Frankfurter Bibliothek 2019 von Gruß,  Nikolaus

Frankfurter Bibliothek 2019

Jahrbuch für das neue Gedicht

Seit mehr als 18 Jahren besteht die Frankfurter Bibliothek als literarische Institution, und sie erfüllt seit Anbeginn ihren Anspruch, einen Querschnitt der deutschen Gegenwartslyrik abzubilden. Weit mehr als 40.000 veröffentlichte Gedichte bilden ein umfangreiches Gesamtwerk und veranschaulichen, dass kein Themengebiet ohne lyrische Erschließung auskommen kann.
Doch worin liegt der ungebrochene Reiz – angeblich soll die heutige Lyrik kein Verkaufsschlager mehr sein und den Großteil der Leser nicht mehr ansprechen?
Gehen wir zurück zum Ursprung der literarischen Gattung Lyrik. Das Wort hat seine Wurzeln im griechischen „lyrikós“ und bedeutet „zum Spiel der Lyra gehörend“. Die „Lyra“ ist ein antikes Zupfinstrument, das im Hellenismus als Zeichen der Dichter und Denker gesehen wurde, da lyrische Vorträge meist von eben diesem Instrument begleitet wurden. Das altgriechische Werk „Die Poetik“ von Aristoteles stellte die Lyrik, neben der Dramatik und Epik, als eine der Hauptgattungen der Literatur dar. Sie war somit eine der wesentlichen Säulen des griechischen Schriftstellertums.
Die antike Wortherkunft und -bedeutung sind damit klar, doch hat sich diese Bedeutung in der heutigen Zeit möglicherweise gewandelt? Sind Aspekte hinzugekommen oder welche weggefallen?
Ein Blick in den Duden schenkt uns Klarheit: „Lyrik, die, literarische Gattung, in der mit den formalen Mitteln von Reim, Rhythmus, Metrik, Takt, Vers, Strophe u.a. besonders subjektives Empfinden, Gefühle, Stimmungen oder Reflexionen, weltanschauliche Betrachtungen o.Ä. ausgedrückt werden.“
Es gibt also keinerlei Veränderung hinsichtlich des Wortursprungs, die Erklärung wurde lediglich etwas ausgeweitet, wobei der Fokus noch immer auf der Metrik, dem Rhythmus und dem Takt – also der Musik liegt.
Spätestens an dieser Stelle sollte klar sein, dass die Dichtung eine besondere Gattung des Schreibens darstellt, ist sie doch in solch enger Weise mit der Musik verbunden. So fasste es August Wilhelm von Schlegel, einer der Mitbegründer der deutschen Romantik, mit folgenden Worten treffend zusammen: „Das lyrische Gedicht ist der musikalische Ausdruck von Gemütsbewegungen durch die Sprache.“
Kein anderes Genre kann dies von sich behaupten. Vor allem Gedichte, die in klassischen Reimschemata, wie Kreuz- oder Paarreim verfasst sind, erzeugen beim Sprechen eine Melodie, der man sich kaum zu entziehen vermag und die
direkt im Gedächtnis hängen bleibt. Fehlt das Reimschema jedoch – wie beim in der Gegenwart sehr beliebten Freien Vers – so besteht die Schwierigkeit darin, die Symmetrie der Silben zu erreichen und erfordert ebenfalls einen kreativen Verstand.
Ein wohlklingendes Gedicht zu verfassen ist also harte Arbeit und lebt davon, eine Emotion, einen Moment oder eine Beobachtung auf wenige Worte zu reduzieren.
Die Frankfurter Bibliothek gibt neben der frei wählbaren Kategorie jedes Jahr Themenbereiche vor, unter denen die Poeten Ihre Gedanken sammeln und ihren Worten freien Lauf lassen können. In dieser Ausgabe ist ein Thema „Der Verkehr“ mit all seinen Facetten, sei es der vermaledeite Weg auf verstopften Straßen oder der öffentliche Nahverkehr, der das Wort Pünktlichkeit gerne missen lässt. Aber auch der zwischenmenschliche Verkehr wurde von einigen in Worte gefasst.
„Aus heiterem Himmel“ hat es schon jeden von uns getroffen. Eine zufällige Begegnung längst vergessener Freunde, ein unverhoffter Gewinn, ein plötzliches Gefühl und vieles mehr luden dazu ein, die Gedanken auf Papier zu bringen.
Unter „Eine Träumerei“ finden all die Luftschlösser, Schwärmereien und Fantasien genügend Platz, um vorgetragen zu werden.
Ich wünsche allen Lesern eine angeregte Lektüre mit vielen unterschiedlichen Eindrücken.
Melanie Winter M.A.

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