Europa- und verfassungsrechtliche Anforderungen an die Leistungen für Asylbewerber
Manuela Born
Die Autorin befasst sich mit der Frage der Vereinbarkeit von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) mit Verfassungs- und Europarecht. Der Darstellung von Entstehung und Prinzipien des AsylbLG folgt eine detaillierte Erläuterung der einzelnen Leistungsansprüche, der möglichen Anspruchseinschränkungen und -erweiterungen und der Regeln zur Anrechnung verfügbarer Eigenmittel. Der europarechtliche Teil enthält eine eingehende Untersuchung der am 06.02.2003 in Kraft getretenen Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG im Lichte der Charta und der EMRK auf ihre leistungsrechtlichen Vorgaben (allgemeiner Umfang und Ausgestaltung der materiellen Aufnahmebedingungen und der medizinischen Versorgung, spezielle Ansprüche besonders schutzbedürftiger Personen und ihre Identifikation, Möglichkeiten der Einschränkung der Leistungen). Anhand der gefundenen Resultate erfolgt eine kritische Würdigung der Regelungen des AsylbLG, die im Ergebnis vielfach keinen Bestand haben könnten. Der europarechtliche Teil wird ergänzt durch einen Ausblick auf die neue Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU vom 13.06.2013. Deren wesentliche leistungsrechtliche Neuerungen werden kurz dargestellt, wobei sich inhaltlich keine gravierenden Änderungen ergäben. Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Würdigung ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10 u.a.) zum Anspruch von Asylbewerbern auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Unter Berücksichtigung der Urteilsgrundsätze für die Bemessung von Leistungen zum Lebensunterhalt entwickelt die Verfasserin auch Maßstäbe für die medizinische Versorgung sowie für weitergehende sozialrechtliche Gewährleistungen an Asylbewerber. Kritisch hinterfragt wird das dem AsylbLG zugrunde liegende Sachleistungsprinzip, dessen verfassungsrechtliche Rechtfertigung nur für die Zeit des Aufenthalts in Aufnahmeeinrichtungen bejaht wird, aber auch insoweit nicht ausnahmslos gelten dürfe. Abschließend beleuchtet die Autorin die Optionen der Neugestaltung der existenzsichernden Leistungen für Asylbewerber. Sie zieht den Schluss, dass der Gesetzgeber entweder das AsylbLG abzuschaffen oder eine europa- und verfassungskonforme Regelung herbeizuführen habe. Letzteres erfordere allerdings grundlegende Reformen der Regelungen und Prinzipien des AsylbLG, so dass die Abschaffung des AsylbLG unter Reintegration der Leistungen für Asylbewerber in das SGB XII bzw. II als einfachste Lösung favorisiert wird.