Familiennamen im mittelalterlichen Basel
Kulturhistorische Studien zu ihrer Entstehung und zeitgenössischen Bedeutung
Jürgen Mischke
Heute besitzt man normalerweise zwei Namen: einen Vor- und einen Nachnamen. Während der Vorname als Rufname nur zur Bezeichnung einer einzelnen bestimmten Person verwendet wird, dient der Nachname zur Benennung ihres engsten Verwandtschaftskreises als Familienname. Diese Namenpragmatik erscheint heute als selbstverständlich, ja vielleicht sogar als eine natürliche Ordnung. Umso erstaunlicher ist der Blick in die Vergangenheit. Die Ursprünge unserer modernen Familiennamen liegen nämlich im Mittelalter.
Im 12. Jahrhundert werden Personen nördlich der Alpen meist nur mit einem Rufnamen genannt, im 15. Jahrhundert wird dem Rufnamen stets ein zweiter Name hinzugefügt. Dieser entwickelte sich zum Familiennamen, was zu einigen Fragen sowohl theoretischer als auch kulturhistorischer Natur führt: Wie kann man beispielsweise den sprachlichen Forschungsgegenstand ‚Familienname‘ für eine historische Untersuchung überhaupt methodisch erfassen? Was macht ein bestimmtes Sprachzeichen zum Familiennamen und ist eine Veränderung im Personennamensystem lediglich ein Symptom eines übergeordneten Wandels?
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf den Raum Basel als exemplarische, mittelgrosse nordalpine Stadt des Mittelalters. Sie versucht in diachron besprochenen Schriftquellen die genauen Wege, Formen und Mechanismen der Entfaltung von Zweitnamen zu Familiennamen und deren Verflechtungen zu anderen medialen Repräsentationen von Verwandtschaftsgruppen wie Wappen und Siegeln sichtbar zu machen. Dadurch wird die bisher vorwiegend linguistisch deskriptiv betriebene Familiennamenforschung um kulturhistorische Deutungsmuster der ‚Erfindung‘ der Familiennamen erweitert