlin und 17 Vororte) lebten 1914 3.989.354 Menschen. Die Zahl der Eheschließungen betrug 38.670.
Bereits nach der Jahrhundertwende präsentierte sich Berlin als eine motorisierte Metropole. 1902 musste der erste Polizist zur Verkehrsregelung auf den „Linden“ abgeordnet werden. Mit dem Krieg beruhigte sich der Straßenverkehr. Durch die Kriegserklärung Rumäniens an die Mittelmächte trat akuter Mangel an Petroleum und Motorkraftstoffen ein. Neue Omnibuslinien, seit 1913, zwischen den Stationen der Hoch- und Untergrundbahnen mussten eingestellt werden. Der Allgemeinen Berliner Omnibus-Aktiengesellschaft gelang es eine einzige Linie mit drei Fahrzeugen, von insgesamt 303 Omnibussen, aufrecht zu erhalten.
Von 7348 zugelassen privaten Autos beschlagnahmte die Militärbehörde 992 für den Fronteinsatz. Infolge weiterer Einschränkungen verkehrten 1917 nur noch 865 private PKW auf den Straßen, mit Ausnahmegenehmigungen für einen dienstlichen Grund. Selbst die Fahrtrichtung wurden festgeschrieben und die Mitnahme von Personen untersagt. Und noch im Herbst 1919 wurde ein Nachtfahrverbot für private PKWs ausgesprochen, da Galizien und Rumänien noch kein Erdöl lieferten.
Ein verändertes Bild bot nun der Straßenbahnverkehr. Einige Straßenbahnlinien blieben verwaist bzw. konnten weniger befahren werden, zugunsten der Verbindungen zu den Orten der Kriegsindustrie, insbesondere zu Arbeitsbeginn und Arbeitsschluss der Arbeiter. So 1917 nach Adlershof, wo bei der neu geschaffenen „Flugzeugmeisterei“ 26.000 Beschäftigte im Zentraldepot für die technische Ersatzteilversorgung aller Fliegerformationen arbeiteten. Nach Charlottenburg (Suarezstraße 31) fuhren täglich 100 Offiziere, 800 Mannschaften, 600 Frauen in Kanzleianstellung und 200 Zivilhilfsdienstpflichtige, um für die deutsche Fliegertruppe die Materialbestellungen abzuwickeln. Ende 1917 waren über 40.000 Frauen in der Kriegsindustrie beschäftigt und viele mussten mit weiten Anfahrtswegen kreuz und quer durch die Stadt fahren.
Auch die Radfahrer verschwanden aus dem Berliner Verkehrsbild. Im Jahr 1917 wurden die Bereifungen beschlagnahmt (Kautschukmangel) und zum Benutzen des Rades eine behördliche Erlaubnis benötigt, die praktisch nur noch für berufliche Fahrten galt.
Aus einem weiteren Grund zog Stille ein. Im gewohnten Großstadtleben fehlte der Baulärm, Bauarbeiter, Gerüste, Kräne erblickte man immer seltener oder schließlich gar nicht mehr. An infrastrukturellen Großprojekten konnte noch 1913 der Osthafen abgeschlossen werden, der Bau des Westhafens begann 1915, aber mehr als Prestigeprojekt, um der Welt zu zeigen, dass Berlin lebte. Schöneberg weihte noch 1914 das neue Rathaus ein und verband seinen Stadtpark mit dem Wilmersdorfer Seepark. Neukölln eröffnete im April 1914 den neuen Schifffahrtskanal mit 2 Häfen und mehreren Speichern. In der Großstadt des Südostens wurde die Baugewerkschule und die Taubstummenanstalt fertiggestellt und der Rathausanbau zum Abschluss gebracht. Lichtenberg begann den Bau der Gartenstadt für die Straßenbahner.
Fertiggestellt wurden 1915/16 die Hindenburgbrücke (Bösebrücke), der Neubau des Bahnhofs Friedrichstraße und der Erweiterungsbau der Luisenschule, angefangene Erweiterungsarbeiten an der Berliner Nord-Süd-Bahn und der Schnellbahn Neukölln-Gesundbrunnen konnten notdürftig zu Ende gebracht werden, weiterhin Spree-Untertunnelungen im Bereich der Friedrichstraße und zwischen Jannowitz- und Waisenbrücke. Ab 1917 war jedoch die Bautätigkeit im Tief- und Hochbau auf null heruntergefahren und auch keine Wohnungen wurden mehr gebaut, was verhängnisvolle Folgen für die Nachkriegszeit hatte.
Denn wie andere Berufsgruppen kämpften die Maurer, Dachdecker oder Zimmerleute gleichfalls an der Front. Für das Jahr 1917 konnte der Arbeitgeber-Nachweis des „Verbandes der Baugeschäfte von Groß-Berlin“ lediglich 977 Stellen besetzen. Zudem produzierte die Bauindustrie stark reduziert Ziegelsteine und Zement, und wenn ja, forderte die Heeresleitung die Produkte für die Front ab und was der Zivilgesellschaft übrigblieb, erhielt sie dann zu überteuerten Preisen. So entstanden im letzten Kriegsjahr im Stadtbezirk Berlin nur 6 Gebäude, davon ein Wohnhaus. Charlottenburg baute 5 Gebäude, davon drei zum Wohnen. Schöneberg, Wilmersdorf, Steglitz gleich Null usw.

Von 1914-1918 zogen die Männer massenweise ins Feld und Berlin wurde femininer. Aus dem Stadtbezirk Berlin rekrutierten die Bezirkskommandos bis Oktober 1914 etwa 80.000 Männer. Bis zum Kriegsende mögen es etwa 600.000 gewesen sein. Am Tage der Volkszählung 1917 (5. Dezember) betrug der männliche Anteil an der „anwesenden“ Bevölkerung im Stadtbezirk Berlin bloß noch 37,6 Prozent, in der Reichshauptstadt lebten etwa 500.000 Frauen mehr als Männer. Die Anzahl der Männer hatte sich innerhalb eines Jahres (von 1916 zu 1917) um knapp 200.000 reduziert. Ähnliche Relationen entstanden in anderen Städten und Vororten Berlins. Einzig die Stadtgemeinde Spandau wies 1917 aufgrund der ansässigen Kriegsindustrie ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen auf.
Durch die Frauen wurde Berlin aber nicht bunter, im Gegenteil. Die Kriegspropheten schrieben den Damen die Kleidung vor. Nicht zu bunt sollten die Kleider sein und vor allem musste an Stoff gespart werden. Selbst die Trauerenden sollte sich nicht zu lange in der Farbe Schwarz zeigen.
Ende 1917 registrierte der Stadtbezirk Berlin etwa 10.000 Kriegerwitwen.
Die letzte, allseits gefürchtete Post vom Tod des Soldaten kam ins Haus, dazu ein Gedenkblatt vom Regiment und mitunter ein persönlicher Feldbrief des Vorgesetzten über den Heldentod.
Tausende Berliner blieben in fremder Erde zurück, in einem schlichten Soldatengrab, Hügel oder Massengrab, in Belgien, Frankreich, Russland, Polen, Galizien oder Rumänien. Bereits in den ersten fünf Monaten des Krieges im Westen mussten für das deutsche Feldheer mit 142.000 Gefallenen und 540.000 Verwundeten hohe Verluste beklagt werden, mehr als dreimal so viel wie im Krieg 1870/71. Sie übertrafen selbst die späteren Materialschlachten von Verdun oder an der Somme von 1916.
Wenige Angehörige besaßen die finanzielle Möglichkeit die Gefallenen heimzuholen. Rings um Deutschland tat sich ein Wall von Gräbern auf. Andere Kriegsteilnehmer fanden im Meer ihr unbekanntes Grab.
Auch in Berlin erweiterten sich die Friedhöfe mit Soldatengräbern (in Wilmersdorf, Zehlendorf, Schönow, Wannsee, Dahlem, Schöneberg, Steglitz, Lichterfelde, Neukölln, Treptow, Bohnsdorf, Köpenick, Hohenschönhausen, Weißensee, Pankow, Reinickendorf, Friedrichshagen, Grünau, Rahnsdorf, Lichtenberg, Marzahn, Kaulsdorf, Spandau, Haselhorst oder Staaken). Zum großen Teil fanden in den Lazaretten verstorbene Soldaten und Offiziere aus vielen Orten Deutschlands ihre letzte Ruhestätte. In Lichtenberg wurden bis zum 1. November 1914 150 fremde Kriegsteilnehmer begraben.

Die Soldatengräber sind die
großen Prediger des Friedens,
und ihre Bedeutung als solche
wird immer mehr zunehmen.
Albert Schweitzer-Friedensnobelpreisträger

Zurück blieben die Frauen. Sie füllten die zweite, die innere Front aus, wie es in der gängigen Kriegspropaganda hieß. Bislang waren Männer die Haupternährer und das juristische Oberhaupt der Familie, obgleich die Anzahl der selbstbewussten Frauen längst gewachsen war, dominierte die traditionelle Familienstruktur in der Wilhelminischen Zeit. Der Krieg veränderte auf den Schlag die soziale Stellung der Frau im historischen gesellschaftlichen Gefüge, von der Kindererziehung bis zum Geldverdienen.
Die Frauen mussten sich wirtschaftlich und sozial neu orientieren, um zu überleben und gewissermaßen über sich hinauswachsen. Staat und Kommune traten für die finanzielle Unterstützung betroffener Familien ein, um die unmittelbare Not zu lindern.
Berlins engagierte Frauen organisierten sich in den Vaterländischen Frauenvereinen oder im Nationalen Frauenbund, sie sammelten Geld für in Not geratene Mitgenossinnen und Familien, sie schufen mit Arbeitsnachweisen, Nähstuben usw. zeitgemäße Möglichkeiten zur Erwerbstätigkeit, sie engagierten sich in der Krankenpflege, halfen in der Massenspeisung. Und was gaben die Frauen alles her, von getragener Kleidung bis zum Schmuck und Frauenhaar. Aus dem Haar fertigte die Industrie Ersatzmittel für Treibriemen, Filzplatten und insbesondere Dichtungsringe für die U-Boote. Der Erlös (pro kg 14 Mark) kam dem Roten Kreuz zugute.

Für das alltägliche Leben in Berlin wurde die Tageszeitung unentbehrlich, doch sämtliche Informationen vom Kriegsgeschehen unterlagen der Zensur und viele Meldungen oder Bekanntmachungen dienten der Kriegspropaganda, ausgenommen der Annoncen- bzw. Inseratenteil. Im weiteren Kriegsverlauf verschärften sich die Zensur-Maßnahmen. Für die Berliner Zeitungsredakteure war es schwer die Balance zwischen Kriegsberichtserstattung, Propaganda und noch wahrheitsgemäßer, regionaler Berichtserstattung zu meistern.
Für die Verbindung von Front und Heimat wurde die Feldpost ebenso wichtig. Sie gewährte insbesondere die emotionale Bindung der Familien untereinander und für viele über vier lange Jahre lang. Die Feldpost kam erst Ende August 1914 in Gang, die persönlichen Soldaten-Briefe und Karten in die Heimat wurden von den unmittelbaren militärischen Vorgesetzten kontrolliert: militärische Informationen waren verboten und negative Aussagen nicht erwünscht, man forderte Siegesgewissheit und Tapferkeit usw. Bald war auch das verbreitete Tagebuchschreiben der Soldaten nicht mehr erlaubt.
Nachrichten vom schweren Schicksal der Soldaten trafen dennoch durch die amtlich publizierten deutschen Verlustlisten ein.
Veröffentlicht wurden vermisste, verwundete, gefallene oder in Gefangenschaft geratene Soldaten und Offiziere mit Namen, Einheit, Geburtsdatum und Geburtsort. Ein dickes Buch der Leiden wurde geschrieben und ein Ende war nicht abzusehen.
Die Verlustlisten endeten mit der Nr. 2417 vom 20. Mai 1919, Nachträge folgten bis 1933. Sie enthalten etwa 2 Millionen Einträge mit dem Geburtsort Berlin.

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