Funktionalisierte Keltenbilder
Die Indienstnahme der Kelten zur Vermittlung von Normen und Werten in der hellenistischen Welt
Erich Kistler
Die Kelten – edle Wilde, gefürchtete Krieger, Trunkenbolde, Frauenschänder und Menschenfresser! So konträr stellen die erhaltenen Bildwerke aus hellenistischer Zeit die Kelten dar, um an Königshöfen, in Kultzentren oder Gymnasien genau kalkulierte Selbstansprüche und Ideologien visuell zu kommunizieren. Auch in der antiken Ethno- und Historiographie werden die Kelten in der Rolle abgehärteter Nordkrieger dargestellt, um den zivilisationskranken Griechen oder Römer an seine unverdorbenen Ahnen einer heroischen Vorzeit zu erinnern, oder als Inkarnation des zerstörerischen Chaos, das über die friedliche Zivilisation hereinzubrechen droht. Manchmal verkörpert der Kelte auch einfach den Barbaren schlechthin – also die Verkehrung dessen, was den zivilisierten und kultivierten Menschen ausmacht. Der historische Kelte interessierte nur am Rande. In der hellenistischen Welt waren die Kelten bloß Vehikel der Kommunikation – Aufzeigefigur für Normen und Werten, die zentral zur sozialen Reproduktion eines moderaten Bürgertums waren, aber bei weiten nicht mehr fraglos von allen geteilt und befolgt wurden.